Nach einem weiteren Tag in der Luft, spürte Reyna, wie Veilan Unruhig wurde. Der Kopf der Greifin wanderte ständig hin und her und sie zog Hörbar die Luft durch ihre Nasenöffnungen.
„Was hat sie?", fragte Valentin hinter ihr.
Reyna antwortet nicht sofort. Ihr Blick wanderte über die hügelige Ebene unter ihr. Ein breiter Fluss floss durch die Gegend. Reyna wusste genau wo sie waren und was Veilan so erregte. Wortlos setzten sie zur Landung an.
„Du kannst dir die Beine vertreten, oder was immer du machen willst.", Reyna beobachtet wie Valentin sich streckte und zu Boden sprang.
„Was wirst du tun?", fragte er.
Reyna sah in die Ferne, wo ein grüner Wald in der Sonne dampfte. „Ich muss etwas sehr persönliches erledigen. Wenn Varon und Asha hier auftauchen, dann sag ihnen nicht wo ich bin."
Veilan spannte die Flügel und segelte von dem Hügel, auf welchem sie gelandet waren.
„Kein Problem. Ich weiß es ja selber nicht.", murmelte Valentin verstimmt. Er war es nicht gewohnt so behandelt zu werden. Zwar war Reyna nicht herablassend, doch ihre Kühle Distanziertheit, störte ihn. Immerhin war er der Sohn eines großen und mächtigen Lords. Und sogar der Erstgeborene. Ein Natürlicher Kandidat um ihre Gunst, doch sie wies ihn immer wieder zurück. Das passte ihm nicht. Kurzentschlossen lief er ihr nach.
Es war nur eine Kurze Strecke. Über den Fluss und dann auf einen weiteren Hügel. Veilan faltet ordentlich ihre Flügel zusammen, während Reyna von ihrem Rücken stieg. Gemeinsam liefen sie den Hügel hinab in eine breite und flache Senke. Über all lagen Verkohlte Holzreste und geschmolzenes Eisen herum. Die Reste eines verbrannten Lagers. Die beiden näherten sich den Überresten eines Käfigs, der in mitten der Überreste stand. Feuer hatte beinahe alles Holz verzehrt, doch die Eisenstäbe waren noch erhalten. Die Stürme des Herbstes, der Winter und die Schneeschmelze hatten ihnen übel zugesetzt und sie waren verrostete, doch sie waren noch da. Und noch etwas anderes war da. Veilan stieß einen lauten Schrei aus und trabte los. Reyna hielt sie nicht auf.
Vor den Überresten des Käfigs hatte Jemand einen langen Spieß in die Erde gebohrt und den Schädel eines Greifen aufgestellt.
Reyna kannte den Greifen, der dort hing und an den Veilan ihren Kopf rieb. Sie wusste genau was an diesem Ort passiert war.
Hinter ihr hörte sie wie sich jemand bewegte. Valentin war ihr gefolgt. Beeindruckend, wenn sie an Veilans Geschwindigkeit dachte. Langsam kam er an sie heran, die Hand wachsam auf den Stiel seiner Axt gelegt.
„Du musst dir keine Sorgen machen. Es gibt niemanden der uns Gefährlich werden könnte."
Valentin sah sie skeptisch an. „Woher wisst ihr das?"
Reyna strich mit dem Daumen, gedankenverloren über ihre Schulter. „Weil ich, mein Vater und... Weil wir alle umgebracht haben, die hier waren.", Ihre Stimme brach sich fast, als sie an Norie dachte. „Der Schädel an dem sich Veilan da reibt, das ist ihre Mutter. Letztes Jahr, bin ich auf dem Weg zur Kreuzstadt hier durchgekommen. Hier hat sich meine Magie zu ersten mal gezeigt und hier habe ich das erste mal getötet."
Valentins graue Augen wurden groß.
Reyna fuhr fort: „Auf der Reise in die Kreuzstadt, habe ich Visionen bekommen. Sie führten mich hierher. Veilans Mutter war gefangen worden und man hatte ihr ihr Ei weggenommen. Mit ihrem Geist hat sie mich gerufen Und ich bin gekommen." Ihr Hals wurde trocken und sie musste sich dazu zwingen weiter zusprechen. „Ich habe mich dann auf die Banditen gestürzt und zwei von ihnen getötet. Mein Vater kam mir zur Hilfe und er beschützte mich. Doch es half nicht. Veilans Mutter wurde von einem großen Bolzen getötet. Ihr letzter Gedanke galt ihrem Ei und ihrem Küken." Reynas Augen wurden feucht, doch sie Schluckte den Schmerz hinunter. „Warum erzähl ich dir das überhaupt?", sie zwang sich dazu wieder kalt zu klingen. „Komm. Ich will den Wald vor Sonnenuntergang erreichen." Sie ging zurück zu Veilan, die noch immer den Kopf ihrer Mutter betrachtet. Das Reyna sich an ihr Hoch hangelte, kommentiert sie es mit einem lauten fauchen. Valentin setzte sich hinter sie. Als sie aufstiegen musste er sich wieder an ihr Festhalten. Reyna verzog den Mund. Die Nähe zu ihm machte sie fertig, doch sie sagte nichts.
Die Sonne hing über den Baumwipfeln, als sie den Waldrand erreichten. Veilan drehte noch zwei Runden, dann landete sie auf einer kleinen Lichtung. Reyna stieg ab und führte sie durch de Wald, bis sie zu einem kleinen Haus kamen. „Es steht noch immer.", Reyna konnte es kaum glauben. Die Fensterläden waren verrammelt und die Tür mit einem dicken Holzbalken verbarrikadiert, doch es stand noch. Sogar das Gatter für die Pferde war noch da und, soweit Reyna es erkennen konnte, in einem guten zustand, wenn auch etwas morsch. Veilan sprang über den Zaun, und rollte sich im Schutz der Bäume zusammen. Sie war sofort eingeschlafen.
Reyna steuerte auf die Tür zu. Ohne etwas zu sagen zog sie ihr Schwert. Lichtbringer durchschlug den Balken ohne Probleme und Reyna stieß die Tür auf.
Im inneren des Hauses war es muffig und Staubig. Mäuse flüchteten vordem Licht, das Lichtbringer warf. „Willkommen in meinem alten Zuhause."
Staub rieselte von den Wänden, als Reyna Fackeln entzündete. Es war noch alles so wie sie damals zurück gelassen hatte. Reyna wusste nicht ob sie darüber froh, oder enttäuscht war. Erinnerungen kamen in ihr hoch. Wie sie mit Alexander, ihrem Ziehvater und Norie an dem großen Eichentisch gesessen und sich königlich amüsiert hatten. Sie dachte an all die schönen Tage, die sie in diesem Haus gehabt hatte.
„Und hier habt ihr eure Kindheit verbracht?", Valentin stand etwas unbeholfen im Raum und sah sich Interessiert um.
„Teilweise. Wir sind oft umher gezogen. Mein Vater war ein Händler. Er hatte im ganzen Süden des Reiches Handelskontore. Meistens sind wir im Sommer umhergezogen und haben in den großen Burgen und Städten gehandelt.", Reyna fuhr mit der Hand über den großen Tisch und zog drei Furchen in den Staub. „Wenn ich jetzt darüber nachdenke, dann hat Alexander diese Reisen unternommen um ich zu schützen. Ich war sein ein und alles. Seine kleine Tochter." Schmerz kam in Reyna hoch und Tränen liefen ihr über die Wange.
Valentin trat von hinten an sie heran und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Er hat sicher nur euer bestes gewollt."
Reyna nickte und ließ die Nähe eine weile zu, dann schüttelte sie seine Hand jedoch ab. „Schau nach ob der Schornstein frei ist. Es nisten gerne mal Vögel dort. Ich hohle Holz. Gibst du mir deine Axt?"
Ohne zu zögern, reichte ihr Valentin seine Axt die beinahe halb so groß war wie Reyna. Mit etwas Mühe hob sie die Schwere Waffe. Wie konnte Valentin sie so geschickt benutzen?
In ihrem Zimmer war noch immer alles wie am Tag ihrer Abreise. Im Zimmer ihrer Jugend zu stehen, ließ in Reyna einen Wasserfall von Widersprüchlichen Gefühlen aufkommen. Ihre inneren Schutzwälle brachen beinahe. Voller Verzweiflung hob sie die Axt und ließ sie mit all ihrer Kraft in das Bett niedergehen. Die Axt fraß sich tief in das Holz und Splitter flogen durch die Luft. Reyna kümmerte es nicht. Immer wieder schlug sie mit der Axt auf das Bett ein, bis es schließlich in Trümmern lag.
„In Geisterhall haben wir Diener für so etwas.", nörgelte Valentin und wischte sich die Rußigen Hände an seinem Umhang ab. „Der Kamin ist frei. Hast du...", er verstummte als er Reyna vor den Trümmern ihres Bettes stehen sah, die Axt in den Zitternden Händen. „Reyna?" fragte er vorsichtig.
Sie warf ihm die Axt zu. Er fing sie sicher auf. Reynas Arme zitterten, sowohl wegen der Anstrengung als auch der Emotionen die in ihr wüteten. Sie packte einige der Balken und Bretter, ging an Valentin vorbei und warf sie in den Kamin
„Habt ihr etwas zum Anzünden?", fragte Valentin, der sie Axt an seine Gürtel hing.
Reyna warf ihm einen Blick zu der sagte: Bist eigentlich vollkommen Blind? Wortlos hob sie die Hände und eine goldenen Flamme erschien. Mit einer beiläufigen Bewegung warf sie sie zwischen das Trockene Holz und es begann augenblicklich zu brennen. Eine warmes und gemütliches Licht breitet sich in dem Raum aus. „Es gibt zwei weitere Zimmer. Sucht euch eins aus.", Grußlos verschwand Reyna in ihrem alten Zimmer. Die Reste ihres Bettes, warf sie kurzerhand aus dem Zimmer, dann schloss sie die Tür und verbarrikadierte sich. In ihren Umhang gewickelt, der ihr als Unterlage diente, verkroch sie sich in den Teil des Zimmers, der am Dichtesten von der Tür entfernt lag und schloss die Augen, ohne zu wissen dass, ihr genau gegenüber und nur getrennt durch die Dünne Holzwand, Valentin sich ebenfalls niedergelegt hatte.
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Greifentochter - Band 2 - Erbe der Schatten
FantasíaReyna hat alles verloren. Ihren Liebsten. Ihren Vater. All das wurde ihr genommen, von ihrem besten Freund und ihrem, verlorengeglaubten Bruder. Im Glauben, versagt zu haben schreit ihr Herz nach Blutiger Rache. Das wunderschöne Cover ist von @Clove...