10. Kapitel - Ash

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Ash Lesharo

Irgendetwas stimmt nicht. Aus einem Grund, den ich nicht benennen kann, bin ich unruhig, kann mich kaum auf den Unterricht konzentrieren. Die Klasse ist still, es fehlen nur zwei von ihnen und auch sonst ist eigentlich alles normal. Obwohl ich mich schon länger frage, wo Violet ist. Sie hat gesagt, dass sie später kommt, aber wir sind schon mitten in der zweiten Stunde. Hätte sie gewusst, dass es so viel später werden würde, hätte sie das mit Sicherheit erwähnt. Allerdings kann ich mir auch nicht vorstellen, dass sie schwänzt.

>Samuel, sammle bitte die Hausaufgaben von Montag ein.< Der Tag gestern war lang, das Gespräch mit Harald allerdings sehr gut und am Ende kam noch etwas entspannter Smalltalk dazu. Kelly habe ich zu ihrem Auto gebracht und bin sie dann auch schnell los geworden. Sonst habe ich niemanden mehr getroffen. Demnach hängt mir wohl auch von gestern nichts nach. Dennoch bin ich beunruhigt, aber ich denke nicht, dass es an dem Fehlen von Violet liegt. Obwohl ich zu viel über sie nachdenke, sollte mir ihr Fehlen nicht so viel ausmachen, dass ich mich tatsächlich unwohl fühle. >Tristan hat sie nicht<, verkündet Samuel, lenkt meine Aufmerksamkeit auf sich. Offenbar war ich schon wieder in Gedanken versunken und das muss aufhören.

>Ich habe sie gemacht, fragen Sie Elly<, beteuert er, bevor ich etwas dazu sagen kann, aber Violet ist nicht hier.

>Du-<

>Entschuldigung<, platz Violet in diesem Moment in das Klassenzimmer, schließt die Tür leise hinter sich. Normalerweise würde ich sie maßregeln, ihr eine Strafarbeit geben oder so, weil sie ohne zu Klopfen hier hereingeplatzt ist, aber sie ist sehr blass. Ihr scheint es nicht gutzugehen, da braucht sie mich nicht auch noch.

>Also Tristan, warum hast du deine Hausaufgaben nicht dabei?<, wende ich mich darum direkt wieder an ihn, lasse Violet für den Moment in Ruhe. Er achtet allerdings überhaupt nicht auf mich, sieht nur fragend zu Violet.

>Hey, alles klar?< Sie nickt schnell, reicht ihm ein Heft und setzt sich gleichzeitig auf ihren Platz.

>Er hat es bei mir vergessen<, erklärt sie mir, wendet dann aber sofort wieder den Blick ab. Wenn ich mich nicht irre, sind ihre Augen gerötet. Von meinem Platz aus kann ich das nicht sehr gut sehen, aber so besorgt, wie Tristan sie mustert, kann das gut sein.

>Elly<, mahnt er leise und natürlich will ich ihm sagen, dass er leise sein soll und mich nicht ignorieren, aber sie sieht wirklich nicht gut aus. Ich denke zwar ein bisschen zu viel über sie nach, aber auch wenn es nicht Violet wäre, würde ich mir Sorgen machen.

>Lass gut sein<, bittet sie ihn, holt ihr Mäppchen aus ihrem Rucksack, doch so leicht lässt er sie nicht davon kommen. An seiner Stelle würde ich das auch nicht machen.

>Was ist los?< Eine Antwort bekommt er nicht, doch sie springt auf, verlässt den Raum. Er eilt ihr sofort nach, wobei ich mich frage, warum Luca das nicht macht. Allerdings habe ich ihn in der ersten Stunde selbst als fehlend eingetragen. Vielleicht ist es wegen seiner Hand, aber er ist heute nicht hier und gerade heute würde seine Freundin ihn brauchen.

>Mach weiter<, weise ich Samuel an, welcher tut was ich sage. Alle anderen scheinen ihre Aufgaben vorweisen zu können.

Obwohl ich mich auf den Unterricht konzentrieren sollte, huscht mein Blick ab und an zur Tür. Sie kommen nicht wieder rein und ich will wissen warum. Es geht mir nicht aus dem Kopf, wie Violet gewirkt hat, wie traurig sie ausgesehen hat. Als erste Idee würde ich sagen, dass Luca sie verlassen hat, aber ich will keine voreiligen Schlüsse ziehen und ein normaler Arzttermin kann auch nicht schuld daran sein.

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>Herr Lesharo?< Im Moment habe ich nichts zu tun, lasse die Schüler einen Fragebogen ausfüllen. Er war eigentlich nicht für heute gedacht, sondern eine Art Notfallplan, falls ich in den nächsten Wochen Mal telefonieren muss oder etwas in der Art. Es war nur eine spontane Idee und dass ich ihn gleich heute würde benutzen müssen, weil ich meinen Kopf nicht frei bekomme, war definitiv nicht vorgesehen. Da allerdings alle noch mit eben diesem Fragebogen beschäftigt sind, sehe ich mich nicht nur nach Tristan um, sondern gehe zu ihm auf den Flur, schließe leise die Tür hinter uns.

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