Kapitel 29

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Das Erste, was ich wahrnahm, war die Kälte. Ich fror. Der Boden unter mir war kalt und hart. Ich konnte eine Stimme hören, die mir vage bekannt vorkam. Mein Körper war so schwer. Ich fühlte mich komplett ausgelaugt und wollte mich nicht bewegen. Trotzdem schlug ich mit großer Anstrengung die Lider auf.

Blinzelnd starrte ich in die Helligkeit. Es dauerte einen Moment, bis sich mein Blick geschärft hatte. Vier Köpfe beugten sich über mich. Ihre durcheinanderredenden Stimmen bereiteten mir Kopfschmerzen. Ich wollte mir gerade die Ohren zuhalten, da holte mich die Realität wieder ein.

Drei der Personen über mir waren weiblich. Das letzte Gesicht gehörte einem bleichen und kränklich aussehenden Mann. Schockiert fuhr ich hoch.

Bevor ich wieder nach hinten kippen konnte, fingen mich helfende Hände auf. Diese Tatsache bemerkte ich jedoch nur am Rande, denn meine ganze Aufmerksamkeit galt dem Mann vor mir. „Ihr lebt wieder", stieß ich kaum hörbar aus.

Er verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. „Ich schulde dir etwas."

Langsam und zittrig richtete ich mich auf. Alyn geleitete mich stützend zu dem Stuhl, auf den ich mit müden Gliedern niedersank. Der Kapitän setzte sich in sein Bett. Jetzt, wo ich mich allmählich wieder fasste, konnte ich sehen, wie unheimlich schwach er noch war. Auf seiner bleichen Stirn hatten sich trotz der Kälte im Raum Schweißtropfen gesammelt und er atmete schwer.

„Was ist passiert?", wagte ich zu fragen, obwohl mir die Antwort vermutlich nicht gefallen würde.

Alyn zog die Augenbrauen zusammen und deutete wütend mit ihrem Zeigefinger auf mich. „Du hättest beinahe zugelassen, dass ich dich töte!", rief sie erregt aus. „Schon wieder", sagte sie etwas leiser.

„Es tut mir leid", murmelte ich.

Sie rang mit den Händen. „Immer sagst du, dass es dir leid tut. Du solltest ein für alle Mal von diesem Selbstaufopferungsding wegkommen, das du da immer veranstaltest."

„Ich..." Ich wollte mich doch nicht selbst opfern. Mein Leben war mir wichtiger als alles andere. Ihre Worte waren Unsinn. Trotzdem versagte mir die Stimme, beim Versuch mich zu verteidigen.

„Wir sind fast umgekommen vor Sorge, als Dominic wieder zu atmen begonnen hat und stattdessen du wie tot auf dem Boden lagst", fügte Aöwe hinzu und verkleinerte mit ihren Worten meine Schuldgefühle nicht wirklich.

„Ich habe nicht einmal gemerkt, dass du mir geholfen hast!", rief Alyn aufgebracht aus. „Sonst hätte ich aufgehört." Kurz warf sie einen entschuldigenden Blick auf Dominic, der die Lippen zu einem gequälten Lächeln verzog. Er würde es ihr kaum übel nehmen, ich dafür umso mehr.

„Sag sowas nicht. Wenn er gestorben wäre, dann hätten sie euch in die Sklaverei verkauft oder ebenfalls getötet. Das konnte ich doch nicht zulassen. Außerdem habe ich Joarken versprochen, seinen Kapitän zu retten." Meine Rede hatte mich erschöpft und ich sank zurück in den Stuhl.

„Ich hätte eine andere Möglichkeit gefunden", erwiderte Alyn stur wie eh und je.

„Nein, hättest du nicht", widersprach Lapislazuli ruhig, womit sie sich sofort einem finsteren Blick ausgesetzt sah, der sie jedoch nicht aus dem Konzept bringen zu schien. „Du hast dem Raum nahezu alle Wärme entzogen. Es hätte ohne die zusätzliche Lebensenergie nicht ausgereicht."

Alyn stapfte mit dem Fuß auf. „Halt du dich da raus", fuhr sie die andere Frau an.

Diese zuckte nur mit den Schultern und wandte ihren Blick auf den Kapitän, der schon die ganze Zeit mit schwacher Stimme versuchte, unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Die Chroniken von Seyl 2 - Die Herrscher der WüsteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt