Kapitel 55

26 9 0
                                    

Am nächsten Morgen fuhr ich auf. Die Nacht war klirrend kalt gewesen, aber die Träume hatten mich fest in ihren Klauen gehalten, sodass ich kein einziges Mal richtig aufgewacht war. Noch halb in dieser hässlichen Welt gefangen, schnappte ich nach Luft.

Die Wüste begann sich bereits wieder zu erwärmen, aber ich fror. Meine Glieder waren steif und meine Finger bläulich verfärbt. Das Feuer war vor Ewigkeiten abgebrannt.

Farah stand noch am selben Platz und blickte mich erwartungsvoll an. Steif erhob ich mich. Frost hatte sich über meiner Decke ausgebreitet und sie war ganz starr. Aus diesem Grund ließ ich sie noch eine Weile liegen, während ich versuchte, wieder Gefühl in meine Finger zu bekommen.

Zuerst fütterte ich Farah, dann striegelte ich sie. Die Arbeit wärmte mich auf und die Sonne, die langsam in Richtung Zenit strebte, tat ihr übriges.

Erst nach einer Weile fiel mir auf, dass irgendetwas nicht stimmte. Eigentlich hätte Sphen mich wecken müssen.

Ich fuhr herum, aber ich konnte den Jungen nirgends entdecken. Leise fluchend zog ich mein Messer. Farah stapfte unruhig auf und ab, als sie meine Anspannung bemerkte.

Das Laken, unter dem er genächtigt hatte, war zerwühlt und schien etwas zu verbergen. Mit einem Ruck zog ich es zur Seite und entdeckte darunter nur Steine und Blut.

Hastig sprang ich auf und suchte die Umgebung ab. Nichts rührte sich, abgesehen von Farah, die mich abwartend musterte. Ein leichter Wind wehte und brachte einige Staub- und Sandkörner mit sich.

Vorsichtig schlich ich um den Felsen herum. Doch auch hinter der Ansammlung von Geröll und Steinen, konnte ich nichts entdecken. Die Lebewesen der Wüste hatten sich bereits wieder in ihren Höhlen und unter der Erde versteckt, um den glühenden Strahlen der Sonne zu entgehen. Zögerlich entschied ich mich, den Felsen zu erklimmen, in der Hoffnung, von oben eine bessere Sicht zu haben. Wie hatte Sphen einfach verschwinden können, ohne dass ich davon aufgewacht war? Wenn ihn jemand entführt hatte... Ich seufzte. ... dann würde ich mir das nicht verzeihen können. Anscheinend zog ich das Unglück magisch an.

Allerdings ergab das alles keinen Sinn. Warum sollte jemand den jungen Assassinen verschleppen?

Auf der Spitze des Felsens wehte der Wind heftiger. Mit einer Hand hielt ich mich fest, während ich mich umsah. Richtung Süden konnte ich die Dünen des Sandteils der Wüste erkennen und im Norden war in der Ferne das Glitzern der goldenen Dächer Agbas zu erkennen. Ich hielt mir eine Hand über die Augen, um sie vom hellen Sonnenlicht zu schützen.

Trotzdem sah ich außer lebloser Erde nichts. Nur Farah hatte den Kopf gehoben und beobachtete mich. Was auch immer mit Sphen geschehen war, es war offenbar schon vor längerer Zeit passiert. Auf dem harten Boden konnte man nicht einmal Fußspuren entdecken. Seufzend und schweren Herzens machte ich mich an den Abstieg. Ich hatte eine Entscheidung getroffen. Ich konnte nicht auch noch den Jungen suchen. Alyn zu retten, hatte eine höhere Aussicht auf Erfolg. Ich redete mir ein, dass ich das allein aus rationalen Gründen tat und nicht aus emotionalen.

Kurz rang ich noch mit mir, doch dann umrundete ich den Felsen mit der festen Absicht Farah zu satteln und weiterzureiten.

Als ich jedoch wieder in Sicht unseres Lagerplatzes trat, blieb ich wie angewurzelt stehen. Das konnte doch nicht wahr sein! Kurz war ich versucht, mir die Augen zu reiben. Langsam trat ich an Sphen heran, der leise schnarchend genau da lag, wo ich zuvor nur nackten Boden vorgefunden hatte.

Ohne näher darüber nachzudenken, streckte ich fasziniert die Hand aus, um zu testen, ob ich nicht einer Fata Morgana oder Sinnestäuschung erlegen war. Doch meine Finger berührten einen warmen Körper und Sphen grunzte. Mit einer zerzausten Frisur setzte er sich auf und blinzelte.

Die Chroniken von Seyl 2 - Die Herrscher der WüsteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt