Ash Lesharo
>Alles in Ordnung? Du bist so still heute<, will Kelly wissen, lässt sich neben mir an ihren Schreibtisch sinken. Wie üblich hat sie eine Tasse mit dampfendem Kaffee in der Hand, mustert mich ein bisschen zu gründlich. Trotz der Lüge gestern, dass ich eine Freundin habe, achtet sie sehr genau auf mich.
>Mir geht es gut, danke.< Das stimmt sogar. Der gestrige Abend mit Anton war schön, wir haben uns noch viel unterhalten und er hat tatsächlich nicht weiter gebohrt. Was natürlich nicht bedeutet, dass er kein Interesse mehr an der Geschichte hat. Die Fragen habe ihm bis zuletzt auf der Zunge gelegen.
>Hast du mitbekommen, was da zwischen Luca, Tristan und Elaine vorgefallen ist? Ein paar Kollegen haben erzählt, dass es in einer der Pause einen Streit gegeben hat.< So etwas spricht sich nur herum, wenn jemand Handgreiflich geworden ist und deshalb ist meine erste Reaktion die Sorge um Violet. Dann fällt mir aber ein, dass ich sie vor fünf Minuten erst gesehen habe, als ich nach meiner letzten Stunde hier reingekommen bin und sie sah in Ordnung aus.
>Nicht viel, aber sie scheint sich von Luca getrennt zu haben, was dann irgendwie zu Streitereien geführt hat.< Ich versuche mich vage zu halten, weil Violet sich mir anvertraut hat, aber auch, weil es niemand wissen muss. Ihre Schwangerschaft, die Vorwürfe von Luca und auch alles andere, was damit zu tun hat, geht niemanden sonst etwas an, solange niemand außenstehendes mit reingezogen wird.
>Schade. Die beide haben gut zusammengepasst<, murmelt sie, nippt an ihrem Kaffee, dann klingelt mein Handy. Ich sehe das nicht so, werde aber nichts dazu sagen. June wollte sich noch bei mir melden, wegen dem Babysitten, aber es ist nicht ihre Nummer, die mir angezeigt wird, sondern eine unbekannte.
>Hallo, Lesharo hier<, hebe ich deshalb ab, nehme einen Stift zur Hand, falls ich etwas notieren muss.
>Herr Lesharo, hier ist Elaine, also Violet<, höre ich ihre weiche Stimme, lege den Stift gleich wieder weg und stehe stattdessen auf. Wenn sie es ist, sollte Kelly nicht bei unserem Gespräch daneben sitzen.
>Hi, rufts du wegen Emil an?< Das ist zumindest der einzige Grund, der mir einfallen würde.
>Ja. Ich wollte wissen, wann ich bei June sein soll oder ob sie ihn zu mir bringt. Ich habe zwar ihre Nummer, aber sie ist nicht dran gegangen.< Tatsächlich muss ich kurz überlegen, woher sie die beiden Nummern hat oder wann ich sie ihr gegeben habe, aber ich hatte ihr am Freitag meine Nummer und die von June aufgeschrieben, falls etwas passiert.
>Sie bringt ihn um sieben zu dir, schick ihr einfach deine Adresse.< Ich will mich auf die Couch setzten, doch da taucht Kelly neben mir auf, hält mir einen Zettel vor die Nase. Allerdings kann ich ihn nicht lesen, weil sie ihn hin und her wedelt.
>Mache ich, danke. Dann bis morgen<, verabschiedet sie sich, legt auf, bevor ich etwas erwidern kann. Stattdessen nehme ich Kelly den Zettel ab, lese ihn und weiß dann auch, warum sie so streng mein Gesicht mustert.
>Den hat jemand auf meinen Schreibtisch gelegt<, erklärt sie, ich dagegen starre die wenigen Worte an. Die Handschrift kommt mir bekannt vor, die Wortwahl auch. Nur bezweifle ich ein bisschen, dass sie tatsächlich dämlich genug ist, mir so eine Nachricht zu schreiben. >Etwas mit einer Schülerin-< Mein Herz setzt ganz kurz aus, aber ich kann mich zusammenreißen und das beklemmende Gefühl überspielen. Diese Nachricht und die Anspielungen darin sind nämlich keineswegs von Violet.
>Kelly, du kennst doch Penny aus der C-Klasse.< Sie hebt eine Braue, nickt dann aber. >Hast du irgendetwas von ihr hier? Ich glaube, das ist ihre Handschrift und wenn ich richtig liege, weißt du genau, wie wenig Aufmerksamkeit man dieser Schmiererei schenken sollte.< Tatsächlich verliert ihr Blick an Schärfe, dann geht sie zurück zu ihrem Schreibtisch, sucht nach etwas. Ich dagegen versuche zu verstehen, wie Penny auf die Idee kommt, mir ein Date inklusive eine lange Nacht mit ihr vorzuschlagen und den Zettel dann auch noch auf den falschen Schreibtisch zu legen. Die Idee allein ist schon schlimm genug.
>Du hast Recht<, lenkt mich Kelly ab, hält einen Aufsatz von Penny neben den Zettel, den sie wohl in Kellys Unterricht geschrieben hat, gleicht die Handschriften ab.
>Soll ich das Vergessen oder mit ihr darüber reden? Ich verstehe Mädchen in dem Alter nicht sonderlich gut.< Ich glaube es fast nicht, dass ich Kelly tatsächlich um Rat frage, aber ich meine die Frage ernst. Wenn sie solche Sachen schon in der zweiten Woche macht, will ich nicht wissen, was darauf noch folgen kann.
>Das ist schwierig<, seufzt sie, legt den Aufsatz wieder zurück an seinen Platz. >Wahrscheinlich solltest du mit ihr reden, um schlimmeres zu vermeiden.< Genau das könnte aber auch nach hinten losgehen, wenn ich Pech habe.
>Was hältst du davon, wenn wir das zusammen machen?< Ihre Augen weiten sich, sie starrt mich überrascht an. >Sie neigt dazu vom Thema abzuschweifen und nur zu hören, was sie gern hören würde, wenn ich mit ihr rede. Mit dir kommt wahrscheinlich mehr von dem an, was ich ihr tatsächlich sagen möchte.< Sie nickt langsam, strafft ihre Schultern.
>Gut, dann machen wir das so. In der Stunde vor der Nachhilfe morgen hat die Klasse frei, oder?< Knapp nicke ich, denn das ist der perfekte Zeitpunkt. So wird der Nachhilfeunterricht mit Sicherheit angenehmer. >Dann werde ich sie in der Freistunde hier her bitten und wir klären das in Ruhe.< Es wäre wirklich wunderbar, wenn das klappen würde. Penny kann mit ihren schlechten Flirts und komischen Anspielungen nämlich nicht nur meine Stimmung trüben, sondern auch für ungewollte Aufmerksamkeit sorgen. Wenn es die Runde macht, dass ich die Aufmerksamkeit von meinen Schülerinnen auf mich ziehe, fällt vielleicht auch jemandem auf, dass Violet und ich ein bisschen zu sehr aufeinander achten. Obwohl wir beide es zu verbergen versuchen.
>In Ordnung, danke.< Sie winkt ab, nimmt ihren Kaffee wieder in die Hand, geht ein paar Ordner durch und auch ich sollte weiter die Hausaufgaben korrigieren.
Zwar habe ich heute nichts mehr vor, aber ein wenig Zeit im Fitnessstudio zu verbringen würde mir auch mal wieder guttun. Sich auszupowern, gehört schließlich auch dazu und abgesehen davon brauche ich auch noch eine neue Mitgliedschaft im Fitnessstudio. Vielleicht frage ich auch Anton, ob er mitkommen möchte. Wir haben zwar gestern viel geredet, aber noch lange nicht genug. In den zwei Jahren ist viel passiert und es tut immer gut, sich mit alten Freunden auszutauschen.
Wenn er wieder nach der Frau in meinem Leben fragt, finde ich einfach eine Ausrede, dann wird der Abend sicher schön und lenkt mich dann auch mal besser von Violet ab, als allein in meiner Wohnung zu sitzen und mich daran zu erinnern, wie sie im Schlaf meinen Namen gesagt hat oder wie schön es sich anfühlt, sie zu küssen.
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Zu 0,05% schwanger
RomanceWenn die Vernunft gegen das Herz verliert, wenn wir unseren Herzen folgen, entsteht meist ein Geheimnis, das alles zerstören kann. Verliebt zu sein ist etwas Schönes, schwanger zu sein auch. Beides würde prinzipiell in so ziemlich jedes Leben passe...