56. Kapitel - Ash

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Ash Lesharo

>Schmeckt es dir nicht?< Sie seufzt, sieht von ihrer japanischen Kokossuppe auf, versucht zu lächeln. Violet wollte nicht gleich nach Hause, sondern erst noch irgendwo in Ruhe reden und dieser Asiate hatte noch einen Tisch frei, darum sind wir nun hier. Wir sind noch immer einige Kilometer von zu Hause entfernt, hier kennt uns niemand.

>Doch, die Suppe ist wunderbar, aber ich habe keinen Hunger. Diese Entscheidung ist wirklich nicht leicht für mich<, erklärt sie und ich würde gern sagen, dass ich sie verstehe, aber das tue ich nicht. So etwas verstehen nur Frauen in ihrer Situation wirklich.

>Noch ist die Entscheidung nicht bindend.< Sie hebt die Schultern, rührt ein wenig in ihrer Suppe herum.

>Ich habe mich jetzt schon mehrfach für die Abtreibung entschieden und habe auch einen Termin. Das verändert das Gefühl dafür. Noch zehn Tage, dann ist es weg. Oder ich entscheide mich um, aber in zehn Tagen muss ich mich endgültig entscheiden.< Sie hat auf der Fahrt hier her erzählt, dass sie schon am Freitag einen Termin hätte haben können, aber das Wochenende will sie auf jeden Fall damit verbringen, die letzten Zweifel auszuräumen, mit mir und Scarlet alles final klären und erst dann kann sie sich wirklich darauf einstellen. In drei Tagen wäre es auf jeden Fall noch zu früh.

>Wie denkst du im Moment über Kinder?< Sie mit einem ganz anderen Thema abzulenken würde im Moment nicht helfen und vermutlich auch gar nicht funktionieren, darum versuche ich es einfach Mal so.

>Emil ist ein Sonnenschein und Maja ist unglaublich niedlich, aber beide kenne ich nur ein paar Stunden. Wenn ich sie nicht mehr haben will, gebe ich sie an ihre Eltern zurück. Ein eigenes Kind habe ich immer bei mir, bin immer dafür verantwortlich, bis es auszieht. Und selbst dann höre ich nicht plötzlich auf, Mutter zu sein<, antwortet sie, isst einen Löffel von ihrer Suppe. >Ich kann mir das einfach noch nicht vorstellen. Ich fühle mich so oft noch selbst wie ein Kind, oder wenigstens wie ein Teenager. Für ein Kind bin ich einfach noch nicht reif genug, aber-< Sie bricht ab, holt tief Luft. >Aber da ist dieses kleine Leben in mir, Ash. Ich verstehe überhaupt nicht, wie es entstehen konnte und trotzdem überlege ich ernsthaft, es einfach wegmachen zu lassen. Allein der Gedanke fühlt sich falsch an.< Zu gern würde ich ihr damit helfen, aber ich weiß überhaupt nicht wie. Sie hat vollkommen Recht mit dem, was sie sagt.

>June war auch nicht geplant<, fange ich an zu erzählen, einfach, um nicht zu schweigen und weil es gerade gut passt. >Unsere Eltern waren schon verheiratet, wollten eigentlich noch die Welt erkunden, bevor sie Kinder bekommen, aber sie hat sich für das Kind entschieden. Mein Vater war erst sauer, weil sie das mehr oder weniger ohne ihn entschieden hat, aber als ihr Bauch angefangen hat Gestalt anzunehmen, hat er sich dafür verflucht. Mütter lieben ihre Kinder oft schon, sobald sie wissen, dass sie existieren. Väter brauchen manchmal ein bisschen Zeit, um sich darauf einzustellen, aber nicht immer.< Sie hört mir aufmerksam zu, isst weiter ihre Suppe.

Ich bin mir nicht sicher, ob es für meine Eltern in Ordnung ist, dass ich ihr auch das folgende erzähle, aber ich denke, dieser Fall ist eine Ausnahme. Ich glaube es ist wichtig, ihr jetzt davon zu erzählen. >Ihr zweites Kind haben sie allerdings abtreiben lassen.< Ihr Lächeln nimmt ab, ihre Mine wird fragend und ich nehme einen Schluck von meinem Wasser, bevor ich weitererzähle. >Sie ist nur fünf Monate nach der Entbindung wieder schwanger geworden, aber June hatte für sie Priorität. Unsere Eltern waren sich einig, dass es zu früh ist, dass sie June nicht geben konnte, was sie braucht oder auf jeden Fall nicht das, was sie ihr geben wollten, wenn sie es behalten und haben sich darum gegen das Kind entschieden. Es hat nicht in ihr Leben gepasst und soweit ich weiß, haben sie das nie bereut.<

>Und dann?<, hakt sie gleich nach, scheint wirklich interessiert zu sein und es freut mich, dass es ihr ein wenig zu helfen scheint, diese Geschichte zu hören. Sie ist anders als ihre, sie wird sich nicht einfach ein Beispiel an ihr nehmen, aber das macht nichts. Es soll Violet nur helfen, sich zu entscheiden und am Ende gut damit leben zu können.

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