55. Kapitel - Violet

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Violet Elaine Craig

>Hey du<, grüßt er mich mit seiner mittlerweile vertrauten, angenehm tiefen Stimme und ich steige neben ihm ein, schließe die Autotür wieder. Meine Handtasche landet im Fußraum und schon wieder gehe ich durch, ob ich auch wirklich alles eingepackt habe. Dabei zittern meine Hände, darum versuche ich ruhig durchzuatmen, aber es hilft so gut wie gar nicht. Das Anschnallen wird dadurch auch nicht gerade leichter. Vor lauter Nervosität kann ich mich überhaupt nicht mehr konzentrieren, meine Gedanken schwirren in jede mögliche Richtung, ohne irgendeinen Orientierungspunkt.

>Hey.< Er sieht fragend zu mir, fährt dann aber los und ich lasse mich tief in den Sitz sinken. Jetzt gibt es kein Zurück mehr und das macht mir Angst. Obwohl heute im Grunde noch nichts passiert, fühlt es sich so an, als würde sich mein Leben bald schon wieder um hundertachtzig Grad drehen.

>Entspann dich<, sagt er leise, legt eine Hand auf mein Bein und die sanfte Berührung lässt mich tatsächlich lächeln. Es ist immer schön und entspannend, wenn er mich berührt, außerdem sind seine Hände auch immer schön warm. Ich bin zu verspannt, um Schmetterlinge aufkommen zu lassen, aber glücklich macht mich diese Geste durchaus.

>Das versuche ich, wirklich, aber dieser Tag war einfach nur schrecklich. Es wäre ein Wunder, wenn dieses Beratungsgespräch normal verlaufen würde.< Er sieht wieder kurz zu mir, nimm dann aber seine Hand weg, um zu schalten.

>Was kann denn schlimmstenfalls passieren? Sie werden dir nur erklären, welche Möglichkeiten du hast und alle deine Fragen beantworten. Wie du gesagt hast, es ist nur ein Gespräch und vermutlich solltest du dich danach entscheiden, aber das musst du nicht.< Ahnungslos hebe ich die Schultern, sehe aus dem Fenster.

>Ich weiß es nicht. Aber ich wusste auch nicht, dass Luca noch wütend auf Tristan ist und ein zwei Jahre altes Foto ausgräbt, um mir nur wieder vorzuwerfen, ich wäre ihm untreu gewesen. Und ich wusste auch nicht, dass ich so mies in Spanisch bin, dass mir Frau Fiegler empfehlen würde Nachhilfe zu nehmen.< Er legt seine warme Hand wieder auf mein Bein, sieht aber auf die Straße.

>Wie du weißt, ist mein Spanisch nicht das Beste, aber vielleicht kann ich dir damit ein bisschen helfen. Mein Wortschatz lässt zu wünschen übrig, aber mit der Grammatik komme ich gut klar.< Dankbar sehe ich zu ihm rüber, betrachte sein attraktives Profil. Mit seinem Daumen malt er sanfte Kreise auf mein Bein, auch seine Stimme klingt ganz ruhig, doch er wirkt nicht sonderlich entspannt.

>Ist bei dir alles in Ordnung?< Er lächelt, sieht kurz zu mir und ich lege eine Hand über seine. Er dreht sie um, damit wir unsere Finger miteinander verschränken können und irgendwie beruhigt mich das viel mehr, als ich mir hätte vorstellen können.

>Du sprichst nicht gern über spanisch, oder?< Kopfschüttelnd sehe ich ihn weiter an, warte auf eine Antwort. >Es ist alles in Ordnung, ja. Renè hat mir nur ein bisschen was zum Nachdenken gegeben, aber das hat hiermit nichts zu tun.<

>Woher kennt ihr euch eigentlich?< Er hebt die Schultern, lächelt leicht.

>Durch die Uni. Er hat im Ausland angefangen zu studieren, das weißt du ja schon, dann ist er an unsere Uni gewechselt. Wir haben uns gleich gut verstanden und mittlerweile scheinen wir wirklich gute Freunde geworden zu sein<, erzählt er mir und das freut mich. Ich kenne sonst nur Anton aus seinem Freundeskreis und den mag ich überhaupt nicht. >Und du kennst ihn durch Tristan?<, will er wissen und ich nicke knapp, erzähle ihm ein bisschen von damals. Es ist schon eine Weile her, aber es sind schöne Erinnerungen und wir haben viel Zeit, darum hole ich ein bisschen weiter aus und erzähle ihm auch gleich noch, wie ich Tristan kennen gelernt habe. Damals gab es die beiden nämlich nur im Doppelpack.

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