Zehn Minuten später fuhr Christian Ana wieder nach Hause und Taylor war auf dem Weg nach Oxford. Die Leiterin der Forschungsgruppe hatte ihm versprochen sobald als möglich eine Diagnose zu stellen. Sie schätzte 48 Stunden würde es allerdings dauern.
Etwa auf halben Weg zu ihrem Haus bat Ana Christian den Wagen zu stoppen. Sie stieg aus und er folgte ihr. Ihr Weg führte sie zu einer Bank oberhalb der Klippen. Von hier hatte man einen fantastischen Ausblick. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, ging der Blick geradeaus gen Westen.
Ana nahm platz, zog ihre Beine ganz nah an ihren Oberkörper und umfasste sie mit ihren Armen. Ein Bild das Christian die Luft abschnürte. So hatte er immer da gesessen unter dem Tisch und sich vor dem Zuhälter seiner Mutter versteckt. Wovor hatte Ana Angst?
„Ana, was ist los? Wovor hast Du Angst?"
„Ich weiß es nicht genau. Angst ist ein Gefühl, dass ich in den letzten Jahren nie zugelassen habe. Ich wollte und musste immer stark sein. Für die Kinder, für mich. Und jetzt ist sie wieder da."
„Ana, nochmal wovor hast Du Angst?"
„Vor Dir, vor Deiner Reaktion, falls die Krankheit doch nicht Teil des Fakes ist. Vor dem was kommt, wenn ich wirklich krank bin. Angst Dich zu verlieren. Angst nicht mitzuerleben, wie unsere Kinder erwachsen werden und selbst Kinder bekommen. Angst davor, eine Belastung für Dich zu sein."
Christian setzte sich neben Ana und zwang sie, ihre Haltung aufzugeben. Er nahm sie auf seinen Schoß und begann ihren Rücken zu streicheln. Er wusste, sie liebte diese Berührungen.
„Ana, ich bin zu 99% überzeugt, das diese Krankheit Teil des Fakes ist. Denn schau mal: Irgendwer hat sich die größte Mühe gemacht uns zu trennen. Er hat alles bis ins Detail geplant und durchdacht. Dieser jemand wusste genau welche Ängste Du hast, im Bezug auf unsere Beziehung und meine beschissene Vergangenheit. Dieser jemand wusste aber auch, wie ich auf eine solche Diagnose reagieren würde und hat auch dies ausgenutzt um Dir zu suggerieren, ich würde Dich abschieben. Dieser jemand ist sogar soweit gegangen und wollte mich von meinem Umfeld komplett isolieren. Denn eines steht fest, hätte ich Gail und Jason nicht überzeugen können, die anderen hätten sich auch bald von mir abgewendet. Gail hat mir gestanden, dass sie die Sache mit dem Spielzimmer Kate oder meiner Mum erzählt hätte, nur damit sie Ted von mir wegholen. Und wenn Mum und Kate davon Wind bekommen hätte, dann auch alle anderen und ich wäre am Ende wirklich alleine gewesen."
„Aber wer hat daran ein Interesse?"
„Das werden wir herausfinden. Das verspreche ich Dir."
„Und wie geht es mit uns weiter?"
„Ganz ehrlich Ana, ich habe keine Ahnung. Ich hatte noch gar keine Zeit mir darüber Gedanken zu machen. Zurzeit reagiere ich nur. Ich bin so unendlich glücklich Dich und Phoebe wieder zu haben. Und ich möchte heute eigentlich auch nicht weiter darüber nachdenken. Ich habe viel zu wenig geschlafen in den letzten beiden Tagen."
„Dann lass uns nach Hause fahren. Unser Sohn wartet sicher schon."
Ein paar Minuten später fuhr Christian den Wagen in die Garage. Als sie das Haus betraten, rief Ana nach CJ.
„Bin im Wohnzimmer." antwortete er.
„Hey, alles gut bei Dir?"
„Ja, sagt mal, habt ihr Euch beide diese Mails mal genau angesehen?"
„Mehr als einmal mein Sohn." antwortete Christian ihm.
„Das meine ich nicht. Du hattest ja nur die von Mum. Aber schau mal genau hin. Was fällt Dir auf?" Er legte die beiden Blätter vor seinem Vater auf den Wohnzimmertisch.
„Du hast sie beide gelesen?" fragte Christian seinen Sohn.
„Ja hab ich, aber bitte schau doch mal. Hier!" er deutete auf die oberen Zeilen der Mail. Dorthin wo Empfänger und Absender sowie das Datum stehen und die Uhrzeit. Auf den ersten Blick fiel Christian nichts auf. Wie zu erwarten standen als Absender und Empfänger jeweils ‚Ana' und ‚Christian'.
„Dad, hier." CJ zeigte auf Datum und Uhrzeit. „Die Mails sind am gleichen Tag und fast zur selben Zeit abgesendet. Außerdem, es muss die gleiche Person geschrieben haben. Der Stil ist sehr ähnlich und die gleichen Satzzeichenfehler."
CJ war schon dabei den Fake aufzudecken. Und Christian musste sich eingestehen, er war ein bisschen stolz auf ihn. Vielleicht würde sich sein größter Wunsch ja doch erfüllen und er würde einen Nachfolger aus der eigenen Familie bekommen. Ted konnte er dabei ausschließen. Der hatte schon zu seinem 12. Geburtstag verkündet, dass er einmal den Verlag übernehmen möchte. Wie seine Mutter liebt er Bücher und hat sicher bald alle Erstausgaben in der Bibliothek durch. Einige sind dazu gekommen und er verschlingt ein Buch nach dem anderen.
„Dad, ich entschuldige mich für heute Nachmittag. Ich war nicht nett zu Dir. Aber vielleicht verstehst Du mich ein bisschen. Mum hat zwar nie ein schlechtes Wort über Dich gesagt, aber Kate hat keine Gelegenheit ausgelassen Dich bei mir schlecht zu machen und ich hab ihr das alles geglaubt. Es tut mir wirklich leid."
„Das muss es nicht. Du wusstest es nicht besser. Und Kate darfst Du auch nicht böse sein. Sie mag mich einfach nicht. Und obwohl sie Deiner Mum verschwiegen hat, dass ich Zweifel am Grund ihres Verschwindens hatte, bin ich mir sicher, sie war immer der Meinung, sie tut das richtige für Deine Mum und Euch Kinder."
„Kate wusste was? Kannst Du mir das bitte genauer erklären?" Ana stand hinter ihnen und hatte dem Gespräch zwischen Vater und Sohn gelauscht.
„Ana, Kate ist eine lange Geschichte und heute schaff ich das nicht mehr. Bitte lass mich Dir das morgen erzählen. Dafür muss ich ausgeruht sein und Du solltest es auch. Ich würde jetzt liebend gerne ins Bett gehen."
„Es ist noch früh. Ich werde mit CJ noch ein bisschen laufen. War auch viel für ihn. Du weißt ja wo Dein Zimmer ist." Ana gab ihm einen kurzen Wangenkuss und er nahm sie kurz in den Arm und versteckte seine Nase in ihren Haaren. „Du riechst noch immer so gut." flüsterte er ihr ins Ohr und verlies das Wohnzimmer.
Kaum war er weg fragte CJ seine Mutter: „Schläft er bei Dir?"
„Nein, mein Schatz, dafür ist es noch zu früh. Man kann fast 9 Jahre nicht einfach so wegwischen."
„Was sagt der Doc dazu?"
„Der war nicht begeistert. Kann man ihm ja nicht verübeln."
„Aber Du liebst ihn nicht. Das wäre eh nie gut gegangen."
„Was Du so alles weißt mein Sohn." Ana musste lächeln und strich ihrem Sohn übers Haar, dass so schön weich und voll war, wie das seines Vaters und die gleiche Farbe hatte.
„Endlich verstehe ich, warum Du mich immer Little Christian genannt hast. Ich seh ihm schon verdammt ähnlich. Und bin ich wirklich so schrecklich wie er?"
„Er ist nicht schrecklich und Du schon gar nicht. Aber er hat in seinem Leben viel erlebt, das hat ihn geprägt und er kann manchmal halt nicht aus seiner Haut."
„Er sagt, Du seist wie Medizin für ihn."
„Medizin und Traumfänger. Ja, das hat er früher immer zu mir gesagt. Und irgendjemand hat ihm diese beiden Dinge weggenommen. Er muss sehr gelitten haben."
„Aber jetzt hat er Dich ja wieder."
Ana merkte, dass ihn etwas beschäftigte.
„Was beschäftigt Dich, Liebling?"
„Wird er uns mitnehmen nach Seattle? Muss ich hier weg, Mum?"
„Dazu kann ich Dir noch nichts sagen, mein Schatz. Aber eines kann ich Dir versichern: Es wird nichts passieren, gegen Euren Willen. Aber Du solltest ihm eine Chance geben und Seattle. Dort drüben ist Deine Familie CJ. Dein Bruder, Deine Großeltern, Deine Cousinen und Cousins. Wir haben dort ein riesiges Haus am Sound mit einem Steg. Dort steht ein Boot. Du liebst segeln. Wir werden für alles eine Lösung finden. Das verspreche ich Dir. Aber noch ist es eh nicht soweit."
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Anrufe mit ungeahnten Folgen
Fanfic16 Jahre ist es fast her, dass Ana Christian eine zweite Chance gab. Sie mussten einiges gemeinsam durchstehen, doch am Ende lebten sie eine Zeit lang glücklich mit ihren beiden Kindern im großen Haus am Sound. Doch dann....