Kapitel 64

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Sicht Julian:
Sofort liefen Jannis und ich auf die Straße. Aus dem Auto stieg eine junge Frau, sie war allerhöchstens dreiundzwanzig. „Oh Gott ich konnte einfach nicht so schnell reagieren. Das ging alles viel zu schnell. Ich habe sie überhaupt nicht gesehen." weinte sie. Wir ignorierten sie aber völlig und stürzten zu Jo. Sie lag dort und bewegte sich nicht. Aus einer Wunde an der Stirn tropfte Blut. „Was ist passiert?" rief Jascha von der Tür aus und rannte auf uns zu. Auch Lou kam sofort zu uns. „Ich rufe einen Krankenwagen." erklärte sie direkt.
Keine fünf Minuten später liefen Rettunssanitäter, ein Notarzt und ein paar Polizisten um uns rum. Jascha wich Jo nicht eine Sekunde von der Seite. Mich völlig nutzlos fühlend stand ich neben dem Auto und versuchte irgendeinen klaren Gedanken zu fassen. „Das Handy ihrer Schwester. Es lag neben ihr auf der Straße, muss wohl aus der Tasche gefallen sein." ein Polizist drückte mir Jos Handy in die Hand. „Danke." murmelte ich. Ich spürte wie mein Handy in meiner Hosentasche vibrierte. Ich zog es raus und ging ran. Einfach um beschäftigt zu sein. „Ey Bro sag mal deiner Schwester, sie soll an ihr Handy gehen." rief Kai. Ich schluckte. „Jule?" fragte er als ich nicht antwortete. „Julian alter was ist los?" „Jo sie... sie..." „Ja?" „Kai ich hab scheiße gebaut." schluchzte ich. „Jo liegt hier und... Notarzt meinte irgendwas von sie bekommt keine Luft und sie atmet und... und ich bin schuld... Kai ich habe gesagt Menschen wie Mason Mount..." „Stopp. Sie atmet nicht?" „Ja dieser Unfall und alles und..." „Jule ich komme ja? Ich bin heute Abend bei euch. Pass auf dass Du jetzt keine scheiße machst. Bis nachher." mit diesen Worten legte er auf. Er wollte jetzt herkommen? Aus London? Einfach so? „Wir würden jetzt losfahren. Möchten sie mitkommen oder kommen sie mit ihrem Auto nach?" fragte mich plötzlich ein Typ. „Äh was? Ja ich komme mit."

Völlig neben mir saß ich im weißen Krankenhausflur auf einem unbequemen Stuhl und wartete darauf, dass uns endlich jemand sagte, was mit Jo war. Jascha saß völlig emotionslos neben mir und starrte an die Wand. Ich hörte Schritte den Gang entlanglaufen und dann Stimmen. „Jascha! Julian!" Ich drehte meinen Kopf. Unsere Eltern kamen auf uns zu gelaufen. Ich stand auf und umarmte Mum. „Wo ist eure Schwester?" „da drin." ich zeigte auf eine Tür uns gegenüber. „Keine Ahnung was jetzt ist. Die sagen uns nichts weil wir ja nur die Brüder sind. Jannis ist der einzige der irgendwas rafft." „Uns wo ist der?" fragte unsere Vater und setzte sich. „Kaffee holen." Mum nickte und kniete sich dann vor Jascha um ihn zu umarmen. Sofort klammerte er sich wie ein kleines Kind an sie und fing an zu schluchzen. „Ich habe Angst." hörte ich ihn leise flüstern. „Alles wird gut. Wir sind hier und reden gleich mit dem zuständigen Arzt. Sie schafft das." versuchte Mum ihn zu beruhigen. „Wie seid ihr eigentlich so schnell hier hin gekommen?" fragte ich schließlich. „Schnell? Wir haben fünf Stunden gebraucht." erklärte Dad uns. Überrascht sah ich ihn an. So lange saß wir hier schon.
Endlich öffnete sich die Tür uns gegenüber und er Arzt kam auf uns zu. Jannis war inzwischen mit Kaffee zurück gekehrt und hatte Mum damit wahrscheinlich das Leben gerettet. „Sie sind die Eltern?" fragte er. Dad nickte. Ich driftete wieder völlig ab, wurde aber von Jannis zurück in die Realität geholt. Er griff nach meinem Arm und zog mich mit zu einer Tür.
Als wir eintraten stockte ich. Meine Schwester lag dort, verkabelt, überall um sie herum Schläuche und sie selbst war weiß wie die Wand. Jascha stürmte sofort zu ihr und ließ sich neben ihrem Bett auf eine Stuhl fallen. Mum trat an die andere Seite des Bettes und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Jannis und ich blieben einfach in der Tür stehen. Dieser Anblick zeigte mir nochmal mehr, was ich angerichtet hatte. Ich hätte durch meine Dummheit fast meine Schwester umgebracht. Verloren hatte ich sie aber auf jeden Fall. Durch meinen völlig unüberlegten Spruch über sie und Mason. „Was ist denn jetzt mit ihr?" fragte ich leise. „Das hat der zuständige Arzt gerade alles erklärt." meinte Jannis mit kaltem Unterton, der offensichtlich auch unseren Eltern nicht entging. „Was auch immer mit euch allen los ist, solange wir hier sind ist das jetzt mal egal klar? Eure Schwester wurde gerade notoperiert und da sind eure Probleme miteinander gerade mal unwichtig."
Da öffnete sich wieder die Tür und mein bester Freund trat ein. Sofort nahm er mich in den Arm. „Du bist ja echt gekommen." flüsterte ich überrascht. „Natürlich." er sah mir vorbei zum Bett und wurde blass. „Ich dachte du hättest einfach nur übertrieben weil du in dem Moment Panik hattest." flüsterte er. Mum kam auf uns zu um Kai zu umarmen. „Wie schön, dass du hier bist." „Was ist überhaupt passiert?" fragte er und setzte sich zu Jascha an Jos Bett. Dieser hatte inzwischen seinen Kopf neben dem seiner Zwillingsschwester abgelegt und hielt ihren Arm fest umklammert. „Wir haben uns gestritten und Jo ist auf die Straße gelaufen. Da wurde sie dann von einem Auto angefahren. Mehr kann ich dir nicht sagen, ich habe nicht aufgepasst." erklärte ich und ließ mich auf einen Stuhl fallen. „Sie wurde eben notoperiert und jetzt in ein künstliches Koma versetzt. Sie hat ein paar Rippen gebrochen und ein Schädel-Hirn-Trauma. Voraussichtlich wird sie in drei bis vier Tagen aufwachen." ergänzte Jannis. „Jungs ich weiß, dass ihr euch Vorwürfe macht und hier nicht weg wollt. Aber euer Vater und ich würde schon mal zu Julian nach Hause fahren und ihr kommt dann bitte nach. Sie ist außer Gefahr und wir können hier gerade nichts tun. Außerdem seht ihr aus, als könntet ihr Schlaf gebrauchen. Und so wie ich es verstanden habe habt ihr heute außer Kaffee nichts zu euch genommen. Ich koche was und seid bitte in spätestens zwei Stunden da, ja?" wir nickten alle einfach nur. „Ich komme direkt mit." erklärte Jannis. Er drückte mir seine Autoschlüssel in die Hand. „Damit ihr nach Hause kommt." „Danke." die drei verließen den Raum und Kai, Jascha und ich blieben alleine zurück. „Kai?" fragte Jascha irgendwann in die Stille. „Was ist Jo für dich?" Kai verschluckte sich an seinem Kaffee und sah ihn überrascht an. „Sie hat mir erzählt, dass du meintest du willst nicht ihr bester Freund sein. Gestern Abend. Bevor Julian und Luana..." „Ja reicht dann auch." unterbrach ich ihn. Kai sah mich neugierig an. „Wir gehen raus und ich erzähle es dir okay?" schlug ich vor. „Hinterm Krankenhaus ist ein Park, da können wir hin."

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