Es war das Zittern der Wände, das mich aus dem Ruhemodus holte. Eine leichte Vibration, wie beim Abklingen einer Stimmgabel, die an einem Körperteil anlag. Bewegte man sich im Schiff, fiel es einem sicher nicht auf. Ich hingegen lag still auf meiner Trage und hatte direkten Kontakt mit einer Wand und so entging es mir nicht. Ich maß dem zunächst keine besondere Bedeutung zu. Vieles erschütterte jetzt das Raumschiff. Die Menschen, die darin liefen und die Räume erkundeten, in die ich sie ließ. Oder der Aufzug, der Wölfe und Soldaten nach unten beförderte. Ich hatte sie alle im Blick.
Als jedoch die Apparaturen auf dem Tisch scheppernd auf und ab sprangen, war ich alarmiert. Ich prüfte die Etagen und Systeme des Schiffes, entdeckte aber nichts, das als Quelle in Frage kam. Also schaltete ich die Außenkameras ein.
Auf den ersten Blick glaubte ich, eine Tierdoku über die Antarktis eingeschaltet zu haben. Die Kamera zeigte einen riesigen Schwarm Pinguine. Sie watschelten dem Schiff so schnell entgegen, wie ich noch nie Pinguine hatte watscheln sehen. Dennoch, die waren sicher nicht allein die Quelle des Bebens. Ich sah mir die anderen Bilder an. Auf dem nächsten Bild Eisbären und Elche. Dann holte ich einfach alle Kameras auf den Schirm und war überwältigt.
Es waren so viele verschiedene Tiere. Kleinere, die zwischen den Beinen der Größeren umher wuselten und versuchten, nicht zertrampelt zu werden. Jäger und Beute, die ihre Instinkte vergessen hatten. Alle nur darauf bedacht, aus dem Wasser zurück ins Eis zu kommen. Aus der Masse stachen einige Kreaturen besonders hervor. Sah ich da tatsächlich Mammuts?
Auch den Soldaten und Zivilisten waren die Tiere nicht entgangen und hastig rafften sie ihre Ausrüstung zusammen. Sie machten sich nicht zum Kampf bereit, was sollten sie auch gegen eine solche Urgewalt ausrichten? Die Soldaten riefen etwas und bildeten einen Kreis um die Zivilisten, die in Richtung Luke flohen.
"Helft den Zivilisten an Bord!", wies ich die Soldaten im Eingangsbereich an. "Haltet die Gänge frei!"
Den Bemühungen des Militärs zum Trotz verlief die Flucht chaotisch. Menschen rannten sich gegenseitig über den Haufen, hatten irgendwas vergessen, das sie unbedingt noch retten mussten, oder stritten sich darum, wer zuerst durch die Tür des Schiffes durfte. Am Ende des Tages gab es sicher nicht wenige Leute mit blauen Flecken, verstauchten Knöcheln oder Brüchen.
Als es schließlich alle geschafft hatten, schloss ich die Tür hinter ihnen und hoffte, dass die Wände des Schiffes dem Ansturm standhielten, falls sie nicht anhielten, sobald sie den Eisring erreichten. Zumindest waren wir hier drinnen sicherer als draußen.
Das dachte ich wenigstens, bis ich eine Bewegung auf einer der Kameras wahrnahm, die jetzt eigentlich menschenleer sein sollte. Ich zoomte näher ran und bemerkte, dass es sogar zwei Bewegungen waren.
Klara und ihr Schneehörnchen.
"Mist, verdammter!", fluchte ich, für alle im Eingangsbereich hörbar in das Mikro. "Ihr habt Klara vergessen!"
Ich rechnete kurz durch, wie knapp ihre Flucht zum Schiff ausfallen würde. Es war machbar. Ich musste die Soldaten im Eingangsbereich nur darauf vorbereiten, sie reinzuholen.
"Soldaten im Eingangsbereich ...", begann ich und stutzte. Die Richtung, in die sie lief, war nicht die des Schiffes. Sie lief den Tieren entgegen. Warum?
Dann verlangsamte sie ihren Lauf und hielt an. Blieb seelenruhig stehen, auf halbem Weg zwischen Schiff und der herannahenden ersten Welle der Tiere. Breitbeinig und mit verschränkten Armen, um ihnen zu trotzen. Das Schneehörnchen Fipsi kletterte ihren Rücken hinauf und platzierte sich in genauso entschlossener Pose auf Klaras Schulter.
Nur noch wenige Sekunden, dann hatten die Tiere sie erreicht. Ich hielt den Atem an.
Es war eine Horde silbrig glitzernder Büffel, zwischen denen sie verschwand. Die Tiere waren so riesig im Vergleich zur winzigen Klara, dass ich keine Details erkennen konnte. Hier drinnen konnte ich nichts hören, keine Schreie, kein Trampeln. Der einzige Ton, der die Stille durchbrach, war einer der Gegenstände, der hinter mir vom Tisch gerollt war und mit einem dumpfen metallischen Knall auf dem Boden landete.
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Hypothermie
Bilim Kurgu[𝗪𝗮𝘁𝘁𝘆𝘀 𝟮𝟬𝟮𝟮 𝗚𝗲𝘄𝗶𝗻𝗻𝗲𝗿 (Größter Twist)] Ein unerwarteter Schneesturm verwandelt Daniels Stadt in eine Hölle aus Eis. Monster, die durch die Straßen ziehen. Ein fremdartiger Zylinder, der in der Stadtmitte eingeschlagen ist. Verdräng...