Schock 6.0

89 24 13
                                    

Die Läufe des Roboters glühten und die letzte Wand, die uns vom Torraum trennte, schmolz zu grünem Schleim zusammen.

"Aus dem Weg!", brüllte der Captain, drückte mich beiseite und warf sich durch die Öffnung. Er schoss, die Siks schossen, dann schoss ich eben auch. Auf Annadora, die Thulius gegenüber stand und beide brachen zusammen.

"Thulius!", rief der Captain, dann entdeckte er zwei Siks, die abseits standen. "Ihr Idioten, wie konntet ihr das zulassen?"

So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Moritz stand mit aufgerissenen Augen neben Sergej, der seine harte Maske vergessen hatte und fassungslos auf den dampfenden Körper des alten Mannes starrte. Es war Chaos. Das war das Schlimmste, was hätte passieren können.

Doch ich irrte mich. Das Schlimmste kam erst noch. Hinter den Siks öffnete sich die Tür und noch mehr Siks tauchten auf, angeführt von einer Frau, die sonderbar blass aussah. Ein bläulicher Schimmer umspielte ihre grauen Haare. Ich blinzelte und der Schimmer war verschwunden.

"Nehmen Sie jeden der Anwesenden fest!", befahl sie mit eisiger Stimme.

"Majorin Melnikowa, wir haben die Situa..." Der Captain wollte protestieren. Wollte er sich für uns stark machen? Oder nur verhindern, dass man auch ihn festnahm?

"Schweigen Sie, Captain Lover! Mit Ihnen werde ich mich später befassen."

Ich sah wieder zu Sergej. Er hatte einen grimmigen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Ja, er wollte kämpfen! Das sahen auch die Siks und schossen. Auf ihn, auf Moritz und auf mich. Mir wurde schwarz vor Augen.

---

Das unangenehme Geräusch von Metall, das kratzend über den Boden geschoben wurde, riss mich aus meinem Dämmerschlaf.

Ich blickte im schwachen Licht einer Stromsparlampe, die mir Kopfschmerzen bereitete, durch meine kleine Zelle zur Tür. Sie hatten mir wieder irgendeinen Fraß aus dem Nahrungssynth hingestellt. Das war die zweite Mahlzeit, die ich bekam, also mussten schon einige Stunden vergangen sein, seit sie mich hier eingesperrt hatten.

Das war also der Dank für unsere Unterstützung in der Sache mit den Reformern. Ich starrte an die Decke und ignorierte das Essen. Ich wollte weg von hier, aber ohne meine Ausrüstung war das undenkbar. Die hatten sie mir abgenommen und nur Klamotten aus dem billigsten und dünnsten Synthgewebe bedeckten jetzt meine Haut. Nun wartete ich darauf, dass sich etwas tat, und versuchte zwischendurch, etwas zu schlafen. Wenigstens war ich noch nicht wieder gefoltert worden. Beim Gedanken an diese Tortur begann mein Fingerstumpf erneut zu pochen.

Ich schwang die Beine von der Pritsche und ging zur Eingangstür. Vielleicht würde mich das Essen doch ablenken. Es war erstaunlich, dass man mit dem Nahrungssynth, den es keine Mühe kostete, ein Essen gut aussehen zu lassen, trotzdem so widerlich grünen Schleim herstellen konnte. Ich stocherte darin herum und hob den Löffel vor mir in die Luft. Ich erwartete, dass er sich dampfend und zischend auflösen würde, aber er gab nur ein langweilig schmatzendes Geräusch von sich.

Ich führte den Löffel zum Mund. Es schmeckte nach nichts. Etwas zu essen, das nach nichts schmeckte, war noch schlimmer, als etwas, das schlecht schmeckte. Ich zwang es herunter und warf Schale und Löffel in ein Loch in der Ecke. Dort zerlegten sie sich in ihre Einzelteile, nachdem sich die Abdeckung darüber geschoben hatte. Mit der nächsten Mahlzeit würde ich mich an der Zellenwand verewigen. Den Löffel als Pinsel benutzen und ein kleines Kunstwerk hinterlassen. Zu schade, dass mir die Idee erst jetzt gekommen war.

Ansonsten gab es während der Wartezeit nicht viel zu tun. Ich konnte mir vorstellen, dass Sergej sich die Zeit mit Training vertrieb, aber ich war nicht so der Liegestützen-Typ. Moritz hatte sicher angefangen, seine Zelle zu demontieren, nachdem er aus einer Feder der Matratze ein Werkzeug gebaut hatte.

HypothermieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt