Stoß 4.1

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Da wir Klara nach einer Stunde Planung nicht mehr wach bekamen, blieb uns noch etwas Zeit, bis wir in Aktion treten würden. Also beschloss ich, noch einen Schluck im Hort zu mir zu nehmen.

Der Hort war der Name, den Numbaka seiner Bar gegeben hatte. Wie ein Drache hatte er in seiner Zeit als Schrotti einen kleinen Schatz an Beutestücken zusammengesammelt. Interessant aussehende Hardware, die Hörner eines Mammuts, das sie selbst erlegt hatten, oder Relikte der alten Zivilisation. Die hingen im Eingangsbereich an den Wänden, zwischen düster flackernden, roten Lichtern. Sie bildeten einen starken Kontrast zum Raum, den ich jetzt durchquerte. Der Raum mit dem Medienpanel, auf dem ununterbrochen Unterhaltung lief, untermalt von den Stimmen grölender Kerle. Er diente als Brücke zwischen Verkaufsräumen und der eigentlichen Bar, in der die Atmosphäre wieder ruhiger wurde.

Darauf legte unser Boss Wert. Wer sich in diesem Bereich daneben benahm, flog hochkant raus und hatte schlechte Chancen, je wieder reingelassen zu werden. Kaum einer legte es auf ein Hausverbot an, aber hin und wieder kam es doch vor. Wenn Sergej oder Bull, der andere Rausschmeißer, mit den Unruhestifter fertig waren, mussten sie sich in der Regel ein paar Tage im MedCenter auskurieren und waren sowieso nicht mehr in der Lage, die Bar zu betreten.

Ich steuerte die Theke an, setzte mich auf einen freien Hocker und bestellte, nachdem ich die Aufmerksamkeit des Barkeepers gewonnen hatte, einen Zombie on Ice.

Das war ein Erdbeer-Cocktail, in dessen Mitte eine Walnuss schwamm, von der aus Miniatureiswürfel zum Rand des Glases und dann in einem Halbkreis daran entlang platziert waren. Das sollte ein Gehirn mit Wirbelsäule darstellen, wobei sich der Effekt beim ersten Schluck natürlich verlor. Numbaka hatte das Getränk als Scherz eingeführt, nachdem wir ihm von unseren Erlebnissen auf dem Raumschiff erzählt hatten, mochten sie nun tatsächlich geschehen sein oder nicht.

Der Erdbeeranteil im Getränk bestand leider nur aus Geschmacks- und Farbstoffen, die Walnuss war aber echt. Diese wurden auf einer der Agraretagen angebaut, und da die Bäume einen unglaublichen Ertrag abwarfen, waren sie, obwohl nicht synthetisch, sogar hier in der Unterwelt erschwinglich.

Das Getränk fand bei den Gästen Anklang und so blieb es im Sortiment. Ich trank jedes Mal ein Glas, wenn ich neben unseren Aufträgen die Zeit dazu fand, hier einzukehren. Aber nicht mehr als eines, damit der Kopf für später noch klar blieb.

Ich hatte den Cocktail zur Hälfte geleert, da setzte sich ein Kerl in einer staubigen Ganzkörperrüstung neben mich. Ein Minenarbeiter. Und seine Rüstung war nicht nur etwas staubig, nein, der Staub war so dick, dass er wie eine graue Statue aussah. Eine Wolke breitete sich aus, als er sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Hocker fallen ließ. Ich schaffte es nicht, rechtzeitig zu flüchten oder die Luft anzuhalten, und mir wehte eine Staubwolke direkt ins Gesicht. Ich hustete und drehte mich zum Barkeeper.

Der sah den Minenarbeiter finster an und zeigte auf den Ausgang. Neben der Eingangstür zum Hort wurden mehrere Clips auf Medienpanels abgespielt, die Personen bestimmter Berufe demonstrierten, was sie zu tun hatten, bevor sie die Bar betraten. Er hatte offensichtlich nicht darauf geachtet, sonst hätte er sich unter die Druckluftdusche gestellt, aus der er wie neu geboren und ohne ein Körnchen Staub herausgetreten wäre. Und ohne Anzug. Immerhin wollte man seinen Mitbürgern ab und an mal in die Augen schauen. Nun, manchen zumindest.

Der Mann erhob sich wieder und ging Richtung Ausgang. Bull saß mit verschränkten Armen in einer Ecke und beobachtete das Ganze mit einem breiten Grinsen. Dafür, dass er ihn nicht gestoppt hatte, würde ich mich noch revanchieren.

Ich sah nach dem Zustand meines Getränks, vielleicht war es ja noch genießbar. Als sich meine Augen, gefolgt vom Rest meines Körpers, der sich auf dem Barhocker hinterher drehte, auf den Weg zum Getränk machten, blieben sie an einem Zettel hängen, der daneben lag. Der Minenarbeiter musste ihn vergessen haben.

HypothermieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt