Stoß 4.0

137 27 21
                                    

Ich setzte den Miniaturlaser ab und das erhitzte Metall bäumte sich ein letztes Mal glimmend auf. Abgekühlt fügte es sich farblich perfekt in das Gesamtbild ein.

Entsprechend meiner Erinnerung an den Raumschiffhandschuh hatte ich mir eine Version gebastelt, die mit den Systemen der Zitadelle kompatibel sein sollte. In doppelter Ausführung. Einen für die linke Hand und einen für die rechte.

Metalle und Kunststoffe waren in der Unterwelt selten, deswegen beschränkten sich diese Materialien nur auf die Schaltkreise und Kontaktstellen mit den Ports, die ich mir an den Handflächen implantieren lassen hatte. Sie stellten die Schnittstellen zum Nervensystem dar. Sie waren winzig, nur zu erkennen, wenn man wusste, wohin man sehen musste und auch nur, wenn ich die Hände still hielt. Ich zog einen Handschuh über und mit einem hohen, metallischen Klicken, verbanden sie sich mit den Ports.

Der Rest des Handschuhs bestand aus grün gefärbtem Riesenrattenleder. Das waren wirklich widerstandsfähige Biester und ihre Haut stabil genug, um meine Hände und die Schaltkreise sogar vor einem Eiszombieschlag zu schützen. Fingerkuppen und Handflächen der Handschuhe ließen sich per Gedankensteuerung öffnen und legten die Kontaktflächen frei, falls ich mich mit einem System verbinden wollte.

Mein restliches Outfit war ebenfalls grün. Nun konnte man vermuten, dass es in der Unterwelt irgendwo einen Wald zu pflegen galt, doch tatsächlich handelte es sich um eine Uniform der Technikabteilung. Es war kein starkes Grün, auch nicht aufdringlich grell. Es was so ein blasses Apfelgrün, das dem Unterbewusstsein der Menschen einflüsterte, dass alles in Ordnung war. Der Besitzer gehörte hier hin, ja, sogar genau jetzt in dein Wohnzimmer. Er würde etwas reparieren. Wahrscheinlich die gestörte Medienberieselung oder dem Nahrungssynth eine neue Geschmacksrichtung hinzufügen.

Diese Uniform war aber nicht nur eine Technikeruniform. Sie war besonders. Sie hatte ein paar Modifikationen. Bei der Standardausführung prangte auf der Brust eine Kennzeichnung für die Etage, in welcher der Tek zuständig war, und sein Dienstrang. Die wurden nur selten beachtet, noch weniger als der Tek selbst. Seine ID wurde ohnehin von den Scannern der Zitadelle bei jedem seiner Schritte geprüft.

Aber da es immer Ausnahmen gab und das Sicherheitskorps inzwischen aufmerksamer wurde, hatten wir für diese Stelle eine Ladung Chamäleon geklaut. Das war ein Synthetikstoff, der ursprünglich für die Rüstungen der Schrottis und ihrer Bodyguards verwendet wurde. Er konnte auf Befehl die Farbe wechseln. Nachdem keine Einsätze mehr in die Außenwelt durchgeführt wurden, griff die Modeindustrie der Oberwelt diese Idee auf. Stoffe, die abhängig von den Emotionen des Trägers ihre Farbe wechseln konnten. Momentan der letzte Schrei. Es war ein kleines Kunststück gewesen, die Rezeptoren des Stoffes wieder auf Stromstöße umzustellen.

Eigentlich wollten wir nur die Kennzeichnung aus dem Stoff basteln, da wir aber so viel Chamäleon erbeutet hatten, bestand nun die komplette Uniform daraus. An der Programmierung mussten wir noch arbeiten, danach konnte aus der Technikeruniform auch eine in Weiß für die Meds oder in Schwarz für das Sicherheitskorps werden. Oder ein schmutziges Braun, wenn es sich absolut nicht vermeiden ließ, dass auch ich in die Kanalisation klettern musste. Allein bei dem Gedanken fing meine Nase schon wieder zu jucken an.

Ein Schrei ertönte aus Richtung der Tür, die zum Hof führte, Moritz stürmte herein und rief "Schleimbestie!" Zwischen Türrahmen und Schleimbestienopfer konnte ich einen kurzen Blick auf Klara erhaschen, die triefend von ihrem Auftrag zurückgekommen war.

Ich ballte meine Fäuste, um die Beweglichkeit der neuen Handschuhe zu testen, und bei dem Anblick vergaß Moritz das tropfende Monster sofort.

"Ah, du bist fertig? Legen wir jetzt die Zitadelle lahm?"

Ich entspannte die Fäuste und lachte.

"Ich hoffe nicht. Ob ich sie überhaupt in der Zitadelle einsetzen kann, hängt ja von unserem nächsten Auftrag ab. Aber ich bin vorsichtig optimistisch."

HypothermieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt