12. Kapitel - Ash

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Ash Lesharo

Heute ist sie nicht mehr so blass, aber ihre Augen sind verquollen. Den ganzen Tag über hat sich kaum gelächelt und ich könnte mir in den Arsch dafür treten, dass ich auf eine Schülerin fixiert bin. Obwohl Kelly mich gestern Abend mit ihren schlechten Flirtversuchen gut abgelenkt hat, drehen sich meine Gedanken heute wieder nur um dieses junge, hübsche Mädchen. Und ich verstehe nach wie vor nicht wieso.

Der Nachhilfeunterricht läuft gut. Violet versucht ernsthaft mitzumachen, aber ihre Gedanken schweifen immer wieder ab. Manchmal starrt sie mich deswegen an und ich frage mich, was sie denkt, wenn sie mich ansieht. Aber das ist falsch. Ein vollkommen falscher Gedankengang.

>Violet?< Die anderen sind schon alle weg. Ich habe sie heute den ganzen Tag nicht mit Luca gesehen, dafür aber viel bei Tristan. Allgemein scheinen sich Violet und Luca aus dem Weg zu gehen. Dass ich das weiß, ist auch ein Zeichen dafür, dass ich zu viel auf sie achte. >Willst du nicht gehen?< Sie beißt sich auf die Lippe, tippt mit ihrem Stift auf ihren Block.

>Ich verstehe das einfach nicht.< Ich bin mir nicht sicher, ob sie das Thema meint, welches ich in den beiden Stunden immer wieder erklärt habe, oder doch etwas anderes.

>Was verstehst du nicht?< Sie hebt die Schultern, sieht auf ihren Block.

>Alles.< Ohne groß nachzudenken, stehe ich auf, gehe zu ihr. Sie hat kaum etwas aufgeschrieben, darum setzte ich mich einfach neben sie, ziehe den Block zu mir. Sie bleibt still sitzen, während ich mir einen ihrer Stifte nehme und ihr aufschreibe, was ich gesagt habe. Ein paar Merksätze, Beispiele für den Rechenweg und was mir noch alles einfällt, um es ihr möglichst leicht zu machen. Sie sieht mir die ganze Zeit stumm dabei zu und wir beide schweigen. Es wirkt ein bisschen so, als würde ihr das sogar guttun, obwohl ich nicht verstehe, wie das sein kann. >Das sieht bei Ihnen so einfach aus<, murmelt sie, nimmt den Block zurück, sobald ich fertig bin. Ihre hellen Augen huschen über die Seite, als hätte sie das alles noch nie gesehen, dabei hat sie mir beim Aufschreiben dieser Dinge genau zugesehen. Wenn ich das richtig deute, versucht sie fieberhaft etwas zu verdrängen oder wenigstens nicht daran zu denken.

>Kann ich dir helfen?< Sie erstarrt kurz, was meine Vermutung bestätigt, dann schließt sie die Augen, zwingt sich ein Lächeln auf die Lippen.

>Das haben Sie schon<, versichert sie mir, packt ihre Stifte weg, einen nach dem anderen, bis nur noch der in meiner Hand übrig ist. Zögernd starrt sie den Stift an, dann wandert ihr Blick langsam zu meinem Gesicht. Sie wirkt traurig und verloren. Es muss etwas wirklich Schlimmes passiert sein, wenn sogar ich ihr das ansehen kann.

>Hat er dir wehgetan?< Ich kann es sehen. Sie wird es vielleicht nicht sagen, aber in ihren Augen sehe ich es. Meine Vermutung, dass Luca sie verlassen hat, war wohl richtig und wenn ich sie so vor mir sehe, sind sie auf keinen Fall im Guten auseinander gegangen.

>Bekomme ich meinen Stift wieder?< Es ist offensichtlich und verständlich, dass sie nicht mit mir darüber reden will.

>Ich bin für dich da, wenn du reden willst<, erkläre ich ihr ruhig, reiche ihr den Stift zurück. Sie nimmt ihn auch, zieht ihn aber nicht aus meiner Hand.

>Er denkt, dass ich ihn betrogen habe<, sagt sie leise und ich bin wirklich froh, dass sie mir das sagt. Sie vertraut sich mir an und ich will auf keinen Fall, dass sie es bereut. Auch wenn ich keine Ahnung habe, was ich dazu sagen soll. >Er ist blind vor Wut und Eifersucht, fühlt sich verraten von seinem besten Freund und mir. Dabei ist er derjenige, der mir wehgetan hat. Er glaubt mir noch nicht mal<, lacht sie leise, Tränen rinnen über ihr hübsches Gesicht. Es tut mir weh, sie so zu sehen. Mehr als es darf. Es trifft mich, ich mache mir Sorgen um sie. Nicht, weil sie irgendein weinendes Mädchen ist, sondern, weil jemand diesem liebenswerten Mädchen das Herz gebrochen hat. >Ich verstehe einfach nicht, warum er mit mir zusammen war, wenn er mich für so eine hält.< Ihre Tränen werden mehr, aber ich kann nichts tun. Es gibt keine Worte, die ihr helfen können. Zumindest keine von einem fremden Mann.

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