40. Kapitel - Ash

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Ash Lesharo

Es tut gut sie zu sehen. Sie hier zu haben, bei mir, ist schön. Sie zu betrachten, ihre langen, dunkelblonden Haare, welche sie heute wieder offen trägt. Auch ihre aufmerksamen, hellen, grünen Augen und ihr schönes Gesicht, obwohl sie nicht lächelt. Das ist etwas, das ich sehr gern mache. Auch wenn die Situation gerade nicht sonderlich angenehm ist.

>Sie ist reifer als die meisten in ihrem Alter. Behandle sie nicht wie ein Kind<, bitte ich Anton, der noch immer skeptisch ist. Das ist ihm anzumerken und auch irgendwo verständlich, aber Violet ist nicht Penny. Sie ist eine junge, reife Frau und versteht die Situation vollkommen. Das weiß ich.

>Dann kann sie mir die nächste Frage mit Sicherheit klar und deutlich beantworten<, richtet er sich an mich, doch dann dreht er den Kopf wieder zu Violet und ich weiß, dass mir die Frage nicht gefallen wird. >Liebst du Ash?< Ungläubig starre ich meinen besten Freund an, versuche zu verstehen, wie er sie das wirklich fragen kann. Wie man so etwas überhaupt in einer derartigen Situation fragen und eine ehrliche Antwort erwarten kann. Ich würde ihn zum Teufel jagen, wenn ich in ihrer Lage wäre.

>Nein.< Mein Kopf dreht sich in ihre Richtung, meine Hand verkrampft sich in mein Bein. Es tut weh das zu hören. Ich kann auch in ihren Augen sehen, dass sie nicht glücklich ist, doch ihre Mine verrät mir nichts. >Ich mag ihn, es ist eine Schwärmerei, aber nicht mehr. Ich weiß, dass die letzten Tage deswegen schwierig waren und ich arbeite noch daran Abstand zu halten, aber ich finde auch, dass das so richtig ist. Ich will genau so wenig wie Sie, dass er von der Schule fliegt und damit dann auch seinen Traumjob verliert.< Ich habe ihr das nie gesagt. Was dieser Job für mich bedeutet und auch nicht, dass ich niemals etwas anderes tun werde, als Teenager und Kinder zu unterrichten. Kein anderer Job kommt für mich in Frage.

Was die letzten Tage angeht und die Küsse, bin ich mehr als nur durcheinander. Sie hat mich am Mittwoch geküsst und einfach alles an ihr hat nach mehr verlangt, doch schon am nächsten Tag war es, als hätte es diese Nacht nie gegeben. Ich habe gemerkt, dass sie Abstand gehalten hat und traurig war, aber ich kann unmöglich sagen, ob das beides zusammenhängt. Womöglich will sie es mir tatsächlich nur leichter machen.

>Nenn mich bitte Anton.< Sie nickt stumm, sieht weiter nur zu ihm und ich hole tief Luft. Ich kann mich nicht daran erinnern, sie angehalten zu haben. Mal ganz abgesehen davon springt mir jeden Moment das Herz aus der Brust.

Ich bin traurig und wüten, alles in mir schmerzt. Dass sie das so ruhig sagen kann, beweist, dass sie ehrlich ist. Ich habe mich ernsthaft in ein Mädchen verliebt, das nur für mich schwärmt, sich ein bisschen verknallt hat. Es ist ein wenig so, wie Kelly gesagt hat, auch wenn es mir schwer fällt, das zu vergleichen. Nichts hiervon kann ihre Absicht gewesen sein.

>Gut, dann sag mir bitte, was ich tun soll, Anton. Ich weiß, dass das falsch ist, weil er mein Lehrer ist, überhaupt für ihn zu schwärmen. Aber das verrät mir nicht, wie ich mich verhalten soll, ob es richtig ist, wenn wir uns weiter ignorieren. Ihm fällt es wahrscheinlich leichter, weil er dieses Gefühlschaos nicht hat, aber-<

>Violet.< Ich bin aufgestanden und auf dem Weg zu ihr, doch dann packt Anton mein Handgelenk, zieht mich zurück.

>Setz dich und sei still. Lass sie ausreden<, fordert Anton, aber ich will es ihr sagen. Dass es mir keineswegs anders geht als ihr. Sehr wahrscheinlich zeige ich es nicht, weil ich es ja auch verbergen will, aber ich habe mich nun mal in sie verliebt. Auch, wenn sie nicht genau so für mich empfindet. Ich glaube, sie sollte das wissen.

>Anton, ich-< Sein Blick wird bohrend, darum schwiege ich. Er ist hier, um zu helfen und wenn er sagt, ich soll schweigen, dann mache ich das auch. Obwohl das sehr schwierig ist.

>Violet, es gibt tatsächlich eine Lösung, die recht einfach ist. Sie schafft das Problem nicht aus der Welt, aber sie wird euch beiden das Leben leichter machen.< Ich bin gespannt, was er sagen will, denn mir hat er noch keine Lösung vorgeschlagen. >Es ist ganz normal, wenn Schüler beantragen die Klasse zu wechseln, richtig?<, wendet er sich nun an mich und ich nicke ganz automatisch. >Ihr seht euch dann immer noch, aber viel weniger und eine der Klassen unterrichtest du auch nicht, oder? Dann müsst ihr euch nicht mehr ignorieren und niemand läuft Gefahr, dass wieder etwas passiert, weil ihr euch sowieso kaum noch sehen werdet.< Weil es noch andere Lehrer für Mathematik und Sport an unserer Schule gibt, wurden die Klassen aufgeteilt. Dadurch unterrichte ich tatsächlich nur drei der vier Abschlussklassen.

>Das stimmt.< Er wendet sich wieder an Violet, welche nicht sonderlich begeistert wirkt, ihm aber aufmerksam zuhört.

>Dann kannst du am Montag beantragen die Klasse zu wechseln und im Laufe der Woche sollte das vielleicht sogar schon passieren. Wenn ihr dann noch auf den Gängen ein bisschen darauf achtet, euch nicht zu begegnen, sollte das schon ausreichen.< Ich denke nicht, dass das Funktionieren wird. Zumindest nicht auf Dauer, denn meine Gefühle verschwinden bestimmt nicht so einfach.

>Einen Versuch ist es wert<, antwortet sie nüchtern, hebt sich von dem Sessel. Wieder wirkt sie so, als würde ihr das alles nicht so nahe gehen wie mir und ich weiß nicht, wie ich das finden soll. Natürlich will ich nicht, dass es ihr schlecht geht, aber ich will auch, dass sie mir mehr von ihren Gefühlen zeigt.

Meine Gedanken schweifen, suchen nach Antworten, doch dann kommen sie ins Stocken. Auf diesem Sessel hat sie auch gesessen, als sie Emil eine Geschichte über eine Bärenfamilie vorgelesen hat.

>Du wärst eine gute Mutter.< Beide starren mich an, doch meine Aufmerksamkeit gilt Violet. >Also falls du das Kind bekommen willst, denke ich, dass du eine gute Mutter wärst.< Sie wirkt verwirrt, sieht zu Anton, der mich mit seinem bohrenden Blick fixiert. Es versetzt mir einen Stich, dass sie mich die ganze Zeit schon kaum angesehen hat und es auch jetzt meidet, sich lieber auf Anton konzentriert.

>Danke, schätze ich<, sagt sie schließlich, hebt die Hand zum Abschied. >Und danke für die Hilfe, Anton<, fügt sie hinzu, dann geht sie. Ich weiß nicht, warum sie schon gehen will, aber ich lasse sie. Wir waren noch gar nicht fertig, glaube ich, aber das reicht auch erst Mal. Sie hat vermutlich viel zum Nachdenken, genau wie ich. Obwohl ich einfach nur versuche, irgendwie das Stechen in meiner Brust zu mildern.

>Das war einfacher, als ich dachte<, sagt Anton, da hat sie grade erst das Haus verlassen. aber ich sehe nicht zu ihm auf, betrachte den Boden. Seine Worte versetzten mir nur einen weiteren Stich. Er hat keine Ahnung, wie sich das alles anfühlt. >Sie scheint umgänglich zu sein, es sollte also alles glatt gehen. Wenn du dich zusammenreißen kannst und deine Gefühle in den Griff bekommst, wird das schon. Sie scheint zumindest nicht sonderlich an dir zu hängen, deshalb-< Er unterbricht sich, weil ich aufgestanden bin. Ich kann mir das nicht mehr anhören. Es ist nicht so, dass ich mich in jemanden verliebt habe, dem ich gar nichts bedeute und mit dem ich nichts verbinde. Alles, was passiert ist, seitdem ich wieder in der Stadt bin, hat mit ihr zu tun. Ich habe jede Menge Erinnerungen mit ihr, kann noch hören, wie sie im Schlaf meinen Namen gesagt hat und spüren, wie sich ihre Lippen auf meine gepresst haben. Ihr Lächeln kann noch immer mein Herz höherschlagen lassen, obwohl ich jetzt die Wahrheit kenne.

>Ich habe noch Arbeit<, erkläre ich ihm knapp und er will etwas sagen, aber ich höre ihm nicht zu. Ich muss jetzt allein sein und einen Weg finden, wie ich mit all dem umgehen kann, ohne am Montag den Verstand zu verlieren, wenn ich sie wiedersehe. 

Zu 0,05% schwangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt