Violet Elaine Craig
>Sag mir jetzt nicht, dass du dich für meine Schwester interessierst.< Das kann gar nicht sein. René steht auf lockere, unkomplizierte Geschichten mit schwarzhaarigen Frauen. Er ist nicht sonderlich wählerisch, aber diese beiden Dinge sind bei ihm so etwas wie eine Grundvoraussetzung. Das weiß ich so gut, weil er immer Mal ein solches Mädchen mit nach Hause gebracht hat und ich oft bei Tristan war, als wir noch jünger waren. Bis er ins Ausland gegangen ist, hat sich Tristan auch immer wieder darüber beschwert, dass er nie eine Freundin hat und immer nur diese Mädchen mitbringt.
>Nur, wenn sie unglücklich ist<, meint er abwehrend und ich glaube nicht, dass er das wirklich so sagt. Als wäre sie einfach nur sein nächstes Spielzeug und das kommt nicht in Frage. Er kann machen was er will und natürlich auch mit wem, aber Scarlet lässt er da schön raus.
>Sie ist alleinerziehende Mutter. Majas Vater hat sie während der Schwangerschaft verlassen.< Es ist schon merkwürdig, dass ihn das irgendwie noch neugieriger macht.
>Also ist sie-<
>Halt den Mund<, bitte ich ihn eindringlich, versuche mich zu beruhigen. Er versteht nicht, was er da sagt und was er lostreten könnte, wenn er ihr zu nahe kommt. >Und lass die Finger von ihr. Sie ist nicht wie deine anderen Kurzgeschichten. Sie will eine feste Beziehung, einen Partner und auch einen Vater für Maja. Das bist du nicht.< Er schweigt, wirkt durchaus geknickt, aber das ist mir egal. Er ist ein Freund und Tristans Bruder, aber Scarlet ist meine Schwester, meine Familie. Wenn ich nicht ganz sicher bin, dass er es ernst meint, halte ich ihn fern von ihr.
Außerdem bezweifle ich, dass er es jemals mit einer Frau ernst meinen wird. Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Wenn er sich geändert hat, finde ich das natürlich schön und stelle mich ihm auch bei ihr nicht in den Weg, aber zuerst muss er mich davon überzeugen. Bis dahin sorge ich dafür, dass die beiden so viel Abstand wie möglich voneinander halten.
>So schlimm bin ich gar nicht<, brummt er unzufrieden vor sich hin, aber Ash wirkt da genauso skeptisch wie ich. >Schon gut, ich lasse sie in Ruhe.< Zwar ist er bei Frauen immer sprunghaft, aber er ist auch ein ehrlicher Kerl, darum atme ich tief durch und lasse das so stehen. Wenn er sagt, dass er sie in Ruhe lässt, dann ist das auch so.
>Violet?< Fragend sehe ich zu Ash, der immer noch seine Tasse in der Hand hält. Er wirkt die ganze Zeit schon sehr nervös, als würde er unbedingt etwas loswerden wollen. >Der Termin Morgen ist nur eine Beratung, oder?<
>Ja, wieso?< Wäre morgen schon die Abtreibung selbst, wäre ich nicht halb so ruhig, wie ich jetzt bin. Eher so, wie er gerade auf mich wirklich.
>Ich will nur nicht, dass du das alles überstürzt und es irgendwann bereust. Es steht mir nicht zu, dich zu bitten, dir mehr Zeit für die Entscheidung zu nehmen und das ist auch ganz klar, wir kennen uns ja kaum, aber-<
>Ash<, unterbreche ich ihn sanft, weil er sich da langsam in Rage redet, und das möchte ich nicht. Er scheint sich sogar noch mehr Gedanken zu machen als ich und bisher dachte ich nicht, dass das möglich ist. Seitdem das zwischen uns geklärt ist, denke ich ununterbrochen darüber nach. >Es ist alles in Ordnung. Morgen ist nur eine Beratung, Scarlet und ich werden am Wochenende oder Anfang nächster Woche noch einmal ausführlich darüber reden und auch mit dir will ich noch ein paar Dinge durchgehen. Meine Entscheidung, es abzutreiben, ist nicht in Stein gemeißelt, okay? Ich tendiere nur aktuell eher in diese Richtung.< Er wirkt erleichtert, nickt knapp.
>Wann bist du denn so erwachsen geworden?<, will René wissen, legt den Kopf leicht schief. >Ich habe dich viel kindlicher in Erinnerung.<
>Wir haben uns auch fünf Jahre nicht gesehen. Abgesehen von deinen wenigen, sehr kurzen Besuchen bei deiner Familie.< Er runzelt die Stirn, schient kurz nachzudenken, bevor er die Schultern hebt. Tatsächlich könnte es sogar noch etwas länger her sein, dass wir uns unterhalten haben.
>Stimmt. Ich war im Ausland und dann habe ich studiert. Zwischendurch war ich kaum hier und habe dich höchstens Mal kurz gesehen<, er schwelgt noch kurz in Erinnerungen und ich konzentriere mich auf Maja, allerdings nicht sehr lange. >Oh, da fällt mir was ein. Du hast mir nie erzählt, was an deinem siebzehnten Geburtstag passiert ist. Du bist mit hoch rotem Kopf an mir vorbei gestürmt und nach Hause gelaufen, obwohl es nicht einmal zwölf Uhr war<, erinnert er sich und ich spüre genau, wie die Röte zurückkommt. Diese Geburtstagsfeier damals, von der er da redet, war wirklich lustig und wir hatten alle eine Menge Spaß. Es waren viele Leute da, Freunde von Tristan und mir, aber auch ein paar von René. Tristan und ich habe nur eine Woche versetzt Geburtstag, darum haben wir die Party zusammengelegt und bei ihm gefeiert. Dadurch ist aus der halbwegs anständigen Party irgendwann ein Cocktail-Abend geworden und ich habe zu viel getrunken. Das ist mir danach nie wieder passiert und das aus gutem Grund.
>Das geht dich gar nichts an.< Mehr bekommt er nicht als Antwort, womit er zwar nicht allzu Glücklich wirkt, aber Scarlet kommt zum Glück gerade aus dem Bad, womit das Thema beendet sein dürfte.
>Das sind heute ganz schön viele neue Informationen zum Nachdenken. Du hättest ruhig früher schon von deiner Trennung erzählen können, dann wäre das vielleicht einfacher zu verdauen<, seufzt Scarlet, setzt sich wieder neben mich.
>Wäre das alles langsamer passiert und nicht so kompliziert, wäre ich vielleicht auch nicht so aufgeschmissen ohne dich.< Sie lächelt, drückt meine Hand und ihr Lächeln wird ganz sanft.
>Ich bin immer für dich da, kleine Schwester, das weißt du doch. Und genau deshalb möchte ich Ash kurz allein sprechen<, erklärt sie, wendet sich an ihn und ich folge ihrem Blick. Er wirkt etwas angespannt, aber das muss er nicht sein.
>Keine Sorge.< Er sieht zu mir, mustert kurz mein aufmunterndes Lächeln, dann entspannen sich seine Schultern.
>Dann bis gleich<, verabschiedet er sich von uns und stellt seine Tasse auf dem Tisch ab, denn Scarlet ist schon in Richtung Küche unterwegs. Als er an mir vorbei geht, schnappe ich mir seine Hand, damit er mich ansieht.
>Das ist kein Test, du kannst nicht durchfallen, sie will dich nur kennen lernen. Okay?< Langsam wird aus seiner angespannten Mine ein halbwegs entspanntes Lächeln, dann beugt er sich zu mir herunter, drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
>Danke<, flüstert er ganz leise, dann geht er und ich sehe ihm nach.
In der Küche können die beiden ungestört reden und ich bin zuversichtlich, dass es super laufen wird. Ash ist ein guter Kerl, das wird sie gleich merken und dann endlich habe auch ich jemanden, mit dem ich über all das reden kann.
>Ich bin echt neidisch auf euch.< Fragend sehe ich zu René, den ich absolut nicht verstehen kann. >Nicht wegen den komplizierten Sachen, aber wie ihr beiden euch anseht, das beneide ich. Selbst jemand wie ich sieht, wie nahe ihr euch steht und wie viel ihr füreinander empfindet.< Er hat Recht, die jetzige Situation und das, was sich zwischen Ash und mir entwickelt hat, ist wirklich schön, aber das haben wir nicht einfach so geschenkt bekommen.
>Hier her zu kommen war wie eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Ein ausgewachsenes Chaos.< Er lächelt, hebt die Schultern.
>Aber es hat sich doch gelohnt, oder?< Das kann ich, ohne nachzudenken, mit einem deutlichen Nicken beantworten.
>Auf jeden Fall. Ich bereue nichts, was in den letzten beiden Wochen passiert ist und würde auch nichts ändern. Obwohl schwanger zu sein und eine neue Beziehung schon viel ist, was ich da versuche unter einen Hut zu bekommen.< Er schmunzelt, dann lenkt Maja meine Aufmerksamkeit auf sich. >Dich habe ich nicht vergessen, kleine<, versichere ich ihr, lasse sie an meinen Haaren spielen und genieße den Moment.
Für ein paar Minuten will ich einfach Mal nicht nachdenken, nur ein bisschen mit Maja spielen und ganz entspannt darauf warten, was bei dem Gespräch zwischen Ash und Scarlet herauskommet.
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Zu 0,05% schwanger
RomanceWenn die Vernunft gegen das Herz verliert, wenn wir unseren Herzen folgen, entsteht meist ein Geheimnis, das alles zerstören kann. Verliebt zu sein ist etwas Schönes, schwanger zu sein auch. Beides würde prinzipiell in so ziemlich jedes Leben passe...