Chapter 24

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Kurz nachdem Abuela wieder abgereist war, hatte ich in Levi's Kita Elterntag. Der Tag an dem alle Eltern der künftigen Schulanfängern kamen. Ich war froh, dass ich mit Elena hingehen konnte, denn ich hatte keine Lust den ganzen Muttis alleine zu begegnen. Levi blieb bei Johannes, während Elena und ich gemeinsam in den Kindergarten fuhren.

Im Turnraum der Kita hatten die für die Schulanfängergruppe zuständigen Erzieher eine Leinwand für die PowerPoint vorbereitet. Ich setzte mich neben Elena auf eine der Holzbänke und lauschte dem Vortrag einer Erzieherin darüber, wie die Schulanfängerzeit ablaufen würde.

Danach ging ich mit Elena essen. Sie hatte das Restaurant zwei Straßen weiter vorgeschlagen. Die Mädelsabende fanden nur halb so regelmäßig wie ich es mir wünschte statt.

Als ich nach Hause kam, war Levi schon längst im Bett und Johannes saß am Schreibtisch und korrigierte Klassenarbeiten. „Hast du unsere schon durch?", fragte ich nachdem ich ihn kurz geküsst hatte. Er nickte. „Und?", fragte ich. Ich hatte nicht gerade sonderlich große Erwartungen an meine eigenen Leistungen, denn Mathe hatte noch nie zu meinen Stärken gehört. Johannes grinste leicht. „Eine glatte fünf", sagte er dann. Ich lachte lauthals los. Sowas in der Art hatte ich erwartet. Ich setzte mich auf das Sofa und blätterte eines der Magazine auf dem Couchtisch durch.

Wenig später gesellte sich Johannes zu mir. Wir schalteten unsere Serie ein und machten es uns gemütlich. Gerade als das Intro lief, ertönte aus Levi's Zimmer ein lauter Schrei. Augenblicklich stand ich auf und rannte los. Als ich die Tür öffnete lag er mit geschlossenen Augen da und weinte. Er schien zu träumen und noch bevor ich ihn aufwecken konnte, fing er erneut an zu schreien und um sich zu schlagen. Ihn so zu sehen jagte mir einen riesigen Schrecken ein. Erst als er nicht mehr so fest um sich schlug schaffte ich es, ihn aufzuwecken. Er sah mich total verstört an und schien nicht zu realisieren, dass er wieder in der Realität angelangt war. Ich zog ihn in meine Arme und nahm ihn mit ins Wohnzimmer.

Eigentlich hatte ich erwartet, dass er sich wieder beruhigen würde, doch er steigerte sich immer mehr hinein und ließ sich kaum beruhigen. Johannes und ich hatten Schwierigkeiten mit der Situation. Alles was wir sagten und versuchten um Levi zu beruhigen, schien komplett an ihm vorbeizugehen. Zwischen seinen herzzerreißenden Schluchzern schaffte er es kaum noch Luft zu holen. Er klammerte sich fest an mich. Seine Nägel schnitten in meine Haut und ich konnte seinen Körper beben spüren. Ich wusste nicht was mit ihm los war und was er geträumt hatte und da ich ihm nicht wirklich helfen konnte, hatte ich selbst meine Probleme nicht los zu weinen.

Minutenlang ging es so weiter. Er schien immer weniger Luft zu holen und fing irgendwann ganz erschöpft an zu husten und würgen. Gerade noch rechtzeitig schaffte es Johannes einen Eimer zu holen und ihn unter Levi zu halten. Denn der übergab sich völlig entkräftet. Kurz hatte ich die Hoffnung, dass es danach besser sein würde, doch er weinte nur noch mehr.

„Ich glaub ich will mit ihm ins Krankenhaus. Ich weiß nicht was los ist. Ich kann ihn nicht beruhigen und er atmet nicht mehr richtig, die müssen ihm was geben", sagte ich mit zitternder, hilfloser Stimme. Johannes nickte.

Wenige Minuten später fuhren wir um den Krankenhausparkplatz. Levi hatte sich kein bisschen beruhigt. Stattdessen hatte er sich erneut übergeben. Die anderen Menschen sahen uns neugierig an, als wir an ihnen vorbei in die Notaufnahme ging. Ich versuchte der Frau an der Patientenaufnahme zu erklären weshalb wir da waren, doch aus mir kamen nur wirre Worte. Johannes erklärte es ihr ein wenig gefasster und sie brachte uns in eines der Behandlungszimmer.

Ich wurde nur noch nervöser, als der Arzt auf sich warten ließ. Mein Sohn blutete zwar nicht, aber ich hatte Sorgen, dass er ersticken würde, wenn ihm nicht sofort jemand helfen würde. Mir flossen mittlerweile selbst die Tränen über das Gesicht und ich versuchte Levi und mich zu beruhigen, in dem ich leise ein spanisches Lied summte. Johannes lehnte mit schneeweißem Gesicht an der Wand.

Schließlich kam doch noch ein Arzt. Ein großer Mann mit Geheimratsecken, grauen Haaren, Brille und einem kleinen Bauch. Johannes antwortete monoton auf die Fragen des Arztes, der Levi dann eine Beruhigungsspritze gab. Das Zittern des kleinen Körpers in meinen Armen wurde weniger bis es nach einigen Minuten ganz aufhörte. Levi schlief ein und zurück blieben die vielen Tränen in seinem Gesicht.

„Würden sie ihn eventuell kurz hier hinlegen, ich würde ihn gern einmal untersuchen", sagte der Arzt. Ich sah ihn misstrauisch an. Ich wollte meinen Sohn der gerade so hilflos gewesen war nicht aus meinen Armen legen. Ich sah den älteren Mann starr an ohne die Anstalten zu machen ihn hinzulegen, während mir weiter die Tränen herunterflossen. Der Arzt sah hilfesuchend zu Johannes der auf mich zu kam. Er nahm mich so gut es ging in die Arme und flüsterte mir leise ins Ohr: „Er möchte ihm helfen. Er macht Levi nichts und du kannst immer dabei bleiben. Ich nehme in dir jetzt aus dem Arm, okay?". Ergeben nickte ich. Johannes tat wie gesagt und nahm mich dann fest in den Arm.

„Ist so etwas schon einmal passiert?", fragte der Arzt während er Levi's Lunge abhorchte. Ich schüttelte den Kopf und auf die Aufforderung erzählte Johannes ihm nochmal was passiert war. „Haben sie ihn schonmal auf Asthma testen lassen?", fragte er dann weiter. Wieder schüttelte ich den Kopf. „Mir gefallen die Lungengeräusche nicht. ich würde gern ein ausführliches Blutbild machen lassen und eine Spirometrie-Untersuchung. Vielleicht bleibt er einfach über Nacht hier. Einer von ihnen kann selbstverständlich auch da bleiben", sagte er dann. Ich nickte.

Wehrlos sah ich dabei zu wie Krankenschwestern ihn auf die Station brachten, ihm Blut abnahmen und ihn an eine Infusion anschlossen.

Two Miles apartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt