Ash Lesharo
Ich kann nicht schlafen. Anton hat mich am Freitagabend noch rund gemacht, weil ich es ihr sagen wollte. Wir können keinen Abstand voneinander halten, wenn sie es weiß, hat er gesagt. Wenn alle Karten auf dem Tisch liegen und keine gezinkten dabei sind, haben wir beide verloren. Genau deshalb habe ich die Nacht über wach gelegen, den Samstag mit allem verbracht, was mich irgendwie ablenken könnte. Nur war auch dieser irgendwann vorbei und ich bin müde, sollte schlafen, aber ich schaffe es nicht.
Wieder lege ich eine Hand über mein Herz, versuche zu verstehen, was es sich dabei gedacht hat, sich einfach einem jungen Mädchen wie Violet vor die Füße zu werfen. Das passt nicht zu ihm. Nach Jennifer ist sie durchaus die bessere Wahl, weil sie einfach eine wundervolle, gutherzige und liebevolle, junge Frau ist, aber sie ist eben zu jung. Obwohl das gar nicht so das Problem wäre, wenn sie wenigstens nicht meine Schülerin wäre.
Es liegen sieben Jahre zwischen uns. Das ist schon einiges, aber noch in Ordnung, finde ich. Wäre sie nicht weiter zur Schule gegangen, sondern hätte eine Ausbildung gemacht, wäre alles wunderbar. Offenbar sind ihre Eltern streng, also hätte es da vielleicht Schwierigkeiten gegeben, aber es wäre lange nicht so schlimm, wie das, was wir jetzt haben.
Mein Handy klingelt, aber ich sehe nicht nach, wer es ist. Mit Anton will ich nicht reden, wir haben gestern genug gesagt. Ich bezweifle ernsthaft, dass Violet mich so spät abends anruft, nachdem wir gestern Nachmittag zu dem Schluss gekommen sind, dass wir durchaus eine Möglichkeit haben. Es gibt eine Chance, das zu unterbinden. Dafür zu sorgen, dass es erträglich wird und die Gefühle vielleicht sogar verblassen. Vielleicht können wir sogar irgendwann einfach nur Freunde sein und über diese Zeiten lachen.
Mein Herz zieht sich zusammen und ich schließe die Augen. Diese Zeit wird niemals für Witze herhalten können. Dafür liegen zu viele schlechte Gefühle darin. Und auch zu viel Angst, einen riesigen Fehler zu machen. Vielleicht war es die falsche Entscheidung, Violet zu verschweigen, was ich fühle. Ihr nur klar zu machen, dass sie sich von mir fernhalten muss. Vielleicht war es eine schlechte Idee auf Anton zu hören und nicht auf mein Herz.
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>Schön hast du es hier<, meint René, schiebt sich an mir vorbei in mein Haus, sieht sich um. Er hat mich vor ein paar Minuten aus dem Bett geklingelt und ich habe ihm auf gemacht, aber ihn nicht hereingebeten. Es ist auch kurz nach elf Uhr nachts, also eine eher ungewöhnliche Zeit für einen spontanen Besuch.
>Waren wir verabredet?< Er schüttelt den Kopf, lässt sich auf die Couch fallen und mustert mich von dort aus.
>Nein, aber du bist vorhin nicht an dein Handy gegangen und da dachte ich mir, ich komme einfach Mal vorbei. So von Angesicht zu Angesicht ist es doch auch viel persönlicher<, erklärt er und ich runzle verwirrt die Stirn. Er wirkt, als würde er auf etwas bestimmtes anspielen, aber ich habe keine Ahnung, was er von mir will. >Ist sie hier?< Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen, dann schüttle ich den Kopf.
>Hier ist niemand außer uns.< Er nickt langsam, dann holt er tief Luft.
>Du bist wie ein Bruder für mich, weißt du das eigentlich? Deshalb bin ich hier.< Meine trägen Gedanken versuchen zu verstehen, was er hier will und warum er das jetzt sagt, aber ich weiß es einfach nicht.
>Ich verstehe nicht-<
>Tristan Kapp ist mein kleiner Bruder.< Mein Mund öffnet sich, aber ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das kann alles bedeuten und muss nichts mit Violet zu tun haben. >Ich habe zufällig mitbekommen, dass es seiner besten Freundin ziemlich dreckig geht, wegen Liebeskummer. Seine Worte waren deinen ziemlich ähnlich.< Nach wie vor fehlen mir die Worte. Dass er das weiß, ist eine Katastrophe. Wir haben es geschafft einen Ausweg zu finden, aber für das, was bisher passiert ist, kann ich durchaus schon alles verlieren und das macht mir Angst. Gleichzeitig schlägt auch mein Herz schnell und aufgeregt und ich weiß erst nicht warum, doch dann fällt es mir auf. Violet hat Liebeskummer. Wäre ich ihr wirklich egal, wäre sie vielleicht ein bisschen traurig aber nicht so, dass selbst René es erfährt und anspricht.
>Ich-<
>Warte erst Mal, lass mich ausreden<, bittet er, sein Blick ist jetzt ernst und ich nicke knapp. Bevor ich mich erkläre, sollte ich tatsächlich erst einmal wissen, was er denkt. >Ich kenne Violet schon seit sechs oder sieben Jahren und deshalb kann ich dir sagen, dass sie ein wirklich gutes Mädchen ist. Wärst du nicht ihr Lehrer, würde ich euch einfach nur alles Gute wünschen, aber so leicht ist es ja leider nicht. Außerdem kenne ich dich und ich kenne sie. Keiner von euch wollte das, trotzdem haben die Gefühle ihren Weg gefunden und irgendwie beneide ich euch beide deswegen<, meint er und ich bete einfach, dass er am Ende nicht sagt, dass er es Melden wird. Er macht nicht so wirklich klar, wo er steht, und das verunsichert mich. Immerhin kann er dafür sorgen, dass sich mein bisheriges Leben in Luft auflöst. >Deshalb möchte ich, dass du mir alles erzählst. Wie es dazu gekommen ist und was passiert ist. Ich möchte dich nicht ins offene Messer laufen lassen, versteh mich nicht falsch<, erklärt er, hebt abwehrend seine Hände. >Ich will mir nur ein Bild machen und dir helfen. Du weißt, ich bin strikt gegen so ein Verhältnis, aber wie gesagt, ich kenne euch. Das macht es mir schwer, euch einfach wie alle anderen zu sehen. Violet würde dich niemals anlügen oder ausnutzen, das bedeutet, ihr ist das ganze extrem wichtig und du würdest niemals etwas mit einer Schülerin anfangen. Wir beide wissen, dass du dieses Risiko nicht aus einer spontanen Laune heraus eingehst. Das alles ist mir klar und deshalb will ich es verstehen.< Es freut mich, dass er hier ist und mit mir redet, anstatt es zu melden. Aber ich bin mir immer noch nicht sicher, wo er steht, darum zögere ich. >Ich neige dazu, euch nicht zu verraten, Ash. Du musst aber auch verstehen, dass ich damit leben muss, eines meiner wenigen Prinzipien zu ignorieren. Ich will nur für mich selbst wissen, ob das die richtige Entscheidung ist. Was auch immer du mir anvertraust, bleibt auch unter uns. Das verspreche ich dir.< Tief atme ich durch, gehe langsam zu einem der Sessel, setze mich darauf. Ich werde es ihm sagen, alles. Nicht nur, weil ich es muss. Er kann mir dann auch eine zweite Meinung geben. Anton ist dagegen, hat alles in die Wege geleitet, damit wir es schaffen, uns aus dem Weg zu gehen, aber vielleicht war das falsch. Wenn Violet wirklich Liebeskummer hat und das meinetwegen, hat sie bei dem Gespräch gelogen und das gibt mir Hoffnung. Nur weiß ich nicht, ob diese angebracht ist.
>Ich habe damit angefangen, glaube ich.< Er sagt nichts, seine Mine ist neutral und ich suche nach den richtigen Worten. Es ist viel passiert in diesen Tagen und alles, was irgendwie wichtig ist, werde ich ihm erzählen. Dann weiß er sogar mehr als Anton, aber auch, wenn ich das nicht mache, kann er mit nur einem Bruchstück alles kaputt machen. Das will er nicht, das sehe ich ihm an und deshalb gibt es auch keinen Grund mehr, es ihm zu verschweigen.
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Zu 0,05% schwanger
RomanceWenn die Vernunft gegen das Herz verliert, wenn wir unseren Herzen folgen, entsteht meist ein Geheimnis, das alles zerstören kann. Verliebt zu sein ist etwas Schönes, schwanger zu sein auch. Beides würde prinzipiell in so ziemlich jedes Leben passe...