Als ich benommen die Augen öffnete, befand ich mich einem kurzen Zustand der vollkommenen Orientierungslosigkeit. Ich blinzelte ins gleißende Licht, ehe die Erinnerungen einsetzten. Schlagartig fiel mir alles wieder ein und ich richtete mich stöhnend auf. Mein Kopf dröhnte und mein Körper schmerzte. Aber ich war am Leben.
Ich befand mich in einem Meer aus Geröll, Steinen und Felsbrocken. Das, was von der Schattenfeste übrig geblieben war. Vorsichtig und zittrig erhob ich mich. Ich lebte noch.
Ich konnte es immer noch nicht fassen. Wie war das möglich? Meine Kehle kratzte und ich wurde von einem Hustenanfall geschüttelt. Dann musste ich würgen und erbrach rotgefärbten Staub. Erschöpft wischte ich mir den Mund ab. Meine Sorge um Alyn ließ mich weitertaumeln. War sie heil hinausgekommen? Ich konnte nur hoffen, dass Sphen sie beschützt hatte.
Langsam machte ich mich an den Abstieg. Meine Beine fühlten sich wie Butter in der Sonne an. Immer wieder rutschte ich ab und schlitterte ein paar Scal weiter in die Tiefe. Mit rissigen Fingern verkrallte ich mich in alle Fugen, die sich mir boten. So näherte ich mich stückweise dem sicheren Erdboden.
Ein paar Kiesel lösten sich unter meinem Griff und polterten nach unten. Ich folgte ihnen zittrig. Als ich endlich am Boden stand, atmete ich heftig. Meine Knie wackelten so stark, dass ich mich kurz setzen musste. Erleichterung überkam mich. Ich war wahrlich noch am Leben. Fast hätte ich irre gelacht. Dann humpelte ich weiter. Ich konnte nur hoffen, dass ich Alyn dort fand, wo sich die letzte Phase meines Plans abspielen würde: In der Arena.
Der Weg schien endlos. Obwohl es bereits früher Abend war und ich überwiegend im Schatten der hohen Felsen marschierte, schwitzte ich. Nach kurzer Zeit musste ich Halt machen, weil ein stechender Schmerz in meiner Schulter einsetzte, den ich zuvor gar nicht wahrgenommen hatte. Als ich unbewusst mit einer Hand die entsprechende Stelle berührte, war sie danach voller Blut. Mir fiel der Splitter ein, der immer noch in meiner Haut steckte.
Mit einem kurzentschlossenen Ruck zog ich ihn heraus. Es war möglicherweise eine dumme Entscheidung, denn so war die Wunde nicht mehr verstopft. Andererseits hatte er mich in meiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Ein Schmerzenslaut entfuhr mir und kurz drehte sich alles. Meine Beine gaben nach und ich ließ mich gegen eine der Felswände sinken. Aus dem bereits halb abgerissenen Ärmel meiner Tunika bastelte ich einen provisorischen Verband, der sich rasch rot färbte.
Trotzdem musste ich weiter. Ich musste wissen, ob es Alyn und Sphen gut ging. Schließlich war ich es, der sie in diese Gefahr gebracht hatte.
Schon bevor ich die Arena ausmachen konnte, hörte ich eine Kakophonie wild durcheinander rufenden Stimmen.
Am oberen Ende der in Stein gehauenen Stufen blieb ich stehen. Neugierig starrte ich nach unten. Sämtliche Assassinen waren aufgesprungen und deuteten aufgeregt auf die Gestalten in der Mitte der Arena. Eine von ihnen war Abdajah, bei den anderen handelte es sich um Sad'Ahad, sowie Karim und weitere Widerständler. In Sad'ahads Hand war ein uraltes, in Leder gebundenes Buch. Der Kodex.
Langsam stieg ich die Stufen hinab. Niemand beachtete mich. Mein Blick fiel auf eine Gestalt weiter am Rand. Sie war zu weit entfernt, als dass ich Details erkannt hätte, aber ich wusste, dass sie es war.
Erleichterung überkam mich. Alyn hatte es lebend nach draußen geschafft.
Am liebsten wäre ich auf sie zugestürmt, aber ich zügelte mich. Es gab Wichtigeres zu tun. Der Erste und Einzige, der mich bemerkte, war Rashkel.
Der ältere Assassine stand am Fuß der Treppe und hatte finster die Arme verschränkt. Obwohl er mich unmöglich gehört haben konnte, drehte er sich um und sein Gesicht drückte vollkommene Überraschung aus. Ich rang mir ein Lächeln ab.
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Die Chroniken von Seyl 2 - Die Herrscher der Wüste
FantasySenn und Alyn haben es geschafft: Sie haben den ersten Edelstein gefunden. Doch nun führt ihre Reise sie nach Skaramesch, das Land der Wüste. Der Weg dorthin ist nicht einfach, es lauern Piraten, die es insbesondere auf wohlhabende Reisende abgesehe...