Er blieb bei einem kleinen Foto von Ilay im Wohnzimmer hängen. Ich kam gerade mit dem Tee und sah ihm zu wie er das Bild aufmerksam betrachtete. Ich stellte die Tassen auf den Couchtisch und ließ mich auf das große Sofa fallen. Johannes setzte sich neben mich. Ich spürte die Frage die in ihm brannte und sagte dann: "Ja, das ist Levis Vater". Johannes lachte nervös. "Das hab ich mir schon gedacht. Levi ist ihm sehr ähnlich", sagte er dann. Ich nickte und blickte auf das Bild. "Ja sehr. Und das nicht nur vom Aussehen. Er hat so viele Eigenschaften von seinem Vater und je älter er wird, desto ähnlicher wird er Ilay. Das Tennistalent hat er auch von ihm. Ilay hat das Tennis spielen geliebt", sagte ich verträumt. Johannes nippte an seinem Tee und fragte dann: "Darf ich fragen wie das mit Levi passiert ist? Ich meine du musst ja noch sehr jung gewesen sein".
Ich dachte zurück und spürte das nostalgische Gefühl in meinem Bauch. Aus irgendeinem Grund vertraute ich Johannes und fing an zu erzählen: "Naja, ich bin in der neunten Klasse mit Levis Vater zusammengekommen und bei Gott, ich hab den Kerl geliebt. Ich dachte ich würde mein Leben mit ihm verbringen. Er war humorvoll, spontan, kinderlieb und hatte so viele tolle Eigenschaften. Wir haben dann zusammen den Abschluss gemacht. Er wollte dann eine Ausbildung zum Maler machen. Ich wollte eigentlich auch direkt eine Ausbildung machen, aber ich wollte vorher nochmal ein wenig reisen. Ich bin halb Spanierin und halb Brasilianerin. Ich hab bis zur ersten Klasse in Sao Paulo gewohnt und bin dann mit meinen Eltern nach Madrid gezogen. Als ich in die fünfte Klasse kam, sind wir nach Deutschland gekommen. Ich wusste, dass ich wieder zurück nach Spanien wollte, also bin ich nach dem Abschluss zurück nach Madrid und hab bei meiner Abuela gewohnt. Die hat ein kleines Restaurant in dem ich dann gejobt hab. Ilay und ich haben uns regelmäßig gesehen. Levi war sicher nicht eingeplant, aber wir haben verhütet also sollte es ganz offensichtlich so sein. Bei einem Besuch in Deutschland hab ich es dann gemerkt. Ich hab ihm angerufen und gesagt er solle kommen da ich Neuigkeiten habe und er wollte kommen. Und auf dem Weg zu mir ist ihm ein betrunkener Mann ins Auto gefahren. Er war sofort tot".
Ich kam nicht umhin zu spüren wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Johannes atmete tief durch. "Das heißt er hat nie erfahren das er Vater wird?", hakte er nach. Ich schüttelte den Kopf. Als mir eine Träne über die Wange rollte, rückte Johannes näher zu mir und nahm mich in Arm. Er drückte mich fest an sich. Lange hatte mich niemand mehr so umarmt. Ich konnte seine Muskeln spüren und roch sein Parfüm. Ich schloss die Augen und genoss die Umarmung. Keiner von uns dachte daran, dass er mein Lehrer war, aber das auf auch gut so. Immerhin war es nur eine Umarmung und kein Kuss oder so.
"Wie hast du das mit Levi so allein geschafft?", fragte er irgendwann als er mich wieder losgelassen hatte. Ich verkniffen mir weitere Tränen und sagte dann: "Ich bin ehrlich. Ich hab keine Ahnung. Vielleicht bin ich zu Mama Bär geworden oder so. Ilay hat von seiner Großmutter ein Haus und ein ordentliches bisschen Geld geerbt. Wir wollten es eigentlich gemeinsam renovieren und einziehen. Nach seinem Tod ist sein Besitz an mich gegangen. Ich hab dann meinen Job in Spanien aufgegeben und bin hier in Deutschland geblieben. Ich hab während meiner Schwangerschaft das obere Stockwerk renoviert, dann die alte Wohnung gekündigt und bin hier eingezogen. Als Levi älter war hab ich das Erdgeschoss renoviert und vermietet, so dass ich Geld verdient hab. Ja und jetzt bin ich hier". Johannes seufzte: "Wow, ich hab den allergrößten Respekt vor dir. Wirklich. Wie ich das sehe hast du deinen Sohn wunderbar hinbekommen und hast allen Grund stolz zu sein".
Es war spät als Johannes ging. Wir hatten über Gott und Welt geredet. Als wir uns verabschiedeten gab er mir einen kleinen Kuss auf die Wange und ging.
Bevor ich schlafen ging setzte ich mich vor Levis Bett und beobachtete ihn beim Schlafen. Ich strich ihm die Haare aus seiner Stirn und dachte an Johannes.
Bis ich in einen tiefen Schlaf fiel dachte ich an Johannes.
Am nächsten Morgen war ich wahnsinnig erledigt. Ich war viel zu lange wach gewesen. Levi dagegen war bis obenhin vollgepumpt mit Energie.
Nach dem Frühstück kümmerte ich mich um unser Auto. Immerhin musste ich am Montag irgendwie wieder in die Schule kommen. Also rief ich in der Werkstatt an und brachte die Reparatur in Gang. Es dauerte nicht lange bis ich wusste, dass es nichts dramatisches war.
Noch am selben Tag konnten wir unser Auto abholen und fuhren dann in Supermarkt. Ich sah Levi dabei zu wie er selbstbestimmt durch die Regalreihen lief und die Dinge die wir brauchten zusammensuchte. Wir nahmen direkt Zutaten für das Abendessen mit. Wir wollten eine Gemüsepfanne mit Hühnchen machen. "Aber ohne Tomate", forderte Levi. Gekochte Tomaten an denen sich noch die Haut befand hatte er noch nie gemocht.
Bei der Zubereitung des Abendessens half er tatkräftig mit. Ihm lag das Kochen im Blut. Eine weitere Eigenschaft die er von seinem Vater geerbt hatte.
Am Sonntag gingen wir zusammen auf den Spielplatz. Levi entdeckte sofort zwei seiner Freunde. Während er mit Matteo und Leon zum Klettergerüst rannte, stellte ich mich zur Muttergruppe dazu. Ich konnte mit den meisten Müttern nicht viel anfangen, denn abgesehen von Elena behandelten mich die meisten ein wenig von oben herab. In der Schule war ich zwar der alte Hase, aber unter den ganzen Muttis von denen fast alle über dreißig waren, war ich das kleine Küken. Bei Leons Mutter wusste ich genau wie sehr sie sich das Maul über mich zerreißen konnte. Mutter geworden mit 18 Jahren und dann auch noch unverheiratet. Für sie war ich das perfekte Lästerobjekt.
Eigentlich tangierte es mich nicht. Ich kam mit ihnen aus, immerhin waren sie die Mütter der Freunde meines Sohnes, aber ich war nicht darauf aus, dass irgendeine von ihnen meine neuste BFF wurde.

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Two Miles apart
RomanceTwo Miles apart, eine Geschichte über eine junge Frau inmitten ihrer zwanziger, deren Leben sich um 180° dreht, als sie sich Hals über Kopf in einen Mann verliebt. Die Hürden die ihre Beziehung bereitstellt, scheinen durch das Schüler-Lehrer Verhält...