27. Kapitel - Violet

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Violet Elaine Craig

>Gehen wir essen?<, will Tristan wissen, kaum dass es nach der letzten Stunde geklingelt hat. Ich habe die Antwort vage gehalten, als er wissen wollte, warum ich zu spät war, darum will er jetzt wohl mit mir essen gehen. Um mich zur Rede zu stellen. Ich bin nämlich nie zu spät.

>Ich habe keinen Hunger.< Das ist eine glatte Lüge und so wie er mich ansieht, weiß er das.

>Seit wann weichst du mir aus?<, hakt er nach, wir packen unsere Sachen ein und er wartet auf mich, weil ich absichtlich langsam bin. Eigentlich mit dem Ziel, dass er geht und ich den Fragen entkomme. Es ist unfair, nicht mit ihm zu reden und ihm etwas zu verschweigen. Wir haben schon immer über so gut wie alles geredet, aber es gibt eben Grenzen. Normalerweise würde ich ihm auch nichts verheimlichen, aber es geht eben nicht. Wenigstens diese eine Sache muss ich ganz allein für mich behalten.

>Das mache ich nicht. Es gibt nur nichts zu erzählen und ich habe keinen Hunger. Außerdem muss ich das Referat in Bio noch vorbereiten.< Er mustert mich skeptisch, begleitet mich aus der Klasse auf den Flur. Offenbar grübelt er darüber nach, was los sein könnte, nur bin ich mir sicher, dass er die richtige Lösung niemals finden wird. Nicht einmal im Traum würde ihm einfallen, dass ich unseren neuen Referendar in eine winzige Kabine gezogen und geküsst habe.

>Ich kann dir helfen. Bei deinem Referat<, schlägt er vor, lächelt begeistert, wegen seinem tollen Einfall. Ich dagegen bekomme einen kleinen Herzinfarkt, weil dieses Wort fast genau so wie „Referendar" klingt.

>Und was ist mit deinem eigenen Vortragt?< Er seufzt, hebt die Schultern.

>Bio ist das einzige Fach, in dem ich so oder so auf einer eins stehe. Das heißt, ich kann es auch irgendwann zwischen den Pausen ein bisschen ausarbeiten und gut ist.< Er will heute nicht abgewimmelt werden, was mir gar nicht passt. Ich will allein sein und nachdenken. Genaugenommen will ich auch einen Plan entwickeln, wie ich mich von Herrn Lesharo fernhalten kann, ohne eine ähnliche Situation zu provozieren.

Ich wollte Abstand, das habe ich ihm gesagt. Er will Lehrer werden und das bedeutet, etwas mit einer Schülerin anzufangen ist das Schlimmste, was er machen kann. Demnach wollten wir beide nicht, dass dieser Kuss stattfindet und doch haben wir es getan. Er ist zu mir gekommen, ich habe ihn an mich gezogen und er ist geblieben. Als wir allein waren, hat die Vernunft versagt und das bedeutet, wir dürfen uns nur noch in Situationen begegnen, wo die Vernunft stärker ist, als alles andere. Ohne Ausnahme.

>Soll ich Tina fragen, ob sie auch vorbeikommen möchte?< Langsam bildet sich ein glückliches Lächeln in seinem Gesicht, auch wenn er wirklich versucht, es zu verbergen.

>Wie du willst<, meint er locker, aber ich weiß genau, dass ihn das freuen würde. Er hält mir die Tür auf und wir gehen nach draußen. Sobald wir auf dem Hof sind, habe ich Zeit mein Handy hervorzuziehen und ihr zu schreiben, doch Tristan lenkt mich ab.

>Weiß sie es eigentlich schon?< Fragend sehe ich zu ihm auf, denn ich weiß im Moment gar nicht, was er meint. >Na die Sache mit dem Baby.< Das hatte ich vollkommen verdrängt. Seit Samstag sind meine Gedanken ständig bei Herr Lesharo.

>Nein, noch nicht. Sie wird ausflippen.< Schon ist mir gar nicht mehr danach, sie einzuladen, aber ich muss es ihr sagen. Wenn sie es anders herausfindet, wird sie sauer und sie ist schließlich meine beste Freundin. Früher oder später werde ich ihren Rat brauchen, so wie immer. Demnach erzähle ich ihr auch schon immer alles. Also ausgenommen von einem gewissen Kuss. Davon wird sie niemals und auf keinen Fall erfahren. Sie würde mir den Kopf abreißen und das zu Recht.

Mal abgesehen davon, dass ein Geheimnis immer dann am sichersten ist, wenn möglichst wenige davon wissen. Und dieses ist das größte Geheimnis, welches ich jemals wahren musste. Um mich zu schützen und natürlich auch ihn.

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Es ist schön die beiden so zu sehen. Tristan und Tina, das passt einfach. Auch wenn die Namen nacheinander ein bisschen komisch klingen.

>Danke<, meint Tina unvermittelt, dabei hat Tristan gerade irgendwas erzählt. >Du weißt warum<, fügt sie hinzu und die beiden tauschen ein paar forschende Blicke aus, ehe sie sich verliebt anlächeln. Himmel, wie ich es vermisse, auf diese Art und Weise zu flirten. Einfach schweigen, einander ansehen und das Gefühl haben, dass die Blicke alles sagen. Das fehlt mir.

>Ich habe es genau gesehen<, mahnt Tristan, schiebt meine heiße Schokolade näher zu mir. >Nicht unzufrieden sein. Vor dir sitzt das zukünftige Traumpaar, also musst du glücklich lächeln.<

>Erzähl mir nicht, dass ihr noch nicht zusammen seid.< Die beiden sehen sich kurz an und Tina wird rot, was dann wohl bedeutet, die beiden haben es tatsächlich noch nicht hinter sich gebracht. >Dann will ich das nicht länger so lassen. Tristan, mein teuerster Freund und Tina, meine liebste Freundin, ihr seid hiermit ein Paar. Dann müsst ihr euch nicht darum prügeln, wer wen fragt. Denn wir alle kennen Tina, das könnte durchaus passieren.< Die beiden lachen und auch ich kann mir ein breites Lächeln nicht verkneifen. Die beiden passen einfach perfekt zusammen. So wie eigentlich auch Luca und ich. Aber ich will nicht mehr zurück. Dafür hat sich zu viel verändert und ich sehe auch nicht mehr denselben Luca wie früher, wenn ich ihn ansehe.

>Ich wollte das viel romantischer machen<, beschwert sich Tristan, will Tina einen Kuss geben, doch sie drückt ihm ihre Handfläche auf den Mund. 

>Du willst das ernsthaft einfach so hinnehmen und dich drücken?< Tristans Lächeln wird breiter, dann küsst er ihre Hand, bis sie diese kichernd wegnimmt.

>Sie ist doch von uns beiden die beste Freundin und im Allgemeinen unterstützen wir ihre Entscheidungen. Diese hier gefällt mir eben sehr gut.< Sie scheint kurz zu überlegen, dann nickt sie schließlich.

>Okay, akzeptiert. Aber den Antrag machst du mir schön selbst<, mahnt sie und Tristan verliert alle Farbe aus dem Gesicht.

>Da hast du dir was vorgenommen<, lache ich ihn aus, weil ich genau weiß, dass er eigentlich nie heiraten wollte und Tina schon seit dem Kindergarten an der perfekten Hochzeit arbeitet.

>Ist ja noch ein bisschen Zeit<, murmelt Tristan und Tina grinst, lehnt sich an seine Schulter.

>Keine Sorge, wir laden nur die zweihundert wichtigsten Leute ein.< Er ringt sich ein Lächeln ab und sie gibt ihm noch einen Kuss auf die Wange, dann kommt endlich das lang ersehnte Essen. 

Zu 0,05% schwangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt