Leise trat ich an die Box heran und lugte hinein. Rosena stand mit dem Rücken zu mir, eifrig das Fell ihrer Isabellenstute striegelnd. „... sehr gerne. Er weiß sogar von meiner Vergangenheit und er behauptet auch, es mache ihm nichts aus, aber wir sollten der Wahrheit ins Auge blicken. Ich bin beschmutzt. Niemand will eine Frau wie mich." Sie seufzte kurz und Isa schnaubte aufmunternd. Rosena lachte leise. „Ja, du verstehst mich, nicht wahr? Du hörst mir immer zu. Ich weiß nicht, ob ich mich ihm jemals hingeben könnte. Ich glaube fast, ihn zu lieben, aber anscheinend sitzen meine Wunden tiefer, als ich gedacht habe. Jedes Mal, wenn wir nebeneinander sitzen, läuft mir ein Schauder über den Rücken. Ein Schauder aus Angst und Erregung."
Sie schwieg kurz und drehte sich in meine Richtung. Ich duckte mich und hoffte, sie hätte mich nicht gesehen. Es war schändlich von mir, so einfach zu lauschen, denn es ging mich nichts an. Allerdings hatte ich nie behauptet, ein anständiger Mensch zu sein. Darum blieb ich an Ort und Stelle und wartete, dass sie weiterredete, was sie auch tat.
„Wenn ich Senn und Alyn ansehe, hege ich Hoffnungen. Irgendwie finde ich die beiden ja süß. Wie sie die ganze Zeit herumschleichen, aber dann doch einen Rückzieher machen." Röte schoss mir ins Gesicht, als ich das hörte. Diese Worte waren definitiv nicht für mich bestimmt. „Ich glaube, er hat auch viel durchgemacht. Ich glaube, er ist genauso kaputt wie ich. Weißt du, mich würde es brennend interessieren, was ihm zugestoßen ist. Manchmal wirkt er so unendlich traurig. Wenn er wüsste, dass er der einzige Mann ist, dem ich nah sein kann, ohne Furcht zu empfinden."
Sie lachte bitter. „Dafür bin ich ihm dankbar. Und den Göttern. Ohne ihren Segen könnte ich mit diesen Erinnerungen nicht weiterleben. Ohne sie hätte ich diese zweite Chance nicht bekommen. Ich will vorangehen. Ich will ein neues Leben. Ich glaube..." Sie murmelte etwas. „Ich will Mika eine Freundin sein. Er hat diesen unfassbar niedlichen Blick und ich würde so gerne einmal durch seine Haare streichen. Er hat sehr dichte Haare, so wie du."
Für eine Weile konnte ich nichts mehr hören. Offenbar war sie in Gedanken versunken. Gerade als ich aufstehen wollte, ergriff sie noch einmal das Wort.
„Nun, es würde sowieso nicht funktionieren. Ich möchte Senn begleiten. Auch wenn ich vielleicht nicht so stark bin wie Alyn oder Lapislazuli, so fühle ich mich trotzdem gut bei dem Gedanken, gebraucht zu werden. Aber Mika kann mich nicht begleiten. Er muss sich um andere Dinge kümmern. Er hat Familie. Ach Isa, ich bin froh, dass mir wenigstens einer zuhört. Auch wenn du mir leider keinen Rat geben kannst."
Leise schlich ich geduckt an der Box vorbei. Ich hatte genug gehört. Dieses ganze Gespräch war mich nichts angegangen und es war schlimm, dass ich so lange dageblieben war. Außerdem quälten mich Schuldgefühle. Ich hatte den Eindruck, der jungen Frau nicht genug Aufmerksamkeit zu schenken, weil ich in Gedanken stets bei unserer Mission oder bei Alyn war. Es war gut, dass Mika sie auf Händen trug. Rosena hatte es verdient, für jemanden die wichtigste Person der Welt zu sein.
Farah wandte mir den Kopf zu. Wie immer begrüßte sie mich sofort mit einem Nasenstüber. Ich umarmte sie und erlaubte mir, das weiche, warme Fell unter meiner Wange zu genießen.
„Es freut mich, dass es dir gut geht."
Ich begann ihr Fell zu striegeln und genoss die leisen Geräusche, die sie von sich gab, wenn ich ihr besonders liebe Stellen pflegte. Entspannt schloss sie die Augen und ich spürte, wie ich ebenfalls lockerer wurde. Entfernt hörte ich Alyn, die Lapislazuli ausführlich über Turrims Vorlieben berichtete. Auf einmal gaben beide einen seltsamen Laut von sich. Ich identifizierte ihn als Kichern. Ein Stich fuhr mir durchs Herz. Hatte Alyn in meiner Gegenwart jemals gekichert? Das musste sich ändern. Zuerst wollte ich zu ihr gehen, blieb dann aber stehen. Alyn hatte mir nie von irgendwelchen Freunden berichtet, ihr Leben war zwischen Bällen und Teegesellschaften recht einsam gewesen. Sie sollte diesen Moment ausschöpfen. Also blieb ich, wo ich war.
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Die Chroniken von Seyl 2 - Die Herrscher der Wüste
FantasySenn und Alyn haben es geschafft: Sie haben den ersten Edelstein gefunden. Doch nun führt ihre Reise sie nach Skaramesch, das Land der Wüste. Der Weg dorthin ist nicht einfach, es lauern Piraten, die es insbesondere auf wohlhabende Reisende abgesehe...