Anrufe mit ungeahnten Folgen

Gespräch unter Freunden

Jason Taylor POV

Was für ein verrückter Tag. Eigentlich ist es Wahnsinn, was ich hier mache. Ich müsste dringend mal schlafen. Aber ich kann Christian jetzt nicht im Stich lassen. Er braucht mich. Vielleicht mehr als in den letzten Jahren. Endlich könnte alles wieder gut sein. Irgendwie muss ich mich wach halten.

Als mein Telefon klingelt, bin ich froh. Auf der Straße ist nicht viel los. Tückisch, wenn man müde ist.

„Hey, Christian."

„Hallo Jason. Danke nochmal, dass Du das für uns tust."

„Dafür nicht Christian. Aber danke, dass Du anrufst. Ich muss wach bleiben und reden ist da nicht ganz schlecht. 4 Stunden Fahrt habe ich noch vor mir."

„Du solltest anhalten und ein paar Stunden schlafen. Vor morgen früh, kannst Du eh nichts erreichen. Ich will nicht, dass Dir wegen uns irgendwas passiert. Gail würde mich lynchen."

„Du hast Recht. Wahrscheinlich ist es besser ich halte an und suche mir was für die Nacht und fahre früh morgen weiter."

„Bitte. Mach das. Auf die paar Stunden kommt es jetzt nicht mehr an."

„Christian, willst Du mir erzählen, was Ana Dir gesagt hat?"

Die Geschichte die Christian mir dann erzählt ist so unglaublich. Wer tut sowas?

Wie versprochen halte ich in einem kleinen Ort an einem Bed und breakfast Hotel. Bevor ich zu Bett gehe, werde ich noch Gail anrufen und sie auf den neusten Stand bringen.

Carrick POV

Irgendwie finde ich gerade keine Ruhe. Dabei sollte ich mich ausruhen. Grace hat Recht. Ich weiß das. Aber ich kann nicht. Mir geht einfach zu viel im Kopf rum. Christian ist also mit Ana auf dem Weg nach Cornwall. Sie lebt dort. Mir ist unbegreiflich, warum wir sie dort nicht gefunden haben. Wir haben doch nun wirklich jeden Stein umgedreht. Aber irgendwie waren ja immer alle davon überzeugt, dass sie sich noch in den Staaten aufhält. Oder vielleicht in Kanada. Die Kreditkarten-Abbuchungen haben uns alle in die falsche Richtung gedrängt. Wenn wir uns doch nur einmal davon gelöst hätten. Oder war das bewusst von Ana so inszeniert. Damit wir ja nicht auf ihre Spur kommen.

Ich weiß, Grace und Gail brauch ich damit nicht zu kommen. Sie sind fest von der guten Ana überzeugt. Das die junge Dame niemals so etwas getan hätte. Ich hab schon andere junge Damen kennen gelernt.

Was wird wohl in Cornwall passieren? Ob dieses Kind wirklich von Christian ist? Oder hat sie ihn genau deswegen verlassen. War sie schwanger von einem anderen? Aber von wem? Ja, sicher, Christian und Ana hatten immer mal wieder ihre Schwierigkeiten, aber eigentlich dachte ich, sie liebt ihn. Das er es tut, dass haben uns die Jahre nach ihrem Verschwinden eindrucksvoll bewiesen.

Ich müsste schlafen, aber ich kann nicht. Wenn ich ehrlich bin, habe ich Angst. Angst, das Christian sich Hoffnungen macht und dann bitter enttäuscht wird. Und was soll dieser Schwachsinn, den Phoebe erzählt hat. Christian soll Ana und sie ‚abgeschoben' haben? Das ist so ein Blödsinn. Aber wahrscheinlich ist ihr einfach keine bessere Geschichte eingefallen. Ist ja auch einfach, alles auf den nicht anwesenden Vater zu schieben.

Gail und Grace versuchen zwar immer wieder mich von Ana's Unschuld zu überzeugen, aber ich kann diese Zweifel nicht abstellen. Und auch, wenn in ihrer Mail von damals nichts davon stand, vielleicht hat Christian doch seinen Teil dazu beigetragen. Er hat es zwar geschworen, aber ...kann man sich so ändern, wie er es immer wieder beteuert. Schließlich hat er 12 lange Jahre dieses abscheuliche Leben geführt. Uh, ich muss mich beruhigen. Elena, diese Schlange. Ich kann nur erahnen, was sie meinem Jungen angetan hat, aber er glaubte all die Jahre er brauche diese Schläge, die Dominanz und all die anderen perversen Sachen. Das nur Ana alleine ihn geändert haben soll. Das ist irgendwie...vor Gericht würde ich wahrscheinlich sagen: eine nicht belastbare Aussage. Eher unglaubwürdig.

Ist sie dann doch ‚geflohen'? Weggelaufen, vor der Seite von Christian, die sie nicht lieben konnte? Möglich.

Was mich ärgert ist, dass Jason Taylor offensichtlich auch völlig auf Ana abfährt. Oder er weiß mehr, als er uns all die Jahre erzählt hat. Vielleicht wissen Christian und Taylor mehr und haben uns all die Jahre nicht eingeweiht. Aber was? Am liebsten würde ich ihn anrufen. Da muss was sein, was sie uns all die Jahre verschwiegen haben. Etwas das Ana entlastet.

Mit einem Mal wird die Tür zum Wohnzimmer aufgerissen. Ich hatte es mir gerade gemütlich gemacht auf meinen bequemen großen Sessel. Die Füße in die Höhe und in Gedanken verloren.

„Jason, warte. Ich stell kurz auf Lautsprecher. Ich bin noch bei Grace und Carrick."

„Also erzähl, was weißt Du neues?"

Gebannt hören wir drei zu. Das was Jason da erzählt hört sich wie ein schlechter Kinofilm an. Wer um Gottes Willen hat daran ein Interesse? Und Ana und Phoebe sind vielleicht unheilbar krank. Daran darf ich gar nicht denken. Es würde Christian zerstören. Das wird er nicht überleben.

„Hast Du den kleinen schon gesehen?"

„Nein, leider nicht. Ich musste sofort los. Aber was Christian erzählt ist er wirklich eine kleine Ausgabe von ihm. Ich kann es immer noch nicht fassen."

„Wie fühlt Christian sich damit?"

„Es geht ihm gut. Sehr gut sogar. Im Moment versucht er zu schlafen. Aber Phoebe hab ich gesehen. Sie ist wie Ana. Aber mit Christians Augen. Daddy wird es schwer haben die Jungs von ihr fernzuhalten."

„Taylor. Glaubst Du diese Geschichte." Ich muss einfach diese Frage stellen.

„Ja, ich hab oft die letzten Jahre darüber nachgedacht. Gail wird Dir bestätige: Zwischen den beiden war alles gut. Sie hatten wieder zu ihrer alten Verbundenheit gefunden. Sie haben sich wieder Zeit füreinander genommen. Und, ich weiß, Du und Grace, ihr habt Eure Meinung zum Escala, aber Ana war glücklich. Sie strahlte jedes Mal von innen heraus. Ich bin fest überzeugt, dass irgendwer hier ein ganz böses Spiel mit den beiden treibt."

„Halte uns bitte auf dem Laufenden."

„Aber bitte, Christian hat es Grace schon gesagt. Zu niemandem ein Wort. Im Moment wissen wir nicht, wer dahinter steckt. Es könnte jeder sein. Auf jeden Fall ist es jemand, der beide sehr gut kennt."

„Das ist nicht gut."

„Nein, überhaupt nicht."

Nachdem Gail ihr Handy wieder abgelegt hat, schauen beide Frauen mich vorwurfsvoll an.

„Und, hört dass sich danach an, als hätte Ana ihn böswillig verlassen?"

„Nein." das musste ich kleinlaut zugeben.

„Aber, das entlastet sie auch nicht. Sie könnte genauso diese Mail an sich geschrieben haben."

„Carrick!" meine Frau schreit mich regelrecht an, „Das alles kann doch nicht Dein Ernst sein. Und weißt Du, warum ich das weiß? Ray. Ana hätte Ray niemals hier zurück gelassen. Er liegt ihr viel mehr am Herzen als ihre Mutter. Wenn sie hätte abhauen wollen, dann viel eher mit Ray als mit Carla."

„Das beweist aber nichts. Das ist Dein Gefühl Grace." ermahne ich sie.
„Lass endlich den Anwalt in Dir stecken!" Uh, sie ist richtig böse auf mich.

„Ich will doch nur, das Christian nicht enttäuscht wird. Es wird ihn zerstören. Das würde ich nicht ertragen."

„Glaubst Du irgendeiner von uns würde das ertragen? Niemand in dieser Familie, wird jemals wieder zulassen, dass man Christian so weh tut. ABER ANA WAR ES NICHT."

Das war deutlich.

„Carrick." Klinkt sich nun Gail in unser Gespräch ein. „Meinst Du nicht, Taylor und Christian hätten das nicht alles schon in Betracht gezogen. Aber sie haben nichts, gar nichts gefunden, das darauf hindeutet, das sie geplant hat Seattle zu verlassen. Sie haben ihren Mailverkehr, ihre Anrufe, ihre Kontakte im Verlag, wirklich alles überprüft. Sie haben nichts gefunden. Was glaubst Du, warum Christian so fertig war. Keine Antwort auf all seine Fragen zu bekommen, dass war das schlimmste für ihn. Sie haben immer mal wieder kleine Puzzelteile dieses Rätsels gefunden. Aber nicht eines davon hat Ana jemals belastet. Und Grace hat Recht. Auch wenn sie Ray am Anfang zurückgelassen hätte, er wäre irgendwann zu ihr geflogen. Die beiden lieben sich sehr. Du solltest eher Deine Kraft und Energie in die Frage stecken, wer den beiden das angetan hat. Freu Dich mit ihnen."

Vielleicht hat Gail recht. Aber noch kann ich nicht ganz loslassen von meinen Gedanken.