Tilgung 7.3

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Die Hitze wich unvorstellbarer Kälte und ich schlug die Augen auf.

Fahles Licht fiel durch die schneebedeckten Bäume, die mein Auto umringten. Ich packte den Türgriff und drückte, doch die Tür blieb verschlossen. Ich rüttelte daran und als sie nicht nachgab, warf ich mich dagegen. Es half nichts. Durch den Aufprall musste sie sich verzogen haben.

Ich sah mich nach einer anderen Möglichkeit um, wie ich mein Auto verlassen konnte, bis mein Blick auf die Frontscheibe fiel, die auf der rechten Seite gesplittert war und dort nur noch von den Folien des Sicherheitsglases im Rahmen gehalten wurde. Ich kletterte auf den Beifahrersitz, rutschte, so tief ich konnte, nach unten und trat mit beiden Füßen nach der Scheibe. Solange, bis sie knirschend nachgab und mein Weg nach draußen frei war. Ich hatte wirklich Glück gehabt, dass ich mir bei dem Unfall meine Beine nicht gebrochen hatte, oder ähnlich Schlimmes.

Ich kletterte aus dem Wagen und stolperte die Böschung hinauf, die ich hinabgestürzt war, nachdem ich die Kontrolle verloren hatte. Das war ein ganzes Stück und als ich unterwegs nach unten blickte, konnte ich nicht anders, als meine Aussage zu bestätigen. Ich hatte verdammtes Glück gehabt.

Oben stand ein Krankenwagen. Meine Augen mussten etwas abbekommen haben, denn statt den gewohnten Farben, erblickte ich ihn nur in Schwarz und Weiß. Das Blaulicht war, wie der Rest der Umgebung, eingefroren, und warf nur einen blassen monochromen Schein in die Richtung, die nicht verdeckt war. Hier oben auf der Straße, durch das Fehlen der Baumkronen ungeschützt, schneite es noch immer. Falls man das so sagen konnte, denn die Schneeflocken hingen reglos in der Luft. Ich pickte eine heraus und statt zwischen meinen Fingern zu schmelzen piksten mich die winzigen Spitzen des Eiskristalls. Ich musste die Flocken beiseiteschieben, um weiterzukommen, so wie ein Schwimmer das Wasser teilt.

Wohin bewegte ich mich eigentlich?

Ich fühlte mich verloren. Dieses Gefühl überschattete sogar die Merkwürdigkeit, welche diese Szene an sich schon bot. Ich sah mich nach einem Anhaltspunkt um. Ich wusste, wenn ich der Straße weiter ins Tal folgte, würde ich die Stadt erreichen, in der ich wohnte, ging ich nach oben, erreichte ich ein kleines Dorf.

Ich erinnerte mich, dass ich diesen Traum früher oft gehabt hatte. Ich rutschte mit meinem Wagen auf dem Eis, verlor die Kontrolle und stürzte in die Tiefe. Ich wartete sterbend auf Rettung und hörte am Ende noch, wie der Krankenwagen kam. Danach war er vorbei.

Dieser Teil jedoch war neu.

Ein Schneehörnchen huschte an mir vorbei, bis zum Rand der Straße, gegenüber der Stelle, an der ich abgestürzt war. Es blieb stehen und sah mich herausfordernd an. Zumindest schloss ich das aus meiner jahrelangen Erfahrung in der Kunst des Erkennens von Nagetiermimik. Ich ging behutsam auf das Tier zu und entdeckte, als der Schneefall zwischen den Bäumen schwächer wurde, hinter ihm einen Weg, der tiefer in den Wald führte. Ich war diese Strecke als Jugendlicher oft zu Fuß gegangen und dieser Weg war mir noch nie aufgefallen. Als ich das Tier fast erreicht hatte, flüchtete es den Weg entlang, und ich beschleunigte meinen Schritt, damit ich nicht abgeschüttelt wurde.

Irgendwann erreichte ich eine Feuerstelle, in der die Wärme verheißenden Flammen in der Zeit eingefroren waren, wie alles andere außer dem kleinen Nager und mir. Ich streckte dennoch meine Hände darüber, um sie zu wärmen, aber nichts geschah. Mir war immer noch kalt. Dieser kleine Moment der Unachtsamkeit hatte ausgereicht, damit das Schneehörnchen verschwinden konnte. Ich drehte mich im Kreis, suchte den Boden und die Baumstämme ab, aber es war weg.

Das hatte keinen Sinn, wenn es von mir gefunden werden wollte, würde es schon wieder auftauchen. Ich entschied mich, hier zu verweilen, und hoffte, dass das Feuer doch noch eine Wirkung zeigte.

HypothermieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt