Kapitel 16 - Reyna

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Reyna tat etwas, das sie seit Jahren nicht mehr getan hatte. Sie betete. Stumm kniete sie vor Ashas Bett, hatte die Ellenbogen auf die Bettkante gestützte und die Hände gefaltete. Das Gesicht zum Himmel gerichtet und die Augen geschlossen, bettete sie zu Gott. „Herr der Dreieinigkeit, Vater, Tochter, Sohn. Bitte rettet Asha. Lasst ihr nicht meine Unvorsichtigkeit zum Verhängnis werden. Lass es nicht zu. Bitte Herr."

Doch Gott antwortete ihr nicht. Niemand antwortete.

Erneut begannen Reynas Augen zu brennen, doch sie zwang sich dazu, nicht wieder zu weinen. Niemals wieder. Reyna war entschlossen, niemals wieder schwäche zu zeigen.

Ein klopfen an der Tür.

„Herein." befahl Reyna gebieterisch.

„Der Stadtrat ist beriet euch zu empfangen, euer Hoheit." sagte ein Diener.

Reyna seufzte und stand auf. Ihre Knie schmerzten nach Stunden des Gebetes und ihr Kopf und ihre Schulter, schmerzten nach dem Alkohol und den Stürzen. Doch am meisten schmerzte Reyna, das sie Varon beleidigt und weggestoßen hatte. Sie hatte es überhaupt nicht gewollt, doch es war passiert. Benebelt vom Alkohol, hatte sie ihm Schlimme Dinge an den Kopf geworfen. Ihm, dem sie so viel verdankte. Sie musste sich entschuldigen und zwar bald.

„Ich bin gleich." antwortete Reyna dem Diener. Dieser schloss die Tür, doch Reyna wusste, das er auf wie warten würde. Sie machte sich bereit. Schnallte sich Lichtbringer um die Hüfte und band sich ihren schwarzen Umhang um die Schultern.

Nachdem sie sich umgezogen hatte, sah sie noch ein mal zu Asha. Sanft drückte sie ihre Hand. „Ich werde einen Weg finden dich zu Heilen. Das Verspreche ich!"

Ashas Augen blieben geschlossen.

Reyna unterdrückte eine Träne, dann öffnete sie die Tür und wies den Diener an, sie zum Rathaus zu bringen.

Frischer Schnee lag auf der Straße und den Dächern von Waldstein und lies die Stadt, wie aus Zuckerwerk aussehen. Lange Eiszapfen hingen von den Giebeln und vor ihren Augen, sah Reyna wie sich ein ein Meter langer Eiszapfen löste vom Dach und zerschellte auf dem Boden.

„Es sterben jeden Winter mindestens drei Menschen durch Eiszapfen." Erzählte der Diener. Er hatte sich als ein Gesprächiger junger Bursche erwiesen, der nicht aufhören konnte zu Reden.

„Aha." meinte Reyna abwesend. Ihre Augen wanderten den Himmel entlang. Dicke graue Wolken hingen über Waldstein und bedeckten die Spitzen der Hügel die die Stadt umgaben und Schützten. Doch Reyna interessierte sich nicht für die Hügel, sondern hielt nach einem Goldenen Fleck Ausschau, der zeigte das Veilan noch immer über sie wachte, doch sie konnte nichts entdecken.

Enttäuscht schaute Reyna wieder auf den Boden, während der Diener immer weiter plapperte. „Die Stadt hat zehntausend sechshundert Einwohner. Die Fünf einflussreichsten Familien leben allesamt in ihren Villen und Herrenhäußern an den Östlichen Hügeln. Die meisten haben ihr Vermögen mit dem Holzhandel verdient, andere haben ihr Geld aus dem Norden mitgebracht, auf der Flucht vor eurem Onkel. Oh." Er sah sie erschrocken an. „Tut mir leid. Dass war Taktlos, verzeiht mir eurer Hoheit."

Reyna marschierte Wortlos an ihm vorbei.

Das Rathaus begann sich vor ihr auszubreiten. Es füllte beinahe die gesamte Breite des Rathausplatzes und seine Dunkle Holzfassade, ließ es Majestätisch und Edel wirken.

„Das Rathaus wurde..."

Reyna fuhr zu dem Diener herum und durchbohrte ihn mit ihrem Blick. „Lass es. Verstanden?"

Greifentochter - Band 2 - Erbe der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt