Jagd 2.1

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Klara war in die Hocke gegangen und balancierte rückwärts in den Raum hinein.

Auf dem Boden folgte ihr ein Schneehörnchen und schnupperte sich langsam an ihre ausgestreckte Hand heran. Wenige Zentimeter davor hielt es an und begann, sich mit den kleinen Pfötchen die Schnauze zu putzen. Niedliches Tier. Hätte ich Nüsse dabei gehabt, wäre ich versucht gewesen, es zu füttern.

Als ob es meine Gedanken gelesen hätte, schaute es mich an. Es war nur ein kurzer Blick, den es mir zuwarf, dann sprang es mit einem Satz auf Klaras Arm und kletterte bis zu ihrer Schulter herauf, huschte unter dem schwarzen Zopf um den Hals herum und blieb schließlich auf der anderen Schulter sitzen. Sie kicherte, als das weiße Fell an ihrem Nacken vorbeistrich.

Dort verharrte es einen Moment, landete mit einem weiteren Satz wieder auf den Boden und steuerte geradewegs auf mich zu. Ich wich einen Schritt zurück und es stoppte. Mit großen Augen sah es mich an.

"Du riechst nach Nüssen", sagte Klara. "Gib ihm doch welche."

"Was für Nüsse?" Ich war verwirrt.

"Ja, du hast heute welche gegessen."

In meinem Kopf ratterte es. War nicht ganz so einfach, sich daran zu erinnern, was man gegessen hatte, wenn man gerade noch in den digitalen Innereien eines Raumschiffes gewühlt hatte. Wenn ich bei der Arbeit zu sehr in Fahrt war, konnte es sogar vorkommen, dass ich komplett vergaß, mittagzuessen. Das rächte sich dann am Abend, wenn ich mich halb verhungert nach Hause schleppen musste. Hatte ich heute schon gegessen? Vor meinem Aufenthalt im Tank?

Es dämmerte mir. Im Supermarkt. Eine Packung Cookies. Das war die Sorte mit den Haselnüssen gewesen. Von denen mussten noch welche in meinem Rucksack sein. Den ich draußen verloren hatte ... oder etwa nicht? Er lag unter dem Tisch mit den Apparaturen, wie mir gerade auffiel. Ich hatte ihn dort definitiv nicht hingelegt.

Ich machte eine beschwichtigende Geste in Richtung des Schneehörnchens, schlich auf Zehenspitzen zu meinem Rucksack hinüber und fischte ihn unter dem Tisch hervor. Ich wühlte darin und streckte schließlich triumphierend die geschlossene Packung in die Höhe. Dann riss ich die Packung auf und der herrliche Geruch von Cookies strömte mir entgegen. Wie das Schneehörnchen ihn an mir wahrgenommen haben konnte, nachdem ich im Tank gebadet hatte, war mir bei dieser Sinnesorgie kaum noch ein Rätsel. Von einem der Kekse brach ich ein Stück ab, legte es in meine Handfläche und streckte sie aus.

Ich konnte gar nicht so schnell schauen, da war meine Hand leer und das Schneehörnchen saß wieder auf Klaras Schulter, wo es emsig an seiner Beute knabberte. Klara strahlte. Schön, dass sie einen kleinen Freund gefunden hatte, der sie von dem ablenkte, was bereits geschehen war, und auch von dem, was noch vor uns lag.

Ich ließ die Packung liegen, falls der Krümel den Hunger noch nicht gestillt hatte, und wandte mich wieder meiner Arbeit zu.

Inzwischen hatte ich eine andere Idee, wie ich sie fortführen konnte. Ein paar kleinere Experimente, ohne gleich das Schiff zu vernichten. Es gab zwölf Tanks. Selbst wenn ich eine davon kaputtmachte, war das nicht wirklich schlimm, wenn wir dadurch das restliche Schiff reparieren konnten.

Also ging ich zu einem der Tanks und legte meine Hand auf das Bedienteil. Medizinische Informationen flackerten auf. Statuswerte der letzten Person, die sich darin befunden hatte. Ich war Informatiker, kein Mediziner, verstand also kaum etwas davon. Ich blätterte durch die Daten. Das war die oberste Informationsebene. Alles Dinge, die man als normaler Benutzer auch machen konnte. Informationen auslesen, die Tür öffnen, Heilungsprozesse starten.

Ich tauchte tiefer, zu der Stelle, an der die Eingaben des Benutzers über eine Schnittstelle an die Maschine gesendet wurden. Befehle, die sich nach einer Weile des Betrachtens in verständlichen Text umwandelten. Ich verfolgte diese Befehle weiter bis zur Hardware des Tanks selbst und sah, welche Schalter sie dort umlegten. Ich entdeckte, dass es viele Stellen gab, die nicht mit der Schnittstelle verbunden waren, oder nicht mit Befehlen, die die Person am Bedienteil benutzen durfte.

HypothermieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt