Kapitel 59

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Schließlich traf ich Sphen und den Eremiten vor dem Gatter der Dromedare wieder. Dieses Mal schwebte Sphen nicht und auch sein Gesicht war nicht mehr ganz so bleich wie am Tag zuvor. Anscheinend hatte er die freie Zeit gestern tatsächlich dazu genutzt, sich mit Lamia anzufreunden, denn die Dromedarstute schien es nicht zu kümmern, dass der Junge sich von ihr abgewandt hatte. Stattdessen hegte sie ein großes Interesse an dem kurzen Zopf, zu dem Sphens Haare zusammengefasst waren.

Der Assassine schien es nicht mal zu bemerken. Er starrte unkonzentriert in die Ferne, während Samuel die beiden Reittiere sattelte.

Ich schulterte mein Gepäck. Als mir endgültig bewusst wurde, dass es tatsächlich weiterging, durchströmte mich Aufregung. Aufregung und ein wenig Furcht.

Samuel bedeutete Lamia niederzuknien, sodass Sphen aufsteigen konnte. Dieser bemerkte nun, was Lamia gerade tat und befreite seine Haare mit einer entschlossenen Geste vom gefräßigen Maul der Stute. Seine Lippen formten ein „Hab ichs dir nicht gesagt" in meine Richtung und ich musste lächeln.

Steif setzte sich Sphen auf den Rücken des Dromedars und als das Tier sich wieder erhob, wackelte sein Körper vor und zurück. Der Junge krallte sich mit beiden Händen am Sattelhorn fest.

Ich zollte ihm Respekt dafür, dass er sich nicht so leicht unterkriegen ließ. Aber trotzdem wäre es mir lieber, er würde nicht mitkommen.

Nachdem ich auf Husra gestiegen war, benötigte ich eine Weile, um mich mit dem ungewohnten Sitz vertraut zu machen. Das Dromedar besaß eine andere Statur als Farah und ich war an den Skara unter mir schon so sehr gewohnt, sodass sich jedes andere Tier einfach seltsam anfühlte.

Damit hielt ich mich allerdings weitaus besser als Sphen, der mit bleichem Gesicht auf Lamia saß. Seine Hände hielten das Sattelhorn immer noch fest umklammert und seine ganze Haltung drückte Anspannung aus. Als würde er sich in einer schwierigen Situation befinden. Vermutlich hatte ich auch immer so ausgesehen, wenn ich auf Wachen horchte.

Sorgenvoll glitt mein Blick zu seinem Bein, das an den Leib des Dromedars gepresst war. Ich konnte keine dunklen Flecken entdecken, die auf Blut schließen ließen. Offenbar hielt der Verband - es stellte sich mehr die Frage, für wie lange. Ich hoffte, dass es Samuel gelungen war, die Wunde so weit zu behandeln, dass sich bereits Schorf gebildet hatte.

„Wie lange brauchen wir noch?", fragte Sphen.

Ich zuckte mit den Schultern. „Vermutlich noch den ganzen Tag. Gegen Abend sollten wir die Schattenfestung erreichen."

Er stöhnte bei meinen Worten. Die Aussicht auf den langen Ritt schien ihm alles andere als zu behagen. Statt jedoch zu jammern, biss er die Zähne zusammen und schwieg.

Irgendwann brannte die Sonne auf unsere Häupter, die mit weißen Tüchern geschützt waren. Trotzdem lief mir der Schweiß in Strömen vom Haupt bis zu den Fußspitzen. Ich drehte mich im Sattel, um zu den Wasserbeuteln zu gelangen, die ich in den Taschen verstaut hatte.

Bis jetzt hatte ich streng mit unserem Vorrat gehaushaltet, aber nun kreisten sämtliche meiner Gedanken um meine trockene Kehle.

Mit einem leisen Ächzen zog ich einen der gefüllten Schläuche hervor und öffnete ihn, in der festen Absicht ihn bis auf das letzte Bisschen zu leeren.

Aus dem Augenwinkel bemerkte ich Sphen, der mehr auf seinem Dromedar hing als saß. Ich trieb Husra neben das andere Tier. „Ist alles in Ordnung?", wollte ich wissen, obwohl sich die Frage erübrigte. Das Gesicht des Jungen hatte eine grünliche Farbe angenommen und er starrte mich apathisch an.

Ich fluchte leise. Ich hätte ihn nicht mitnehmen sollen. Suchend blickte ich mich um. Weit und breit konnte ich keine Schattenquelle entdecken. Zwar hatte sich der allgegenwärtige Sand etwas zurückgezogen, um nackten Stein zu weichen, aber trotzdem war dieser Teil der Wüste ein Areal des Todes, in dem nicht einmal der genügsamste Strauch wurzeln konnte. Später würden wir auf die Felsen rund um die Schattenfestung stoßen, aber momentan war das Land um uns absolut flach.

Die Chroniken von Seyl 2 - Die Herrscher der WüsteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt