Anrufe mit ungeahnten Folgen

Zeuge der Anklage

Der Gerichtsdiener begann mit der Befragung.

„Sie sind Mr. Pierre August Lamott, geboren am 30. September 1990 in Saint Louis, wohnhaft in Baltimore und Agent des FBI, ist das richtig?"

„Korrekt."

„Mr. Lamott, woher kennen sie die Angeklagte?"

„Persönlich kenne ich Mrs. Lincoln nicht. Ich hatte email Kontakt zu ihr und wir haben einmal kurz telefoniert, weil ich darauf bestanden habe."

„Warum haben sie auf diesem Gespräch bestanden?"

„Wir brauchten Ton Aufnahmen."

„Das heißt, sie haben dieses Gespräch aufgezeichnet."

„Ja, das haben wir."

„Wie kam der Kontakt zu Mrs. Lincoln zu standen."

„Ich habe die letzten 3 Jahre als Undercoveragent gearbeitet. Woran genau wir arbeiten, kann ich hier leider nicht näher erläutern, hat aber auch keine Relevanz für diesen Prozess."

„Das wurde vorab zwischen mir und ihrem Abteilungsleiter abgeklärt." sagte der Richter.

„Zu Beginn diesen Jahres haben wir einen Mann verhaftet, den wir für eine ganze Reihe Auftragsmorde in den USA und in Europa verantwortlich machen. Er arbeitet sehr gründlich, hinterläßt kaum Spuren und es war nur einem Zufall zu verdanken, dass wir ihn geschnappt haben. Da er auch für seine Auftraggeber ein Unbekannter ist, bin ich in seine Rolle geschlüpft. Im August diesen Jahres dann bekam ich per Mail den Auftrag zur Ermordung von Mrs. Anastasia Grey. Aus der Presse wusste ich, dass sie wohl nach fast 9 Jahren wieder in die USA zurück gekehrt ist und nun in New York lebt. Wir haben uns natürlich gefragt, wer ein Interesse daran hat, Mrs. Grey zu ermorden und deswegen habe ich es gewagt und meinem Auftraggeber ein Handynummer gegeben unter der er mich anrufen sollte. So kam der telefonische Kontakt zu Stande. Ich fragte die Anruferin wie sie auf mich gekommen sei und sie meinte, wir hätten bereits einmal Kontakt gehabt im Jahr 2019.

„Mr. Lamott. Konnten sie herausfinden, was 2019 zwischen dem Killer und Mrs. Lincoln gelaufen war?"

„Wir haben den Gefangenen befragt und er gab ohne zu zögern an, dass er damals einen Bodyguard von Christian Grey um die Ecke gebracht hatte und im Washington Olympic Parc verscharrt hat. Wir fanden den offenen Fall in unseren Unterlagen. Es handelt sich um den Mord an Dave Reynolds, einem ehemaligen Seal und Bodyguard von Mrs. Grey seit 2015."

„Die Unterlagen zu diesem Fall haben wir dem Gericht bereits zukommen lassen. Anklage wegen Auftrag zum Mord wird in den nächsten Tagen erfolgen." bemerkte der Staatsanwalt. Dann übernahm Carrick wieder.

„Mr. Lamott, sie hatten nun den Auftrag meine Schwiegertochter zu ermorden, was haben sie gemacht, ich nehme mal an, sie hatten nicht wirklich vor, ihr irgendwas anzutun."

„Wie in anderen Fällen davor auch, war auch hier das Vorgehen abgesprochen: Auf die Zielperson zugehen, Gespräche führen und die Person in Sicherheit bringen. Und dann letztlich den Tod inszenieren. Oder aber im besten Fall, mit dem vermeintlichen Opfer zusammen den Auftraggeber unschädlich machen.

„Haben sie das in dem Fall auch gemacht?"

„Ja, ich wusste durch die Auftraggeberin, dass Mrs. Grey in New York lebt. Die Adresse konnte sie mir auch geben. Ich bin dann zu dem Penthouse gefahren und habe geklingelt. Und ganz ehrlich: Mir ist das Herz in die Hose gefallen."

„Warum?"

„Vor mir stand nicht Mrs. Grey sondern meine Bekannte Janine."

„Was hatte ihre Bekannte Janine im Penthouse von Mrs. Grey zu suchen?"

„Die Situation war etwas komisch damals. Janine wusste nichts von meiner Tätigkeit als Undercoveragent. Ich habe sie seit mehr als 5 Jahren nicht mehr gesehen. Nur eines war mir in dem Moment klar: Sie ist mit Sicherheit nicht Mrs. Grey. Daraufhin hat sie Rücksprache mit Christian Grey gehalten und hat mich eingeweiht. Sie erzählte mir von seinem Plan Mrs. Lincoln an der Nase herum zu führen. Daraufhin war mir klar, das wahrscheinlich Mrs. Lincoln die Auftraggeberin war. Zwei Tage später habe ich mich mit Christian getroffen und wir haben beschlossen Ana sterben zu lassen um Mrs. Lincoln in Sicherheit zu wiegen."

„Ana lebt?" fragte Elena entsetzt. Ihr Anwalt hatte große Mühe sie auf ihrem Platz zu halten.

„Gerichtsdiener, legen sie bitte Mrs. Lincoln Handschellen an. Ich verwarne sie hiermit. Bitte unterbrechen sie nicht die Zeugenbefragung."

„Wo befand sich Mrs. Grey damals?"

„Sie lebte in Seattle bei ihrem Mann und den Kindern, führte allerdings eine andere Identität in der Öffentlichkeit."

„Nochmal kurz zusammen gefasst: Ihre Bekannte lebte als Ana Grey in New York und Mrs. Grey unter anderer Identität hier in Seattle.

„Das ist korrekt. Mr. Grey und sein Team hatten Angst um die Sicherheit von Mrs. Grey und haben sich deswegen diesen Rollentausch ausgedacht. In New York lebte ein Mann mit Janine im Penthouse, der sie rund um die Uhr beschützt hat."

„Wenn Mr. Grey damals schon wusste, dass Elena Lincoln eine Bedrohung für ihn und seine Familie war, warum hat er sie nicht der Polizei übergeben?"

„Als Christian diesen Plan mit dem Rollentausch machte, da hatte er noch nicht sehr viel gegen Mrs. Lincoln in der Hand. Sie wussten, das sie für das Verschwinden von Ana verantwortlich war, sie hatte Ana auch mehrfach danach gedroht aber konkretes hatten sie nicht in der Hand. Die ganzen Details zusammen zu suchen, hat Wochen gedauert. In diesen Wochen wollte Christian seine Frau in Sicherheit wissen, aber er wollte sie und die Kinder auch bei sich haben. Daher die Idee mit dem Rollentausch, solange bis man strafrechtlich verwertbares gegen Mrs. Lincoln in der Hand hatte."

„Eine letzte Frage Mr. Lamott. Wo befindet sich Mrs. Grey derzeit."

„Hier im Gerichtssaal, Euer Ehren."

„Ich bin Anastasia Rose Grey, Euer Ehren." Ana stand auf. Christian strahlte übers ganze Gesicht. Das war seine Ana. Die Frau die er über alles liebte.

„Gott, sie ist schwanger!" schrie Elena.

„Richtig Elena, ich bin schwanger. Wir bekommen unser viertes Kind. Egal was auch immer Du Dir ausdenkst, Christian und ich gehören zusammen. Wir sind eine Familie und das wirst Du niemals zerstören können." Ana stand aufrecht neben Grace und ihr war anzusehen, wie sehr sie den Sieg über Elena genoss.

„Unsere Liebe, Elena, wirst Du niemals verstehen. Sie hat alles überstanden und ist nur noch stärker als bisher."

„Euer Ehren, meine Schwiegertochter hat sich bereit erklärt hier und jetzt Rede und Antwort zu stehen zu den Vorwürfen. Allerdings geben wir zu Bedenken, dass sie im 5. Monat schwanger ist und seelischer Streß für das Kind ungesund ist. Sollte es aus Sicht des Gerichts und der Jury also nicht nötig sein, dann würden wir dafür plädieren, sie nicht in den Zeugenstand zu holen."

„Diese Entscheidung kann ich nicht alleine treffen. Daher machen wir eine kurze Pause von ca. 10 Minuten." ordnete der Richter an.

Diese 10 Minuten nutzen Christian und Ana um sich kurz in die Arme zu nehmen. Die Nähe des jeweils anderen zu spüren, bedeutete ihnen sehr viel. Sie hofften beide so sehr darauf, dass man Elena wegen all ihrer Vergehen zur Verantwortung zieht. Und dann, endlich, würden sie ein glückliches Familienleben führen können.

Als der Richter wieder hereinkam, nickte er dem Staatsanwalt kurz zu.

„Ich stelle hiermit fest, das Gericht und Jury auf eine Befragung von Mrs. Grey verzichten." sagte der Richter und sagte weiter: „Bitte Herr Staatsanwalt, ihr Abschlussplädoyer."