Dunkelheit empfing uns. Die Beleuchtung war abgeschaltet, doch meine Sensoren nahmen keine Wärmesignatur aus dem Raum wahr. Ich machte einen Schritt hinein und es platschte. Kleine Wellen gingen von meinem Fuß aus und verloren sich zitternd in der Dunkelheit. War schon so viel des Schnees geschmolzen?
Ich erhöhte die Leuchtkraft meiner Scheinwerfer und schwenkte sie durch den Raum. Die Wände waren kahl, wie erwartet. Aus der Wasseroberfläche ragten Schienen, die in den Tunnel führten. Gehörten sicher zur Abschussvorrichtung, mit der Sträflinge in den Ring befördert wurden.
Ein Rollgatter, in der gleichen Höhe, wie der Gang hinter uns, führte gegenüber aus der Halle hinaus und daneben eine kleinere Tür, für alle, die das Gatter nicht brauchten. Was gab es in der Zitadelle überhaupt noch, das so viel Platz brauchte? Der Bus der Enklave war das erste Automobil, das ich seit Jahren gesehen hatte. Schoben sie hier vielleicht schwere Geschütze durch die Gegend, die uns erst im nächsten Raum erwarteten? Nein, genug Platz, um eine Verteidigungsstellung aufzubauen, bot sich doch auch schon hier.
"Nach der Tortur hatte ich mehr erwartet." Sergejs Stimme aus dem ComNet klang enttäuscht.
"Ärger dich nicht zu früh, wir sind ja noch nicht draußen," gab ich zurück. "Haltet euch bereit, ich versuche, mich hier mal ins Netzwerk einzuklinken."
Ich hatte ein Bedienpanel am Rand des Raums entdeckt und steuerte darauf zu. Meine Schritte klangen, als würde ich durch ein halb gefülltes Planschbecken hüpfen. Ich wünschte, dieser Einsatz würde nur halb so viel Spaß machen. Das Panel blinkte, also wurde es mit Strom versorgt und ich legte hoffnungsvoll eine Hand darauf. Ich hatte Glück und es war mit dem Netzwerk der Zitadelle verbunden. Weniger Glück war mir beim Abrufen der Informationen beschert.
"Die Etage ist auf Minimalbetrieb. Ich kann nur auf einen Teilbereich zugreifen und selbst da sprechen viele der Geräte nicht auf meine Anfragen an. Die Kameras sind tot und ...", ich stieß einen Ton aus, der einer Mischung aus Missfallen und Unglaube entsprach, "... sie haben die Sauerstoffzufuhr abgestellt."
"Wie knapp ist er denn schon?", fragte Sergej.
"Kann ich nicht erkennen. Hier ist fast alles tot. Sie müssen nicht nur gewusst haben, dass wir kommen, sondern auch, wie ich auf ihr Netzwerk zugreifen kann. Moment, ich kann die Zusammensetzung der Luft über den Anzug herausfinden. Das müsste ich dann in jedem Bereich machen, bevor ihr irgendwo aussteigt. Lästig."
Ich überprüfte die Daten in diesem Raum. Der Sauerstoffanteil war aber normal. Falls sie den restlichen Bereich nicht mit etwas anderem geflutet hatten, war es ohnehin unwahrscheinlich, dass sofort eine Gefahr bestand. Im schlimmsten Fall sank die Konzentrationsfähigkeit der anderen. Und wie stark musste man sich schon konzentrieren, um auf Siks zu feuern oder einzuprügeln?
"In diesem Raum besteht keine Gefahr. Ich öffne jetzt das Rollgatter."
Den Befehl konnte ich vom Panel aus tatsächlich geben. Der Öffnungsmechanismus zog es ratternd nach oben, ich positionierte mich an seine Seite und spähte hinein. Der Gang bot ein ähnliches Bild, wie in der Halle. Gedämmtes Licht, hier und da das Aufblitzen einer Kontrolllampe, und dort war der Boden mit Wasser bedeckt.
War wirklich so viel Eis geschmolzen, dass es bis in den Gang lief? Das konnte eigentlich nicht sein. Das Wasser stand mir jetzt bis zu den metallenen Knöcheln und so weit ich sehen konnte, war der Boden komplett überflutet.
"Irgendwas ist hier faul, der Gang steht unter Wasser. Vorsichtig weiter."
Ich bewegte mich in den Gang hinein und der Bus folgte mir. Seine Räder erzeugten sich überlagernde Wellenlinien im Wasser.

DU LIEST GERADE
Hypothermie
Science Fiction[𝗪𝗮𝘁𝘁𝘆𝘀 𝟮𝟬𝟮𝟮 𝗚𝗲𝘄𝗶𝗻𝗻𝗲𝗿 (Größter Twist)] Ein unerwarteter Schneesturm verwandelt Daniels Stadt in eine Hölle aus Eis. Monster, die durch die Straßen ziehen. Ein fremdartiger Zylinder, der in der Stadtmitte eingeschlagen ist. Verdräng...