39. Kapitel - Violet

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Violet Elaine Craig

Ash: Bitte, drück mich nicht weg.

Das hat er vor einer Minute geschrieben, ein paar Sekunden, nachdem er angerufen hat. Zum dritten Mal, aber ich werde es wieder tun. Ich kann nicht mit ihm reden, seine Stimme hören. Er hat keine Ahnung, wie viel Kraft und Überwindung mich die letzten beiden Tage gekostet haben. Wie schmerzhaft es ist, in seinen Augen zu sehen, dass ich ihm egal bin. Deshalb verstehe ich auch nicht, warum er plötzlich reden will.

Wenn wir das aber jetzt nicht machen, das endlich beende, schaffen wir die Kurve nicht mehr. Dann ist jede Rettung zu spät. Zumindest ich kann nicht mehr zurück, wenn er mich noch einmal küsst oder wir auch nur kurz allein sind. Wobei ich eigentlich jetzt schon nicht mehr zurück kann, mein Herz gehört ihm schon. Nach seinem Verhalten zu urteilen, denkt er dasselbe.

Ich muss mich auf mein anderes Problem konzentrieren, darum sitze ich in meinem Bett, informiere mich über Schwangerschaften und wie es alleinerziehenden Müttern geht. Wie sie ihr Leben meistern oder auch nicht. Wie sie das alles machen und warum sie sich trotz all den Steinen auf ihrem Weg entschieden haben, ihr Kind zu bekommen.

Mein Handy vibriert wieder, es steht auch wieder sein Name auf dem Display, doch ich ignoriere es. Er wird irgendwann damit aufhören.

Ash: Bitte, lass uns reden. Wir müssen gemeinsam eine Lösung finden, Violet.

Ich mag es, wie er meinen Namen sagt. Das ist mir bislang nie richtig klar gewesen, aber jetzt gerade höre ich seine Stimme und wie er mich bei meinem ersten Namen nennt, wie sonst kaum jemand. Trotzdem hat er entschieden, dass wir das alles beenden und es ergibt einfach keinen Sinn, dass er Reden will.

>Warum habe ich die Nachricht eigentlich gelesen?< Das frage ich mich selbst, weil ich mein Handy eigentlich nicht mehr in die Hand nehmen wollte. Zumindest für eine Weile nicht. Ich will ihn nicht verletzen, obwohl ich gar nicht weiß, ob mein Schweigen das kann, aber vielleicht kann ich besser damit abschließen, wenn wir mal darüber reden. Das haben wir nämlich noch nie gemacht, fällt mir gerade auf. Wir haben beide noch kein Wort über einen der Küsse oder irgendwelche Gefühle verloren.

Violet: Wann und wo?

Ich hoffe, dass er nicht erst morgen reden will, sonst mache ich mich verrückt und kann vermutlich nicht schlafen. Eigentlich ist das sogar sehr wahrscheinlich. Aktuell kann ich sowieso nur schlecht schlafen und wenn ich es mal geschafft habe, wache ich nachts dann mindestens zwei Mal auf, um mir weiterhin den Kopf zu zerbrechen, bis mir die Augen schließlich wieder zu fallen.

Ash: In einer halben Stunde bei mir? Gern auch später, falls das zu knapp ist.

Das ist eine schlechte Idee. Nur wir zwei bei ihm zu Hause, das ist nicht gut und kann nur schief gehen. In beide Richtungen, denn entweder ihm geht es wie mir oder er verletzt mich damit, dass er mir sagt, dass er nichts für mich empfindet.

Dann kann uns niemand an einem weiteren Fehler hindern oder einfach nur da sein, damit wir klar denken können. Oder wenigstens ich. Er sollte sich besser kontrollieren können als ich, schließlich ist er der Erwachsene von uns beiden und ich glaube auch nicht, dass er sich so fühlt wie ich. Sonst wäre er in den letzten Tagen nicht so kalt zu mir gewesen. Er hatte ein wenig Interesse an mir, glaube ich, aber mehr war es vermutlich nie. Deswegen war ich mir auch so sicher, dass es einfach vorbei geht. Worauf wir allerdings offenbar beide nicht warten wollen.

Demzufolge ist sein zu Hause eine schlechte Wahl, aber wir können uns nicht öffentlich treffen und meinen Eltern will ich das auch nicht erklären. Es geht also nicht anders, wenn wir uns ungesehen treffen wollen.

Violet: Ich bin in einer halben Stunde bei dir.

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Er öffnet die Tür und mir bleibt das Herz stehen. Ich habe schon einen Umweg gemacht und dann fünf Minuten hier gestanden, bis ich es geschafft habe zu klingeln, weil ich genau gewusst habe, dass das passieren würde. Wenn ich ihn sehe, mein Bauch flattert und mein Herz schneller schlägt, gehen meine Gefühle mit mir durch und ich laufe Gefahr, ihm einfach um den Hals zu fallen. Dazu kommt, dass sein Blick aus irgendeinem Grund nicht mehr kalt ist. Warm würde ich ihn auch nicht bezeichnen, aber ich fühle mich nicht mehr wie ein Störfaktor in seinem Leben, wenn er mich ansieht.

>Komm rein.< Er lächelt freundlich, lässt mich reinkommen und ich steuere aus Gewohnheit das Wohnzimmer an, bleibe dann aber sofort wieder stehen. Herr Lesharo hat mit keinem Wort erwähnt, dass noch jemand hier sein würde. >Das ist Anton, mein bester Freund. Er hat es mehr oder weniger erraten und möchte uns helfen<, erklärt Herr Lesharo hinter mir, was die Situation nicht unbedingt verbessert. Anton lächelt freundlich, steht von der Couch auf und reicht mir die Hand. Ich nehme sie auch zögernd, aber meine Gedanken kreisen.

Es ist schlimm genug allein mit einem einzelnen Mann zu sein und über Gefühle zu reden, jetzt sind es offenbar zwei und den zweiten kenne ich noch weniger als den ersten. >Du kannst gern noch jemanden herholen, wenn du dich damit wohler fühlst<, fügt er sanft hinzu und ich reiße meinen Blick von Anton los, sehe zu ihm auf.

>Ich habe es niemandem gesagt und will das auch nicht ändern. Keiner von beiden könnte mir dabei helfen.< Er nickt langsam, versteht also, dass ich nur meine beiden besten Freunde meinen kann, dann deutet er auf die Couch.

>Setzten wir uns.< Anton setzt sich wieder auf seinen früheren Platz, Herr Lesharo ein Stück daneben und ich lasse mich auf einem der Sessel sinken. >Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll<, gesteht er dann, rauft sich die schwarzen Haare und sieht hilfesuchend zu Anton.

>Erstmal freue ich mich, dich kennen zu lernen, Violet<, beginnt er und ich nicke einfach, weil ich nicht so ganz weiß, was ich sagen soll. >Nur, damit es keine Missverständnisse gibt und ich alle Informationen habe, möchte ich ein paar Dinge durchgehen. Einverstanden?< Wieder nicke ich, auch wenn ich weiß, dass ich das eigentlich nicht will. Er wird ein paar sehr unangenehme Dinge ansprechen. >Zuerst Mal bist du volljährig, ja?<

>Ich bin neunzehn<, antworte ich knapp, denn wieder nur zu nicken wäre einfach komisch gewesen.

>Gut. Du bist schwanger von deinem Exfreund, welcher dich aus ungerechtfertigten Gründen verlassen hat. Das stimmt auch?< Automatisch huscht mein Blick zu Ash, welcher ein wenig unzufrieden aussieht, seine Hände aneinander reibt.

>Das stimmt. Was ich deswegen machen will, weiß ich aber noch nicht.< Anton nickt langsam, dann wird sein Blick weniger freundlich und er wirkt einfach nur ernst.

>Aber du weißt, was passiert, wenn jemand erfährt, was zwischen euch passiert ist. Dass er seinen Job verliert und nie wieder unterrichten darf.< Augenblicklich habe ich Schuldgefühle und ich glaube, genau das war sein Ziel. Er hat Recht, das weiß ich, aber er hat das ziemlich direkt und provozierend gesagt. Seine Haltung mir gegenüber verunsichert mich.

>Anton<, mahnt Ash seinen besten Freund, aber die Frage ist berechtigt. Auch, wenn sie eher wie ein Vorwurf klang.

>Natürlich weiß ich das. Und ich weiß auch, dass meine Eltern mich rauswerfen, wenn sie von meiner Schwangerschaft erfahren. Trotzdem kann ich es nicht ändern. Ich bin schwanger und meine Gefühle gehen auch nicht weg, weil sie zu einer ungünstigen Person gehören. Ich wäre nicht hier, wenn es mir nicht wichtig wäre, dass wir das ein für alle Mal klären<, versuche ich mich zu verteidigen, doch er scheint wenig beeindruckt davon.

Ich spüre den Blick von Ash auf mir, sehe ihn aber nicht an, achte nur auf Anton. Er muss verstehen, dass ich das nicht einfach abstellen kann und es mir auch ganz bestimmt nicht rausgesucht habe, sonst kann er uns nicht helfen. Ich vertraue diesem Anton nicht, aber Ash tut es und wir beide wollen eine Lösung finden. Deshalb bin ich hier und werde alles tun, was nötig ist, um endlich einen Schlussstrich unter all dem zu ziehen. Dieses eine Mal werde ich nicht auf mein Herz hören, sondern einzig und allein auf meinen Kopf und die Vernunft walten lassen. 

Zu 0,05% schwangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt