Kapitel 2

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Auf einmal wurde es unruhig in der kleinen Menge und ein lautes Geräusch erklang. Meine rechte Hand zuckte bereits, dann aber realisierte ich, dass es sich bei dem Laut um Gelächter handelte. Alyn hielt inne, als sie mich erkannte. Dann grinste sie. „Senn, da bist du ja. Darf ich dir Mat, Krähe, Degendan, Argur, und Peter, das lispelnde Langbein, vorstellen?"

„Angenehm", sagte einer der Männer und da er sehr lange Beine hatte und zudem noch lispelte, nahm ich an, dass es sich bei ihm um Peter handelte.

Verdattert schwieg ich und wartete die weitere Entwicklung der Geschehnisse ab. Stumm warf ich einen fragenden Blick zu Alyn, in der Hoffnung sie würde mir erklären, was sich gerade eben vor meinen Augen abgespielt hatte.

Alyn jedoch schien kein Interesse an einer Aufklärung zu haben. „Argur ist Steuermann auf der Wellenkönigin. Er könnte für uns vielleicht eine Mitfahrgelegenheit organisieren."

Der Mann räusperte sich. „Ich kann mal mit dem Käpt'n reden, aber nichts versprechen."

Auf einmal riss einer seiner Begleiter die Augen auf. „Aber das ist ja Mika." Jetzt schienen auch die anderen den Mann, den ich mehr trug, denn stützte, zu bemerken. Wie konnte man nur so unaufmerksam sein? So klein gewachsen war dieser doch nun wirklich nicht. Vielleicht etwas schmächtig, aber unübersehbar.

„Tatsächlich." Einer der Matrosen stürzte auf den Betrunkenen zu. „Mika", zischte er. „Mika." Der Angesprochene brummelte etwas, aber hob kaum den Kopf.

„Ihr kennt den Mann?", mischte sich nun Alyn ein. Ihre Frage erübrigte sich eigentlich und das verwunderte mich, denn für gewöhnlich stellte Alyn niemals überflüssige Fragen.

„Er ist der jüngere Bruder vom Käpt'n." Die Herzogstochter nickte verstehend, als hätte sie genau diese Antwort erwartet.

„Der Käpt'n wird nicht sehr erfreut sein", mischte sich einer der Männer ein, die bisher geschwiegen hatten. Seine Stimme war dunkel und dröhnend und passte zu seiner Gestalt. Neben ihm war ich regelrecht mickrig. Obwohl ich den Rest der Gruppe überragte, war er mindestens noch einen ganzen Kopf größer. Trotzdem hatte er erstaunlich schlanke Hände, die Mika jetzt unter die Arme griffen. Als würde dieser nichts wiegen, nahm ihn der Mann Huckepack. „Wir sind im Gasthaus Zum Grünen Fluss untergekommen. Wollt Ihr uns begleiten?"
Die Matrosen sahen zwischen Alyn und mir hin und her, als wären sie sich nicht sicher, wer von uns beiden die Entscheidungen traf. Die Herzogstochter schien dies ebenfalls zu bemerken, aber anstatt etwas zu sagen, schwieg sie. Ich seufzte. „Wir waren sowieso auf der Suche nach einer Bleibe."

Die Schenke Zum Grünen Fluss sah aus wie alle anderen. Durch die geschlossenen Fenster fiel Lampenlicht auf die Straßen und Lärm drang durch die Wände. Nicht einmal der Name war originell. Aber vermutlich war das den Seefahrern recht gleichgültig. Allerdings fuhren diese Männer nicht zur See, man müsste sie also Flussfahrer nennen. Ich schüttelte verärgert den Kopf. Wieder einmal begann ich mich in Gedankenmustern zu verstricken, die absolut unnütz waren. Das war so... ineffizient.

Argur stieß die Tür auf und betrat das Innere, gefolgt von den anderen Matrosen. Der Letzte warf einen Blick auf Alyn und mich, dann auf die Pferde. „Ich hole jemanden."

Mit diesen Worten schwang die Türe wieder zu und ließ uns in der Kälte zurück. Fröstelnd rieb ich mir die Hände. Es war eisig und ich fror.

Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete sich die Türe erneut und heraus trat ein Mann mittleren Alters, in einen dicken Pelzmantel gehüllt und mit gefütterten Stiefeln ausgestattet. Sein Atem entwich in einer warmen Dampfwolke und er nickte anerkennend als sein Blick auf unsere Rösser fiel. „N'Abend", wünschte er uns knapp angebunden, dann nahm er mir entschlossen den Zügel aus der Hand und führte Farah mit den beiden anderen Pferden weg. Die Stute warf mir noch einen letzten Blick zu, dann fügte sie sich. Der Mann verschwand mitsamt Anhang in der Dunkelheit, davor konnte ich jedoch noch erkennen, wie sein Mund sich öffnete und wieder schloss. Anscheinend gehörte er zu jenem Menschenschlag, der lieber mit Tieren als mit Artgenossen sprach. Ich konnte es ihm nicht verdenken.

Die Chroniken von Seyl 2 - Die Herrscher der WüsteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt