Kapitel 57

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In der Wüste war es glühend heiß. Die Sonne brannte gnadenlos herab. Alyn hatte zu ihrer Überraschung feststellen müssen, dass sie keineswegs nur aus Sand bestand. Weite Teile waren tatsächlich trockene Erde und harter Stein. Die Sohlen ihrer Schuhe waren längst durchgelaufen und mit jedem Schritt spürte sie die Blasen an ihren Füßen. Immerhin gelang es ihr mithilfe ihrer Gabe, etwas von der Hitze einfach in den Boden abzugeben und so etwas abzukühlen. Doch es fiel ihr nicht so leicht, wie ihren Körper zu erwärmen.

Sie warf einen Blick nach hinten auf Rosena. Die junge Frau sah erbärmlich aus. Das Tuch vor ihrem Gesicht hatte sich gelöst und gab die sonnenverbrannte Haut darunter frei. Ihr beiges Gewand war staubig und Spuren aus Dreck und Blut zeugten von der rüden Behandlung, die ihnen die Männer angedeihen ließen.

Vor ein paar Tagen hatten die Männer sie inmitten einer Menschenmenge überfallen. Alyn war so wütend auf Senn gewesen, dass sie auf eigene Faust losgezogen war. Obwohl Rosena sie daran hatte hindern wollen, hatte sie die Herzogstochter schlussendlich begleitet. Sie waren auf den wandernden Basar gegangen, hatten sich an den vielen Dingen, die dort angeboten wurden, erfreut, und dann, auf einmal, wurde alles schwarz. Später war sie auf den Rücken eines Kamels geschnürt erwacht. Ihre Hände waren mit groben Stricken gefesselt und ihr ganzer Körper hatte geschmerzt.

Zu ihrem Erschrecken hatte sie feststellen müssen, dass um sie herum nichts als Wüste war. Die fünf Männer, ihre Kamele und Rosena, die man an einem weiteren Kamel festgeschnürrt hatte, waren die einzigen Lebewesen weit und breit.

Kaum hatten die Männer bemerkt, dass sie erwacht war, wurde sie von ihrem Reittier geschmissen und gezwungen, die Strecke zu Fuß zu laufen. Mit Rosena verfuhren die Männer nicht anders, sobald die zierliche Frau ihre Augen aufschlug.

Die schwarz gekleideten Männer weigerten sich, auch nur ein Wort mit den Gefangenen zu wechseln. Irgendwann hatte Alyn aufgegeben, es zu versuchen. Noch hatte sie nur auf Akrid versucht, mit ihnen zu sprechen. Sie war sich sicher, dass zumindest zwei der Männer sie verstanden.

Anfangs hatte sie noch über Flucht nachgedacht. Mit ihren und Rosenas Fähigkeiten wäre es ein leichtes, die Männer zu überwältigen. Dann jedoch war ihr Senn in den Sinn gekommen, der warnend den Kopf schüttelte. Denn was sollten sie anschließend tun?

Alyn hatte keine Ahnung, in welcher Richtung Agba lag. Sie wusste überhaupt nicht, ob es irgendwo menschliche Siedlungen oder Wasser gab. Ihr mochte es vielleicht gelingen, ein paar Tage ohne Nahrung und Wasser zu überleben, aber selbst dessen war sie sich nicht so sicher. Vor allem die mangelnde Flüssigkeit würde sich wahrscheinlich als Problem herausstellen. Theoretisch musste es ihnen gelingen mit den Wasserreserven ihrer Entführer für eine Weile auszukommen. Wenn sie immer nach Westen gingen, mussten sie früher oder später auf Agba stoßen. Allerdings wusste Alyn wesentlich weniger über Geographie als Senn. Es war also gut möglich, dass sie die Hauptstadt Skarameschs verfehlten und tiefer in die Wüste eindrangen. Niemand wusste, wie weit sie sich nach Süden ausdehnte. Danach dachte sie darüber nach, Richtung Norden zu reiten. Dort floss der Sidun. Wenn sie dem Flusslauf stromaufwärts folgten, konnte sie Agba gar nicht verfehlen. Außerdem hätten sie ausreichend Wasser. Allerdings wusste sie nicht, wie weit sie bereits in die Wüste eingedrungen waren. Laut der Sonne bewegten sie sich in südöstlicher Richtung fort. Alyn hatte keine Ahnung, wie lange sie bewusstlos gewesen war.

Erneut warf Alyn einen Blick auf Rosena. Die junge Frau taumelte. So gut sie es vermochte, hielt sie ihren Bauch. Blut rann ihre Schenkel hinab. Als Rosena bemerkte, dass sie beobachtet wurde, hob sie den Kopf und schenkte ihrer Freundin ein gezwungenes Lächeln.

Langsam ging die Sonne unter und es wurde kälter. Es stand ihnen noch ein langer Marsch bevor, denn die Männer zogen es vor, bis spät in die Nacht zu marschieren und die größte Hitze mittags zu verschlafen. In der ersten Nacht hatten Alyn und Rosena sich eng aneinander gedrängt. Ein Wächter behielt sie die ganze Zeit über im Auge.

Die Chroniken von Seyl 2 - Die Herrscher der WüsteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt