Kapitel 67

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„Du bist ein Narr", schalt mich eine Stimme aus der Ferne. Jemand zog mich unsanft in die Höhe und zog mir die Kleider aus, bevor ich von einem trockenen Stück Stoff fest eingehüllt wurde.

Ich stolperte. Oder war das gar nicht ich? Aber warum kam ich dann dem Boden immer näher? Kurz bevor ich auf die trockene Erde fallen konnte, fing mich jemand auf.

Nach einer Ewigkeit oder auch nur wenigen Momenten begann mein erkalteter Körper aufzutauen. Es fühlte sich an, als würde ich in Flammen stehen. Ein leises Stöhnen drang mir über die Lippen.

„Wieso bist du im Wasser geblieben? Ist dir dein Leben so wenig wert?"

Ich lachte leise und rau, während meine Lippen kribbelten, als würde eine Horde Ameisen mit ihren kleinen Füßen auf ihnen herumkrabbeln. „Alyn", sagte ich, als würde das alles erklären. Für mich tat es das auch.

„Ich wollte deine Ausdauer testen und dich nicht von den Toten zurückholen. Natürlich. Ich habe nicht bedacht, wie geschwächt du bist und dann diese Verletzung. Ein Wunder, dass du nicht ertrunken bist. Es war mein Fehler." Die Stimme schien darüber sehr verärgert.

Es kostete mich einiges an Mühe, der Stimme zu folgen. „Ich kann nicht ertrinken... muss Alyn ... und Rosena... retten."

„Werd' erst mal warm. Dann reden wir." Irgendwie klang das nach einer Drohung.

Ich wurde ins Innere der Feste geschleppt. Meine Füße gehorchten nur, wenn ich sie mit Blicken beschwor, einen Schritt zu tun. So hatte ich auch keine Ahnung, wohin wir genau gingen.

Obwohl ich mich bemühte, die Treppen zu steigen, gelang es mir nicht, meine Beine weit genug anzuheben, sodass mich Rashkel am Ende mehr trug, als ich selbstständig lief.

„Du bist ein Fliegengewicht. Brauchst dringend was zu essen."

Als er mich auf eine weiche Oberfläche drückte, gehorchte ich dankbar. Zuerst schnappte ich nur nach Luft und wartete darauf, dass mein Körper endlich zu brennen aufhörte. Dann blinzelte ich und bewegte ängstlich meine einzelnen Glieder, doch zu meiner Erleichterung gehorchten alle unverzüglich.

Langsam ließ ich mich zurücksinken, immer noch in Rashkels Mantel gehüllt. Ich wandte meinen Kopf zur Seite und starrte in ein munter prasselndes Feuer. Ich konnte spüren, wie meine Lippen sich verzogen, als ich grinsen musste. Feuer in der Wüste. Wie ungewöhnlich.

Das Schnappen eines Türschlosses sorgte dafür, dass ich mich aufrichtete. Rashkel trat vor mich, in den Händen ein Tablett voll mit Essen.

Er stellte es auf den kleinen Tisch und setzte sich mit gegenüber in einen großen Ohrensessel. Entspannt schlug er ein Bein über das andere, während das Feuer seine Kleidung lebendig wirken ließ. Er deutete auf das Tablett. „Iss."

Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe keinen Hunger."

Rashkel runzelte die Stirn. „Das war keine Bitte."

Verärgerte lehnte ich mich nach vorne und begutachtete die Auswahl. Schließlich griff ich nach der Schale mit kleingeschnittenem Obst.

„Alles", kommandierte Rashkel, als ahnte er, dass ich das keineswegs vorhatte.

„Ihr könnte mich nicht zwingen, mehr zu essen, als ich schaffe", empörte ich mich.

Er lachte. „Ich kann noch viel mehr. Jemand, der sich freiwillig dem Erfrierungstod hingibt, nur um eine Frau zu retten, der wird auch meinen anderen Befehlen folgen."

„Das Ganze war also nur ein Test?"

„Natürlich war es ein Test. Aber nicht dieser Art. Ich habe nicht bedacht, dass du viel schneller frierst, da dein Körperfett sich dem Nichts annähert. Jetzt muss ich diesen Fehler wiedergutmachen. Der Großmeister hat mir die Aufgabe übertragen, dich bis zum großen Abschlussturnier zu alter Größe zurückzuführen und ich habe noch nie versagt."

Die Chroniken von Seyl 2 - Die Herrscher der WüsteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt