Kapitel 23

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Das Innere der Hütte war dunkel, denn abgesehen vom Eingang gab es keine anderen Öffnungen. Die Luft war furchtbar stickig und erschwerte es mir, mich zu konzentrieren. Nachdem sich meine Augen an das spärliche Licht gewöhnt hatten, erkannte ich zwei ältliche Frauen, die mich argwöhnisch beobachteten und jede meiner Bewegungen analysierten.

Sie saßen beide auf einem Haufen aus Zweigen, der von Fellen abgedeckt wurde. Ein Teil der Hütte war mithilfe eines Vorhangs abgetrennt und ich vermutete, dass sich dahinter die privaten Räumlichkeiten der Anführerin befanden.

Eine der beiden Frauen trug ihre langen, weißen Haare zu kunstvollen Zöpfen geflochten und eine Kette aus Zähnen schmückte ihren nackten Hals. Wie auch meine Begleiterin war sie nur mit einem Schurz um ihren Unterleib bekleidet. Sie nickte mir würdevoll zu und bedeutete uns mit einer Geste, auf den Fellen, die vor ihnen auf dem nackten Boden ausgebreitet lagen, Platz zu nehmen.

Wir setzten uns und ich starrte zu den beiden Menschen nach oben, die durch ihre erhobene Position sofort größer wirkten. Die Haare der Fremden neben mir kitzelten auf meiner nackten Haut. Ich warf ihr einen Blick zu, den sie nicht zu bemerken schien. Ihre ganze Aufmerksamkeit war auf die beiden Frauen vor uns gerichtet. Sie wechselte ihre Pose, offenbar in der Hoffnung dadurch eine bequeme Sitzstellung zu finden. Ein leises Klippern ertönte und ich entdeckte, dass sie an ihrem rechten Fuß ein kleines Kettchen aus blauen Steinsplittern trug.

Als eine der Frauen zu sprechen begann, vergaß ich das Gesehene sofort und konzentrierte mich auf das Geschehen. Ich konnte kein Wort verstehen, die Sprache der Dschungelbewohner ähnelte selbst dem jamarschen nur entfernt.

„Ich werde für dich übersetzen", erklärte die Fremde neben mir leise und begann sofort damit. „Ich bin Etlakela, die Anführerin dieses Dorfes. Wir leben in völliger Abgeschiedenheit und bekommen nur selten Besuch. Trotzdem haben wir uns seit siebzehn Jahren auf deine Ankunft vorbereitet."

„Wie darf ich das verstehen?", fragte ich verwirrt und sofort traf mich ein Stoß in der Seite. Ärgerlich wandte ich mich zur Seite. „Nicht reden", zischte die Fremde und ich schwieg peinlich berührt.

Die Anführerin, deren Name ebenso seltsam klang, wie auch alles andere in ihrer Sprache, redete ungerührt weiter. Anscheinend war ich noch einmal davongekommen.

„Wir sind darüber nicht glücklich, aber der Lauf des Lebens hat anders entschieden und es gibt nichts was wir höher schätzen als das Leben."
Wenn sie vom Lauf des Lebens sprachen, redeten sie dann vom Fressen und Gefressen werden des Dschungels? Allmählich dämmerte mir, dass ihre Religion vielleicht doch nicht so einfach war, wie ich angenommen hatte.

„Unsere Flüsterin hat uns prophezeit, dass eines Tages ein goldener Mensch kommen würde, der große Veränderungen in ein Land bringen würde, die selbst unser Volk eines Tages vor dem Untergang retten werden."

„Ich glaube, Ihr verwechselt mich", flüsterte ich der Fremden an meiner Seite zu, weil ich es nicht wagte laut zu sprechen. Sie stockte kurz in ihrer Übersetzung und antwortete genauso leise ein „Später".

„Wir haben deine Ankunft lange erwartet und selbst jetzt, wo du vor uns stehst, sind wir nicht glücklich, dass der Tag gekommen ist, an dem du unsere Tochter fortnimmst. Es fällt uns schwer zu akzeptieren, dass ausgerechnet ein Mann unser Volk retten soll, aber es ist nicht an uns, die Entscheidungen der Göttin infrage zu stellen."

Ich wollte ihnen sagen, dass ich keineswegs vorhatte ihnen irgendetwas wegzunehmen, sondern einfach um Hilfe für den Kapitän bitten wollte. Dieses seltsame Volk schien einen Hang zum Dramatischen zu haben.

Die Chroniken von Seyl 2 - Die Herrscher der WüsteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt