Ein Versuch

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Langsam legte Christian seine Hand auf die schwere Klinke der Tür zu seinem Spielzimmer im Escala. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Über eine Stunde hatte er sie warten lassen. Seit einer Stunde saß sie wahrscheinlich dort hinter dieser Tür, in der Stellung, wie er es sich gewünscht hatte. Nur mit einem Slip gekleidet, das Haar geflochten, auf dem Boden hockend mit gespreizten Beinen. Im Sub-Schlafzimmer war sie nicht, deshalb blieb nur diese Möglichkeit. Sie hatte ausgehalten, obwohl er sie ewig hat warten lassen. Das nötigte ihm Respekt ab.

Nachdem er sie in der Küche verlassen hatte, mit der Aufforderung in 15 Minuten in der gewünschten Stellung im Spielzimmer auf ihn zu warten, war eine Stunde vergangen und er hatte es nicht mal gemerkt. Unbeweglich hatte er in seinem Bad gestanden. All die Bilder von Ana hier in dieser Wohnung hatten ihn überrollt. All die Premieren mit seiner Ana. Der Frau, die er immer noch liebte, auch nach all diesen Jahren. Die Vorstellung, gleich in sein Spielzimmer zu gehen und Kylie an ihre Grenzen zu führen, die kam ihm gerade völlig absurd vor. Und es fühlte sich wie Betrug an Ana an.

Kylie hatte er in der letzten Woche kennen gelernt. Sie hatte sich auf seine Anzeige auf einer einschlägigen Website gemeldet. Sie entsprach seinen Vorstellungen. Ende Zwanzig, Brünett mit braunen Augen. Ausgebildete Sub. Nach dem Vorgespräch und der Unterzeichnung der obligatorischen Verschwiegenheitserklärung und des Vertrages, war sie heute pünktlich um 16 Uhr im Escala erschienen und hatte Christians Eingangsprüfungen alle mit Bravour bestanden. Und irgendwie hatte er sich gefreut. Die Vorstellung von ihr in seinem Spielzimmer hatte ihm gefallen.

Und nun... Er konnte es nicht. Auch der vierte Versuch in 9 Jahren war gescheitert. Ana saß viel zu tief in seinem Herzen fest, als das er ihr das antun konnte. Die vielen schönen Stunden in diesem Zimmer schlichen sich in seine Gedanken. Die Gewissheit, dass sie dort drin ihr zweites Kind gezeugt hatten. Phoebe, seine kleine Prinzessin. Nur mit Mühe schluckte er den Kloß in seinem Hals wieder herunter. Er vermisste sie. Der körperliche Schmerz kam zurück. Schlang sich mit Macht um sein Herz.

Langsam öffnete er die Türe und fand tatsächlich die junge Frau in der Ecke hocken.

„Kylie, steh bitte auf." richtete er seine Stimme an sie und umfasste gleichzeitig den Bademantel, der neben der Tür an dem dafür vorgesehenen Haken hing.

Kylie tat was er befahl und blieb an der gleichen Stelle stehen. Sie stand mit gesenktem Kopf vor ihm.

„Schau mich an." Sie folgte unverzüglich seiner Aufforderung.

„Geh in das Schlafzimmer und zieh Dich wieder an. Ich gebe Dich wieder frei. Unser Vertrag ist hinfällig."

„Aber..." begann Kylie, doch Christian schnitt ihr sofort das Wort ab.

„Es liegt nicht an Dir. Aber ich kann es nicht. Ich dachte nach fast 9 Jahren würde es gehen, aber ich kann sie nicht betrügen. Niemals."

„Deine Frau?"

„Ja, Ana."

„Ich verstehe." sprach sie enttäuscht. „Auf wiedersehen, Mr. Grey."

„Leb wohl Kylie."

Mit diesen Worten drehte er sich um und ging in sein Schlafzimmer.

Anrufe mit ungeahnten FolgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt