Spaziergang

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Nachdem wir endlich zu Hause ankommen, halte ich es nicht lange zu Hause aus. „Andy können wir ein bisschen mit Jule spazieren gehen? Ich habe das Gefühl, dass mir hier alles auf den Kopf fällt." „Na klar, aber zieh dir erstmal was anderes an. Ich werde mich auch umziehen, Nik hat doch sicher noch ein paar Klamotten bei dir." Ja Nik hat immer ein paar Klamotten bei mir, da er öfter mal spontan über Nacht hier bleibt und so ist das kein Problem. Ich gehe zu meinem Kleiderschrank, suche für mich neue Sachen raus und nehme für Andy eine Jogginghose, ein Shirt und einen Hoodie von Nik aus meinem Schrank.

Ich gehe runter ins Bad, ziehe mir meine Sachen aus und mache mich mit einem bisschen kaltem Wasser noch mal frisch. Das kalte Wasser auf meiner Haut tut gut, ich fühle mich viel wacher als noch vor ein paar Minuten. Ich ziehe mir meine Jogginghose mit einem dicken Hoodie an. Ich liebe Hoodies über alles, die sind so schön bequem und man kann sich richtig schon einkuscheln. Das hat schon seine Vorzüge, wenn man Single ist.

Ich gehe in die Küche und warte, bis Andy fertig angezogen runterkommt, was nicht lange dauert. Die Sachen passen ihm wie angegossen, was mich nicht wundert, denn von der Statur sind beide gleich. „Na bist du auch mal langsam fertig? Brauchst ja länger, wie eine Diva." Er guckt mich empört an, „Schönheit muss sich nun mal langsam entfalten!" „Ach deswegen bin ich also immer so schnell fertig", sage ich daraufhin, denn es hat sich ja jetzt echt so angehört, als wenn ich immer so schnell fertig bin, weil ich stockhässlich bin. „Spinn nicht rum, du weißt ganz genau, dass du nicht hässlich bist", na wenn ich das so genau wüsste, wäre ich in meiner Therapie auch schon ein Stück weiter.

Wir ziehen uns noch ein paar dicke Jacken an, weil es draußen windig und kalt ist. Aber schon als wir aus unserer Tür rauskommen, weht uns der kalte Wind um die Ohren. „Willst du immer noch spazieren gehen?", fragt Andy mich besorgt. „Das macht mir nichts aus, im Gegenteil, ist mir lieber als die Hitze im Sommer." Wir nehmen Jule an die Leine und gehen los.

„Wie geht es dir mit dem Urteil? Ich hatte das Gefühl, dass du während der Urteilsverkündung nicht ganz bei der Sache warst." „Ja, da war ich ganz schön in meinen Gedanken vertieft, aber darüber will ich nicht sprechen. Ich bin froh, dass die Vergewaltigung kein Thema war, denn das alles noch mal durchzugehen, dass wäre die Hölle gewesen. Ich versuche das alles zu verdrängen und spreche auch viel mit Amy darüber, aber ich habe nicht das Gefühl, dass es schon ganz verarbeitet ist, das wird wohl noch ein langer Weg werden. Das Urteil ist ganz okay, denke ich."

„Nimm dir alle Zeit, die du brauchst um das zu verarbeiten. Es bringt keinem etwas, wenn du es zu schnell angehst. Ich bewundere es, wie du mit der ganzen Situation umgehst. Du bist extrem stark, ich kenne niemanden, der so viel wegstecken musste und dann trotzdem noch so ist." „Ich komme mir nicht wirklich stark vor. In mir drin herrscht absolutes Chaos, ich kann meine Gefühle manchmal absolut nicht kontrollieren. Aber ich stürze mich einfach mehr in die Uniarbeit."

Andy merkt, dass mir das Thema nicht so angenehm ist und wechselt es dann ganz einfach. „Was hältst du denn davon, wenn wir zu Weihnachten alle vier wichteln? Es wäre doch quatsch, für jeden separat was zu kaufen und so ist es doch lustiger oder?" „Die Idee gefällt mir, vor allem müssen wir dann nicht alle so viel Geld ausgeben. Es gibt dann nur eine Kleinigkeit und gut ist."

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