Am Sonntag war Levi zum Spielen bei Elenas Sohn Matteo. Ich nutzte die Zeit und setzte sich mit meinem Laptop und einer Decke in die Hängeschaukel auf den Balkon. Während die Herbststrahlen mein Gesicht kitzelten, recherchierte ich im Internet wegen dem Tennis.
Die Seite des Vereins hatte ich schnell gefunden, allerdings war die Website etwas veraltet, also dauerte es bis ich mich zurecht fand. Nach einigen Minuten wurde ich fündig. Ich fand heraus, dass ich Levi bei einem Jugendwart für ein Probetraining anmelden musste und der dann bestimmen würde ob er bereit wäre. Also musste ich nur noch herausfinden wer Jugendwart war. Ich klickte mich durch die Website und stieß dann auf die Übersicht. Offenbar gab es nur einen und der Mann der auf dem Bild war kam mir äußerst bekannt vor. Erstaunt schnappte schnappte ich nach Luft. Ein Mann mit blonden Haaren, einem Drei-Tage Bart und blauen Augen war darauf abgebildet und nebendran war sein Name. Es war eindeutig. Mein Sport- und Mathelehrer. Geradezu paradox. Aufgewühlt stieß ich einen lauten Lacher aus und schlug mir die Hand auf den Mund, als ich sah wie der grauhaarige, alte Mann von gegenüber aufgeschreckt zu mir hinüber sah.
Ich rieb mir das Gesicht. Ich konnte doch nicht die Schule, besser gesagt meine Lehrer mit meinem Privatleben vermischen. Ich googelte weiter. Meine Zehen tippten nervös auf den grau gefliest Balkon Boden während ich die Suchmaschiene nach weiteren Tennisvereinen in der Nähe durchstöberte. Doch der nächste Verein lag fast 50 Kilometer von unserer Wohnung entfernt und nach meinem Empfinden war dies keine angemesse Lösung. Also landete ich wieder auf der Website des örtlichen Vereins. Nachdenklich klickte ich auf dem Mousepad herum, entfernte dann alle Tabs und schloss meinen Laptop. Ich lehnte mich zurück und beobachtete die Amseln im Kastanienbaum auf der anderen Straßenseite.
Eigentlich gab es nicht viel zu überlegen. Es war der einzige Weg Levi seinen Traum zu erfüllen und es stand außer Frage es nicht zu tun. Ich würde meinen Lehrer ansprechen müssen, ob ich wollte oder nicht.
Zwei Tage später war es so weit. In den letzten beiden Stunden hatten wir Mathe bei ihm. Ich war aufgeregt. Immerhin sprach man nicht jeden Tag einen Lehrer wegen privaten Angelegenheiten an.
"Entschuldigen Sie Herr Schulte, hätten Sie eventuell einen Moment Zeit für mich?", fragte ich. Gott sei Dank war das leichte Zittern meiner Stimme kaum hörbar. "Aber sicher, was ist denn los?", erwiderte er mit seiner tiefen, aber weichen Stimme. Sein Bart zuckte beim Sprechen. "Es tut mir sehr leid das ich sie mit privaten Angelegenheiten behelligen muss, jedoch komme ich nicht umhin. Ehm- mein Sohn ist gerade fünf Jahre alt geworden und ich habe ihm versprochen, dass wenn er fünf ist, er Tennis lernen darf. Ich hab mich dann auf der Website des Tennisvereins bei uns im Ort schlau gemacht und bin dann im Zusammenhang mit einer eventuellen Anmeldung auf Sie gestoßen. Wie Sie sicher selbst wissen, gibt es in der Nähe keinen anderen Verein, dementsprechend musste ich nun doch Sie ansprechen. Es kam mir einfacher vor als Ihnen eine Mail zu schreiben", sagte ich dann.
Für einen Moment herrschte Funkstille. Keine Ahnung ob er diese Information selbst erst verdauen musste, aber in jedem Fall sah er überrascht aus.
"Sie haben einen Sohn? Wie alt sind Sie denn?", stellte er dann die Gegenfrage. Ich lächelte leicht und entgegnete: "Ja ich weiß, für die meisten hier ist das hier eine Überraschung gewesen. Ich bin 23". Herr Schulte nickte. Er sah beeindruckt aus. "Ich würde mal mit dem Schulleiter sprechen, ich möchte keine Probleme bekommen weil ich irgendetwas unangemessenes tue, aber in Anbetracht dessen, dass Sie bereits volljährig sind, es um ihren Sohn geht und das nichts mit der Schule zu tun hat, denke ich wird es keine Probleme geben. Ich würde Ihnen einfach in der nächsten Stunde Bescheid geben", sagte er dann.Ich atmete erleichtert aus. Eigentlich hatte er Recht. Es hatte nichts mit der Schule zu tun und deshalb gab es auch keinen Grund das private mit dem schulischen zu vermischen.
"Mamaaaa?", fragte Levi mit einem scheinheiligen Grinsen. Ich wusste augenblicklich, dass er etwas wollte. "Jaaa?", fragte ich nach. "Was ist jetzt mit Tennis?", fragte er. Lachend erwiderte ich: "Ja mein Schatz. Ich kümmere mich gerade darum. Du musst noch ein paar Tage Geduld haben".
Als Levi im Bett war kramte ich den grauen Pappkarton unter meinem Bett hervor. Alle meine liebsten Erinnerungen von Ilay waren darin, darunter ein Brief, ein Schlüsselanhänger und viele Fotos. Auch der Schwangerschaftstest von Levi lag darin. Das kleine rote Plus war schon lange verschwunden und doch fühlte es sich an, als hätte ich den positiven Test erst gestern in der Hand gehalten. Ich sah die Fotos andächtig durch. Ich konnte dem altbekannten Kloß im Hals spüren. Aber ich hatte keine Zeit schwach zu sein. Für Levi konnte ich nicht schwach sein, also wischte ich die Träne die mir über die Wange rollte schnell wieder weg. Ich blieb bei einem bestimmten Foto hängen. Ilay war darauf zu sehen. Er stand mit seinen Sportklamotten und seinem Tennisschläger in der Hand auf dem Tennisplatz und lachte in die Kamera. Mir kam dieses Lächeln altbekannt und doch so fremd vor. Ich roch an dem kleinen Teddy. Er war jahrelang der Anhänger von Ilays Schlüssel gewesen. Aber er roch schon so lange nicht mehr nach Ilay. Mit den Jahren hatte er den Geruch der Pappschachtel angenommen. Auch das Oberteil welches ich behalten hatte, roch nicht mehr nach ihm. Es lag in der hintersten Ecke meines Kleiderschrankes.
Es war spät bis ich es in mein Bett schaffte. Viel zu lange hatte ich auf dem Teppich vor meinem Bett gehockt und in Erinnerungen geschwelgt.
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Two Miles apart
RomanceTwo Miles apart, eine Geschichte über eine junge Frau inmitten ihrer zwanziger, deren Leben sich um 180° dreht, als sie sich Hals über Kopf in einen Mann verliebt. Die Hürden die ihre Beziehung bereitstellt, scheinen durch das Schüler-Lehrer Verhält...