Befreiung 8.3

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Ich rannte den Gang entlang und zog den notdürftig zusammengetackerten Bus hinter mir her. Unser Ziel lag in der Richtung, in der wir den Wasserzombies begegnet waren. Dass es dort passiert war, konnte kein Zufall gewesen sein. Wenn wir dem Gang folgten, würden wir das Tor zur Außenwelt erreichen, da war ich mir sicher.

Hinter mir hatte Moritz grimmig Stellung an der Microgun bezogen. Die Batterie des Fahrzeugs hatten wir kurzerhand aus der kaputten Motorhaube ausgebaut und direkt an Waffe und Kraftfeld angeschlossen. Cass lag zugedeckt auf der Rückbank, Brutus samt Laserbrenner auf dem Boden unter ihr.

Klaras Ratten sprangen neben mir durch das Wasser. Ich drehte meinen Kopf zu ihnen und fragte mich, ob sie nicht lieber im Trockenen sitzen wollten.

"Guck nicht so", rief Klara, die ihren Kopf auf der Fahrertür herausstreckte. "Das ist ihnen lieber, als in diesem wackeligen Schrotthaufen zu sitzen."

Irgendwo zwischen uns schwebte dann noch Cass' Kameradrohne, filmte alles und sendete das Material an alle Empfänger, die sich in Reichweite befanden. Sollte das Sicherheitskorps ruhig Angst bekommen und die Fans ihre Show.

Je weiter wir kamen, desto mehr zog sich das Wasser zurück. Das war vielleicht Sergejs Verdienst. Er hatte die beiden Wasserzombies vom Bus weggelockt, als sie kurz vor Brutus Ausbruch aufgetaucht waren. "Wartet nicht auf mich, ich komme später nach", waren seine letzten Worte gewesen. Heroisch, aber auch dämlich. Wer überlebt schon, wenn er so etwas behauptete? Ich hoffte, dass er zumindest mit irgendeinem Plan losgezogen war, wie er sie loswerden konnte.

"Ich schicke die Drei voraus, als unsere Kundschafter", brüllte Klara von ihrem Sitz aus. Wenn ich rannte, waren meine Schritte auf dem nackten Beton jetzt so laut, dass ich sie andernfalls nicht verstehen würde. Unser ComNet war im Eimer, das hatten wir ebenfalls Brutus zu verdanken, also konnten wir uns nur noch so verständigen.

Ihre drei Freunde aus dem Tierreich legten einen Zahn zu und überholten mich.

"Du hast ihnen noch keine Namen gegeben?"

"Nein, die sind mir ausgegangen. Weißt du, mit wie vielen Ratten ich die letzten Tage zu tun hatte? Wenn ich ehrlich bin, haben Ratten auch kaum Persönlichkeit, die sie voneinander unterscheidet. Anders als meine Schafe, die alle einen Namen bekommen haben."

"Schafe haben also mehr Persönlichkeit?" Ich konnte mir nicht vorstellen, wie viel mehr Persönlichkeit ein Schaf als eine Ratte haben konnte, aber ich musste zugeben, dass ich recht unbewandert darin war, was in den Köpfen beider vorging.

"Klar! Wenn du wüsstest, was die Schafe mir so erzählen. Es ist echt erstaunlich, was ein Schaf den ganzen Tag bewegt. Nicht nur, wo das saftigste Grün ist. Nein sie haben eine eigene Kultur und überlieferte Geschichten ihrer Urahnen. Sagen und Kriminalgeschichten könnte man daraus schreiben. Wahrscheinlich wissen sie mehr über die Zitadelle, als viele der Menschen, die darin wohnen. Sie können ja nichts aufschreiben und irgendwo verlieren. Sie müssen sich alles merken und weitererzählen."

"Aber vergessen sie die Geschichten nicht auch irgendwann?"

"Nein, die Herde in der Siedlung hat 53 Schafe. Die können die Geschichten nicht alle gleichzeitig vergessen."

Das klang ... logisch. So logisch, wie sich genau jetzt über Schafe zu unterhalten. Aber das war ein erfreulicheres Thema, als über Cass zu sprechen, oder sich Sorgen darüber zu machen, ob Sergej noch lebte oder was uns erwartete.

Klara erzählte mir mehr über ihre Schafe, aber meine Gedanken waren schon wieder in die Realität abgedriftet. Ich erkannte die Stelle, an der ich mit dem Wasserzombie durch die Wand gebrochen war, bremste und hob die Hand.

HypothermieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt