Kennt ihr diese Kung-Fu-Filme, in denen der Meister seinen auserwählten Schüler die abstrusesten Übungen vollziehen lässt, deren Sinn sich erst ganz am Schluss offenbaren? Wer mich beim Training beobachtete, musste glauben, dass Ruiz einer ebendieser sadistischen Kampfsportmeister war, und mich nur zu seiner Belustigung quälte. Nicht, dass es in dieser Zeit noch viele gab, die sich an diese Filme erinnerten, wahrscheinlich war ich der letzte. Aber genau wie so ein Schüler fühlte ich mich gerade.
Ich stand bis zu den Knien in einer Sandgrube, hatte ein Joch geschultert und mühte mich stöhnend und klatschnass von einer Seite zur anderen. Wäre ich unter der Last nicht zusammengebrochen, hätte sich Ruiz bestimmt selbst noch daraufgesetzt. Diese Methode war als Muskeltraining gedacht, falls aus irgendeinem Grund El Robos Servomotoren ausfallen sollten und die Gelenke des Anzuges sich schwerer bewegen lassen würden. Wenigstens das hatte er mir erklärt.
Wenn das jemals der Fall sein sollte, dann schwor ich mir, dass ich den Anzug einfach ausziehen würde, anstatt eine solche Tortur zu durchleben. Das band ich Ruiz aber nicht auf die Nase, denn dann hätte er das Training gleich beendet. Und die restlichen Übungen waren dann doch irgendwie sinnvoll gewesen. Früh aus den Federn, Waffentraining und unbewaffneter Kampf, das hatte den vergangenen Monat auf der Tagesordnung gestanden. Inzwischen wurde ich in den Kategorien besser, sogar beim Aufstehen.
Die Suche nach den Ersatzteilen hatte ich in der Zeit hauptsächlich den Anderen überlassen, die dabei die gefährlicheren Gebiete und die Konfrontation mit den Banden im Ring gemieden hatten. Damit wollten wir so lange wie möglich warten, mehr Informationen sammeln und einen unfehlbaren Plan ausarbeiten. Schlug er dann doch fehl, konnte ich mit diesem Monster dann einfach alles plattmachen. Nun, wenigstens etwas mehr beitragen, als mich von Sergej retten zu lassen.
Abends arbeiteten wir uns durch Thulius Unterlagen und bauten ein digitales Modell des Rings auf, basierend auf den Grundrissen, ergänzt durch genauere Informationen der kameraüberwachten Bereiche. Leider gab es hier keine kabellose Datenübertragung, sonst hätten wir, wie bei meinem Einsatz mit den Siks, immer auf einem aktuellen Stand bleiben können. So mussten wir ein Terminal vor Ort finden, einer von uns musste sich einstöpseln und das war einfach zu gefährlich. Also hieß es, die Pläne auswendig zu lernen, genauso wie die Grundrisse der Etagen in unseren früheren Einsätzen. Ich fühlte mich beinahe so, als müsse ich noch einmal die Schulbank drücken.
"Ist das wirklich schon alles, was du drauf hast?", brüllte Ruiz aus dem Schatten eines Baums, unter dem er es sich gemütlich gemacht hatte. "Häng noch drei Runden ..."
Ich blendete seine Rufe aus und ließ weiter unsere Erkenntnisse Revue passieren. Die Unterlagen über die Ratssitzungen ließen auf mehrere Lager im Rat schließen, sowie Machtgruppen, die sich durch die verschiedensten Abteilungen in der Zitadelle zogen.
Es gab diejenigen, die auf Thulius Seite gestanden hatten und dafür kämpften, dass das Tor geschlossen blieb. Sie wiesen, wie auch er selbst, auf die Gefahr hin, die dort draußen lauern sollte. Sie selbst wussten scheinbar alle, welcher Art diese Gefahr war, denn niemand nannte das Übel beim Namen. Ruiz hatte von einem Kampf gegen einen unbekannten Feind gesprochen und dass Thulius mit ihm verhandelt hatte. Ich fand sogar Tagebuchaufzeichnungen darüber in den Unterlagen, aber er schrieb so kryptisch, dass sie kaum weiterhalfen. Er musste wirklich paranoid gewesen sein, wenn er sich nicht traute, selbst in seinem geheimen Tagebuch offen zu schreiben. Oder die Gefahr war tatsächlich allgegenwärtig, auch im Inneren der Zitadelle. Selbst in seinen Quartieren.
Einen Hinweis darauf gaben seine Ausführungen über die anderen Gruppen. Da waren zum einen mehrere Familien in den Oberen Etagen, die über Macht und Einfluss verfügten und eine andere Gruppierung, die sich stetig für die Öffnung des Tores einsetze. Letztere empfand Thulius erstaunlicherweise nicht als gefährlich, da sie lange Zeit nur eine Minderheit im Rat darstellte. Es gab jedoch noch eine weitere Fraktion, die er als den Feind im Inneren bezeichnete.
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Hypothermie
Science Fiction[𝗪𝗮𝘁𝘁𝘆𝘀 𝟮𝟬𝟮𝟮 𝗚𝗲𝘄𝗶𝗻𝗻𝗲𝗿 (Größter Twist)] Ein unerwarteter Schneesturm verwandelt Daniels Stadt in eine Hölle aus Eis. Monster, die durch die Straßen ziehen. Ein fremdartiger Zylinder, der in der Stadtmitte eingeschlagen ist. Verdräng...