Kapitel 4

53 13 12
                                    

Es dauerte nicht lange und ich konnte die Seemänner ausmachen. In ihrer Mitte befand sich Alyn, die beim Klang der Hufe stehenblieb und sich umdrehte. Grinsend winkte sie.

Die Seemänner hielten Abstand von den Rössern, insbesondere vor Turrim schienen sie großen Respekt zu haben.

„Ich reit' lieber Wellenpferde", erklärte Argur brummend und die anderen nickten zustimmend. Der Kapitän stützte Mika und zu meinem Erstaunen lief Rosena neben ihnen. Sie lächelte mir kurz zu, als ich ihr die Zügel von Isa in die Hand drückte.

Dann ließ ich sie zurück und wartete darauf, dass Alyn zu mir aufschloss. Sie schien meine neugierigen Blicke auf Rosena zu bemerken. „Es scheint, als wäre der werte Mika regelrecht begeistert von Rosenas Gabe. Im Gegensatz zum Rest der Mannschaft hat er nämlich bemerkt, was sie getan hat. Erstaunlich aufmerksam für jemanden, dessen Kater die Größe eines ausgewachsenen Bullen hat."

Das war es in der Tat. „Und der Kapitän?"

Sie warf einen Seitenblick auf den Mann. „Ich weiß nicht. Eigentlich sollte er nichts bemerkt haben, aber ich traue ihm einiges zu."

Aus dem Mund von Alyn klang das sogar fast wie ein Kompliment. Ich nickte, denn auch ich hatte das Gefühl, dass der Kapitän etwas verbarg. Die Frage war jedoch, ob es für uns von Bedeutung sein könnte.

In der Dunkelheit tauchten langsam die Konturen eines großen Schiffes auf. Die Segel an den beiden Masten waren gerefft und es schaukelte sanft in der Strömung des Flusses auf und ab.

„Darf ich vorstellen: Die Wellenkönigin." Der Kapitän stand sichtlich stolz vor seiner Brigg, während Mika nur müde den Kopf hob. Entweder konnte er vor lauter Kopfschmerzen nicht richtig denken oder aber er war keineswegs ein so begeisterter Seefahrer wie sein älterer Bruder.

„Das ist ein schönes Schiff", bemerkte Alyn. „Ich hätte jedoch erwartet, es wäre etwas kleiner."

Der Kapitän runzelte die Stirn. „Wie kommt Ihr denn darauf?"
Sie zuckte mit den Achseln, während sie langsam an das Ende des Kais trat. „Vielleicht weil Ihr noch recht jung seid."

Gespannt wartete ich auf eine Antwort des Kapitäns. Er schien zu wissen, dass Alyn diese in ihrer Aussage implizierte Frage nicht ohne Hintergedanken gestellt hatte. Er zögerte und legte den Kopf schräg, während er die Herzogstochter mit seinen grauen Augen taxierte.

Dann verzog sich sein Mund zu einem Lächeln. „Ich habe es von meinem Vater geerbt, der leider viel zu früh gestorben ist."

Alyn seufzte. „In diesen Zeiten werden die wenigsten Menschen alt."

„Das ist wohl wahr."

Dann wandte er sich ab und erteilte seinen Matrosen einige Befehle. Die begannen geschäftig hin und herzulaufen, viel musste offenbar nicht mehr auf das Schiff geladen werden. An der Reling tauchte indes ein glattrasierter Kopf auf. Der Kapitän hatte den Mann auch gesehen und winkte ihn zu sich hinab. Dann versanken die beiden in ein angeregtes Gespräch. Ich vermutete, dass der Glatzköpfige zurückgeblieben war, um das Schiff zu bewachen. Es war seltsam, dass der Kapitän nicht mehrere Männer abgestellt hatte, wie es bei größeren Schiffen üblich war. Der Mann mochte vieles sein, aber gewiss nicht leichtsinnig. Deshalb vermutete ich, dass er einen guten Grund gehabt hatte, nur eben diesen einen Mann zurückzulassen.

Nachdem das Schiff fertig beladen war, bedeutete uns der Kapitän, die Wellenkönigin zu betreten. Alyn ging voraus, Turrim folgte ihr mit großer Gelassenheit, sodass in mir der Verdacht keimte, er habe das alles nicht zum ersten Mal gemacht. Ich folgte und Farah stapfte langsam hinter mir her. Zu Beginn des Holzbretts, welches den Kai mit dem Schiff verband, blieb sie stocksteif stehen und starrte mich mit aufgerissenen Augen an.

Die Chroniken von Seyl 2 - Die Herrscher der WüsteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt