24. Kapitel - Ash

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Ash Lesharo

Ich darf meine Aufsichtspflicht nicht verletzten, das weiß ich. Das ändert nur nichts daran, dass ich jetzt eine kalte Dusche brauche. Ich weiß nicht, wann mir das zum letzten Mal passiert ist. Ob ich überhaupt schon Mal so stark reagiert habe, weil ich eine Frau berührt habe.

Es war nichts Romantisches dabei, sie hätte ertrinken können und doch denke ich nur daran, wie sich ihre nackte Haut an meiner angefühlt hat. Wie schöne es war, sie in meinem Arm zu halten. Wie gern ich sie wieder so halten würde, nur in einer ganz anderen Situation.

>Hör auf<, ermahne ich mich leise, versuche das Wasser in der Duschkabine noch kälter zu stellen, aber es geht nicht. Das alles hier ist so falsch. Sie könnte doch zumindest eine Kollegin sein, nicht meine Schülerin. Das wäre vielleicht nicht gern gesehen, man würde mich schlimmstenfalls bitten die Schule zu wechseln, aber ich würde meinen Job nicht verlieren.

Wenn es wirklich gut läuft, bekomme ich nur eine Zurückstufung oder eine Kürzung der Bezüge. Aber wenn ich Pech habe, ist meine Strafe die Entfernung aus dem Lehramt. Damit würde ich die Möglichkeit verlieren, auch woanders zu unterrichten.

Wenn zwischen Violet und mir jemals etwas passiert und das dann rauskommen, kann ich alles vergessen, worauf ich mein halbes Leben lang hingearbeitet habe. Dann könnte ich ihr auch nicht mehr wegen dem Baby helfen und das würde ich wirklich gern machen. Ob sie es behält oder nicht, ich möchte für sie da sein. Als ein Freund.

Mit geschlossenen Augen hebe ich mein Gesicht gegen das kalte Wasser, halte die Luft an. Ich muss runterkommen, mich beruhigen und verdammt noch Mal aufhören, immer wieder an sie zu denken. Wenn ich das nicht langsam schaffe, wird es nur schlimmer. Das vermute ich nicht nur, ich weiß es. Es ist nämlich schon schlimmer geworden. Jedes Mal, wenn ich sie gesehen habe, um genau zu sein und ich sehe sie auch in Zukunft mindestens fünf Tage in der Woche, also muss ich eine Lösung finden.

Wie sie gesagt hat, es wird weggehen. Diese Gefühle werden verschwinden, wenn ich ihnen nicht zu viel Gewicht gebe, und dann wird alles gut. Wahrscheinlich wird sie für mich niemals eine normale Schülerin sein, aber das war sie ohnehin nur einen Tag lang. Damit kann ich leben, wenn das bedeutet, dass wir den nötigen Abstand voneinander halten.

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Mit meinem Handtuch in der Hand gehe ich zwischen den Kabinen durch, doch von meinen Schülern ist niemand mehr hier. Es fehlt auch nur noch Violet. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass sie absichtlich so lange braucht, darum mache ich mir Sorgen. Es könnte ihr etwas passiert sein oder sie hat vielleicht wieder einen Krampf. Ich habe am Ausgang gestanden und bin jeden durch gegangen, der aus dieser Klasse an mir vorbeigegangen ist. Sie war nicht dabei.

>Violet?< Ich bin an den Duschen angekommen, wo ich nun doch nicht genauer nachsehen sollte. Trotzdem muss ich wissen, ob sie hier ist.

>Ja, ich bin gleich fertig<, höre ich sie erwidern und bin wirklich froh darüber. Offenbar hat sie einfach nur länger gebraucht.

Abwartend stelle ich mich neben die Tür, sehe auf die Uhr, doch sie kommt nicht raus. Es geht auch nur eine Dusche in dem Raum, darum öffne ich nun doch die Tür, werfe einen Blick hinein. Violet ist nicht zu sehen, doch in der hintersten Kabine läuft noch Wasser.

>Violet, alles in Ordnung?< Ich habe die Frage kaum ausgesprochen, da geht das Wasser aus und ein paar Sekunden später öffnet sie den Vorhang, kommt aus der Kabine. Sie hat sich ein Handtuch um den Körper geschlungen, doch den Badeanzug hat sie in ihrer Hand. Ich muss schlucken, will gehen und ihr Raum lassen, weil ich hier nichts zu suchen habe, doch sie lässt mich nicht. Etwas an ihr zwingt mich stehen zu bleiben, bis sie bei mir ist.

Ihr Blick ist ganz klar, als wüsste sie genau, was in meinem Kopf vorgeht, ihre Wangen sind gerötet. Ich wünsche mir wirklich, dass ich sie einfach in meine Arme ziehen kann und nie wieder loslassen muss. Aber das geht nicht. Ich habe meinem Amtseid geschworen, bin Lehrer an ihrer Schule und damit ist sie meine Schutzbefohlene. Das würde gegen alles stehen, wofür ich die letzten Jahre gearbeitet habe.

>Lassen Sie mich raus?< Ihre Stimme klingt belegt, sie hat ganz leise gesprochen. Ihre schönen Augen sind auf mich gerichtet, erinnern mich daran, dass ich ganz woanders sein sollte. Langsam nicke ich, gehe bei Seite, damit sie die Dusche verlassen kann. Von dort geht sie zu ihrem Schließfach, dreht behutsam an dem Zahlenschloss. Ich schaffe es, meine Augen zu schließen und so den Blick von ihr abzuwenden, doch ich kann genau hören, wie sie ihre Sachen aus dem Fach holt und in einer der Kabinen verschwindet.

Nun stehe ich still da, versuche meinen Herzschlag zu beruhigen, umklammere mein Handtuch, um meine Hände zu beschäftigen. Ich muss runterkommen und eigentlich auch selbst nochmal duschen gehen, aber ich will mich nicht bewegen. Ich brauche einen Moment Ruhe. Als wäre ich wirklich noch ein Teenager, der seine Gefühle und seinen Körper nicht kontrollieren kann.

Hätte mir vor einer Woche jemand gesagt, dass ich einmal so auf eine Schülerin reagieren würde, hätte ich ihm hundert Argumente liefern können, warum das unmöglich ist. Ich hätte ihm zum Beispiel deutlich gemacht, dass ich erwachsen bin und meine Gefühle im Griff habe. Wenigstens genug, um anständig zu bleiben. Violet macht mir das nur sehr schwer. Viel zu schwer.

Tief atme ich durch, stoße mich von der Wand ab, um mich endlich in Bewegung zu setzten. Ich kann schließlich nicht ewig hier herumstehen. Ich habe gleich noch Unterricht zu geben.

Langsam gehe ich zwischen den Kabinen hindurch, bis sich eine Tür hinter mir öffnet. Ich weiß, dass ich es nicht tun, sondern einfach gehen sollte, doch ich drehe mich zu ihr um. Das hat mein Körper entschieden, mein Kopf sagt mir immer noch, dass ich endlich gehen sollte. Am Eingang kann ich genau so gut auf sie warten, wie hier. Aber mein Kopf hat grade keine Macht mehr über mein Handeln.

Sie steht in der Tür, ihre Haare sind noch feucht von der Dusche. Ihr helles Shirt nimmt das Wasser auf, welches auf ihren Schultern dunkle Flecken bildet. Sie sieht zu mir auf, ihre schönen, hellen Augen mustern mein Gesicht aufmerksam.

Sie weicht zurück und da erst bemerke ich, dass ich auf sie zugegangen bin. Was ich definitiv nicht tun sollte.

Ich kann mich abhalten in die Kabine zu gehen, wo wir auf engstem Raum allein wären. Noch kann ich denken, die Augen schließen, um meinen Kopf zu klären.

Ihre kalte Hand legt sich an mein Handgelenk, dann zieht sie mich in die Kabine und die Tür fällt von allein zu. Überrascht versuche ich Halt zu finden, doch ich komme kaum dazu. Meine Hände stützen sich an der Wand hinter ihr ab, damit ich nicht gegen sie falle, weswegen mein Handtuch auf den Boden fällt. Sie dagegen lehnt mit ihrem Rücken an der Wand, sieht zu mir auf. Sie ist ganz nah, ihr Atem geht schnell. Ich kann die Wärme ihres Körpers praktisch spüren, obwohl sie mich nicht berührt.

Krampfhaft balle ich die Hände zu Fäusten, damit sie genau da bleiben, mein Herz schlägt laut und schnell in meiner Brust. Ich bin mir relativ sicher, dass ich halluziniere, dennoch werde ich sie nicht anfassen. Unter keinen Umständen.

>Violet, was-< Sie hat eine Hand auf meine Brust gelegt, sich auf die Zehenspitzen gestellt, um mich zu erreichen. Es geht eine leichte Gänsehaut von der Stelle aus, wo sie mich mit ihren kalten Fingern berührt. Nur einen Augenblick danach liegen ihre warmen Lippen auf meinen und nun zweifle ich an meinem Verstand.
Sie würde das nicht machen. Sie hat immer Abstand gehalten, mir gesagt, dass sie nicht mehr zu mir nach Hause kommen würde. Ich habe verstanden, was sie damit sagen wollte. Nur wirft sie in diesem Augenblick alles davon über den Haufen.

>Nicht nachdenken<, bittet sie mich heiser, löst dafür kurz den Kuss, doch nicht mehr als zwei Sekunden. Wieder küsst sie mich, legt eine ihrer Hände in meinen Nacken, um mich etwas weiter zu ihr herunter zu ziehen, damit sie nicht mehr auf ihren Zehnspitzen stehen muss. Selbstverständlich komme ich ihr entgegen, erwidere den Kuss vorsichtig, aber ohne zu zögern.

Es ist mir egal, ob das hier richtig oder falsch ist. Es fühlt sich zu gut am, um damit aufzuhören. 

Zu 0,05% schwangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt