41. Kapitel - Violet

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Violet Elaine Craig

Ich fühle mich leer und auch irgendwie verlassen. Ein bisschen so, als hätte ich jemanden verloren, der sehr lange ein wichtiger Bestandteil meines Lebens war.

Anton hat Recht damit, dass es funktionieren könnte, wenn wir wirklich beide darauf achten, uns nicht mehr zu begegnen. Wenn wir uns nicht mehr sehen, geht es bestimmt vorbei. Dann kann ich wieder in die Schule gehen und mich auf den Unterricht konzentrieren, nicht auf einen Referendar. Zwar sind dann Tina und Tristan in einer anderen Klasse, aber auch Luca. So habe ich zu allem ein bisschen Abstand und die beiden können mit Sicherheit auch wechseln, wenn sie wollen.

>Schatz?<, fragt meine Mutter vor der Tür meines Schlafzimmers, klopft ganz leise.

>Ich bin wach.< Tatsächlich ist es schon nach elf, es ist dunkel in meinem Zimmer und ich bin auch müde, aber jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich sein Gesicht vor mir und die Kälte in seinen Augen.

>Warum weinst du denn?<, fragt sie sanft, kommt in mein Zimmer und ich hasse es, dass ich sie schon wieder anlügen muss.

>Migräne.< Die habe ich tatsächlich ab und zu, aber meine aktuellen Kopfschmerzen kommen nur vom Weinen.

>Kann ich dir irgendetwas bringen?<, will sie leise wissen, doch ich schüttle nur knapp den Kopf. Allerdings fällt mir dann doch noch etwas ein.

>Das nicht, aber wenn Luca herkommt, schick ihn bitte weg. Ich kann mich so nicht konzentrieren.< Sie nickt verständnisvoll, streichelt sanft über meine Wange. Er hat mir geschrieben, dass er reden will und meinetwegen können wir das, aber nicht heute. Nicht, solange ich noch so bin und keinen klaren Gedanken fassen kann.

>Ist zwischen euch alles in Ordnung?< Mir ist nicht danach, grade jetzt darüber zu reden, darum hebe ich nur die Schultern.

>Ich weiß nicht, ob ich dir das schon gesagt habe, aber wir haben uns getrennt.< Jetzt sieht sie traurig aus, runzelt besorgt die Stirn.

>Das ist sehr schade. Wir reden in Ruhe darüber, wenn es dir besser geht, einverstanden?< Ich will nicht darüber reden, aber sie ist meine Mutter und bisher konnte ich auch immer sehr gut mit ihr reden. Solange sie nichts von dem Baby erfährt, wird sie mir zuhören und helfen, so gut sie kann.

Es klingelt an der Haustür, darum steht sie wieder auf, geht zur Tür. >Ruh dich schön aus<, bittet sie mich, ich nicke nur stumm und sie verlässt mein Zimmer. Ich kann auch ihre Schritte auf der Treppe hören und versuche es noch einmal mit dem Schlafen.

Auch diesmal sehe ich ihn vor mir, seine schönen, blauen Augen, doch sie sind nicht kalt. Seine Lippen sind zu einem liebevollen Lächeln verzogen, er öffnet einladend seine Arme. Er zieht mich sanft an sich und ich lehne mich an ihn, genieße es ein letztes Mal, dass er mich festhält. Auch wenn es nur ein Traum ist, ein Wunsch, tut es gut.

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Die Nacht war viel zu kurz. Obwohl ich dank dem Schlafmittel von meinem Vater kurz nach Mitternacht endlich eingeschlafen bin, bin ich noch genau so müde und kraftlos wie davor, deshalb liege ich auch noch in meinem Bett. Eingekuschelt in meine warme Decke und bei dem Versuch an nichts zu denken.

Mein Kopf hat heute Nacht keine Ruhe gefunden. Aus irgendeinem Grund schweifen meine Gedanken immer wieder zurück zu dem Gespräch mit Anton und Ash. Als würde ich nach etwas suchen, was nicht da ist und könnte trotzdem nicht aufgeben.

>Elly.< Erschrocken setze ich mich in meinem Bett auf, finde Luca in der Zimmertür stehen. >Dein Dad hat mich rein gelassen<, meint er, schließt die Tür leise hinter sich, aber ich will, dass er wieder geht. Ich will nicht mit ihm reden, schon gar nicht jetzt. >Es tut mir leid<, redet er weiter, bleibt mitten im Zimmer stehen, vergräbt seine unverletzte Hand in der vorderen Hosentasche seiner Jeans. Er sieht auch zu Boden, wartet vielleicht auf eine Reaktion von mir, aber ich will nicht. Er soll einfach nur gehen.

>Was willst du hier?< Er sieht wieder zu mir auf, sein Blick ist flehend auf mich gerichtet.

>Es tut mir wirklich leid, Elly. Ich war eifersüchtig und egoistisch, das weiß ich. Aber ich weiß auch, was ich für dich fühle<, erklärt er, kommt auch einen Schritt näher zu mir. >Ich sehe doch, wie es dir geht. Du weinst schon seit Tagen und viel besser geht es mir nicht. Nur war ich zu Stolz das zuzugeben und auch das tut mir leid<, behauptet er, aber es macht keinen Unterschied. Er kann nichts sagen oder tun, um mich zu ihm zurückzuholen. Ich muss Ash aufgeben und vergessen, aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich in die Arme von Luca fliehe. Es wäre einfach und bequem, aber ich würde mich selbst dafür hassen und mich auch alles andere als Wohl damit fühlen.

>Luca, lass es. Bitte.< Er wirkt getroffen und sehr traurig, was mir leid tut, aber ich muss ihm klar machen, was ich wirklich denke und fühle. Er wird es sonst wieder versuchen und das möchte ich verhindern. Das erspart uns beiden viel Zeit und Schmerz. >Ich weine nicht wegen dir und ich bin zwar traurig, dass wir uns getrennt haben, aber damit komme ich mittlerweile gut klar. Mir geht es so, weil ich dieses andere Problem nicht einfach aus der Welt schaffen kann.< Er sieht zu meinem Bauch und ein kleines, glückliches Lächeln schleicht sich in seine Züge.

>Tristan und ich, wir haben geredet. Ich glaube dir, dass es mein Baby ist. Die Eifersucht hat mir den Kopf verdreht. Ich weiß doch, dass du mich nicht betrogen hast<, erklärt er und sein Lächeln wird breiter. Er blendet vollkommen aus, was ich ihm gesagt habe. Dass es für mich vorbei ist und ich gut damit leben kann, ignoriert er einfach.

>Das spielt keine Rolle mehr, Luca. Du bist zwar der Vater und ich höre mir gern deine Meinung an, aber ob ich es bekomme oder nicht, ist allein meine Entscheidung. Wir beide werden nie wieder ein Paar.< Sein Lächeln verschwindet und er kommt auch auf mich zu, aber ich rücke so weit von ihm weg, wie es mein Bett erlaubt.

>Elly, bitte. Gib mir noch eine Chance. Ich habe einen Fehler gemacht, dir nicht vertraut und war einfach Scheiße zu dir, aber ich habe daraus gelernt, okay? So etwas passiert nie wieder. Ich will dich in meinem Leben, mit oder ohne Baby.< Vielleicht hätte ich mich auf ihn eingelassen, vor der Sache mit Ash. Womöglich hätte ich es versucht, ihm vergeben und wir wären wieder zusammen oder auf dem Weg da hin.

Aber jetzt geht das alles nicht mehr. Es hat sich zu viel verändert und jetzt empfinde ich auch nichts mehr für Luca. Wir können befreundet sein, er ist mir nicht egal, aber für eine Beziehung reicht es einfach nicht. Ich finde auch nicht, dass es eine gute Idee wäre, mich mit ihm über Ash hinweg zu trösten.

>Das kann ich nicht, Luca. Du bist immer noch mein Freund, aber nicht mehr.<

>Aber du hast gesagt, dass du mich liebst<, kontert er sofort, sieht mich flehend an und es tut mir leid, dass ich es so sagen muss, aber anders geht es nicht.

>Das dachte ich auch.< Wenn ich mehr sage, tue ich ihm unnötig weh, darum lasse ich es.

Ich habe wirklich gedacht, dass ich ihn liebe. Ich wollte mein Leben, jede freie Minute mit ihm verbringen, aber ich weiß jetzt, dass es noch mehr gibt. Hätte ich Luca wirklich geliebt, wäre ich nach unserer Trennung mindestens so am Ende gewesen, wie ich es jetzt wegen Ash bin. Er hätte mir das Herz gebrochen, aber das hat er nicht. Er hat mir nur sehr wehgetan und seine Vorwürfe waren schlimmer als die Trennung selbst.

Ich kann in seinen Augen und seiner Mine lesen, wie sehr ihn das verletzt, aber es ist die Wahrheit.

>Okay<, sagt er leise, wendet sich ab. Ich lasse ihn, versuche ruhig zu atmen und nicht wieder zu weinen. Selbstverständlich fühle ich mit ihm, will ihn trösten, aber ihm auch keine Hoffnung machen. Wenn ich ihm welche gebe und sie ihm dann wieder nehme, ist das viel schlimmer, als ihn jetzt so gehen zu lassen. 

Zu 0,05% schwangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt