Das Wetter hatte umgeschlagen. Schlechtes Oktoberwetter. Es regnete fast ohne Unterlass und die Blätter fielen von den Bäumen. Langsam wurde es kahl und die Tage immer kürzer.
Emilia, Linnea, Jamie und ich wurden immer enger miteinander. Es machte mir wenig aus das sie sechs Jahre jünger als ich waren. Es machte Spaß wie zu meiner Realschulzeit wieder über Jungs zu reden, ein bisschen zu lästern und einfach mal hemmungslos zu motzen. Zu motzen gab es eigentlich nicht viel, aber es war trotzdem lustig.
Seit unserem Tee Abend hatte sich das Verhältnis zwischen Johannes und mir ordentlich geändert. In der Schule war er nur mein Lehrer, aber wenn wir uns außerhalb sahen, dann gingen wir sehr vertraut miteinander um. Ich genoss seine Gesellschaft. Wir hatten angefangen öfter mal etwas miteinander zu unternehmen und sei es nur etwas im Vereinsheim zu trinken. Daran gab es auch nichts auszusetzen. Immerhin trafen wir uns nur. Allerdings hatte ich in seiner Anwesenheit so ein bestimmtes Gefühl. Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich lächelte fast dauerhaft. Ich kannte dieses Gefühl und doch konnte ich es nicht benennen. Ich hatte nur eine wage Vermutung, dass ich dieses Gefühl ganz schnell wieder vergessen sollte.
Stattdessen versuchte ich mich voll und ganz auf die Schule und die Arbeit zu konzentrieren. Die ersten Klausuren standen an, ich musste die ersten Berichte abgeben und bei der Arbeit fand ich langsam meine Rolle. Die Kinder fingen an sich an mich zu gewöhnen und freuten sich wenn ich kam.
Auch wenn ich versuchte mich abzulenken, funktionierte es nicht ganz. Ich träumte sogar schon von Johannes. Ich muss zugeben, dass ich mich ein wenig verliebt hatte. Kein Gefühl das ich haben wollte, aber es war halt so. Ich verbot mir es zuzulassen, denn es war nicht der Rede wert, wenn ich davon träumte wie wir uns küssten, aber das hatte nichts mit der Realität zu tun. Zwar wäre es nicht illegal, aber der Schulleiter würde es nicht gutheißen. Also schob ich dies auf die Seite und fokussierte mich auf die Realität.
Ich blieb mittlerweile nicht mehr beim Training dabei wenn Levi Tennis hatte. Er hatte Freunde gefunden und brauchte mich nicht immer in seiner Nähe. Das kam mir zugute. So hatte ich die Möglichkeit ein wenig Abstand von Johannes zu nehmen. Johannes dagegen vermittelte mir den Eindruck, als wäre er nicht so glücklich darüber. Immer wieder sah er mich nachdenklich an und versuchte mich abzufangen wenn ich Levi brachte oder wieder abholte.
Anfang November schaffte er es dann doch. Er hatte sein Auto neben mir geparkt und kam zur selben Zeit aus dem Schulgebäude wie ich. Sonst parkte er immer in der Tiefgarage, dem Platz der den Lehrern vorbehalten war, doch offenbar war sie voll gewesen. "Hey", sagte er zögerlich. "Hey", antwortete ich. "Hast du vielleicht Lust mal wieder was zu machen?", fragte er. Ich dachte kurz nach, aber ich wollte nicht den Eindruck erwecken, als hätte ich Gefühle für ihn und nickte. Also lud er Levi und mich für Samstag zu sich zum Essen ein.
Levi freute sich. Er mochte Johannes sehr. "Hallo!", rief er glücklich und umarmte Johannes stürmisch als wir eintraten. Dann zog er sich die Schuhe aus und rannte in die Küche um in den Topf zu schauen. Er war neugierig auf das Abendessen. Er wusste schon wo die Küche war, denn ein paar Wochen zuvor waren wir schon einmal bei ihm gewesen.
Ich umarmte Johannes kurz, er gab mir ein Küsschen auf die Wange und wir liefen Levi hinterher. Der hatte sich schon ein Stuhl beschafft und stand nun darauf um besser in den Topf schauen zu können. "Jaaa, es gibt Paella", freute er sich dann. Ich sah erstaunt zu Johannes der sich stolz das Grinsen verkniff. Paella, ein spanisches Nationalgericht und unser Lieblingsessen. Johannes hatte mir zugehört und es extra für uns gekocht.Die Paella schmeckte wirklich genial. Der Reis war auf den Punkt gekocht, die Garnelen noch saftig und nicht trocken und das Gemüse leicht angebraten.
Als wir fertig waren mit Essen war ich pappsatt. Wir spielten gemeinsam ein paar Runden Uno. Danach durfte sich Levi eine Folge Dragons ansehen, während Johannes und ich am Esstisch sitzen blieben und ein gutes Glas Gutedel Wein tranken.
Wir redeten sehr lange miteinander. Ich erzählte ihm ein wenig von der Kita und den Herausforderungen mit denen ich gerade zu kämpfen hatte.
Irgendwann kletterte Levi auf meinen Schoß und kuschelte sich an mich. Nur wenige Minuten später atmete er gleichmäßig und als ich ihn ansah, konnte ich sehen dass er tief und fest schlief. "Okay ich glaub wir müssen jetzt gehen", stellte ich dann fest. "Ihr könnt auch hier schlafen. Das ist doch blöd wenn du jetzt noch fahren musst, es ist schon spät und bis du ihn im Auto und im Bett hast dauert das ja ewig. Im Gästezimmer steht ein Bett, da kannst du ihn gern hinlegen", schlug Johannes vor. Ergeben nickte ich. Eigentlich hatte er ja recht. Also trug ich Levi ins Bett. Als ich ihn hinlegte, bemerkte ich, dass das Bett nur ein Einzelbett war, also konnte ich mich später eher schlecht zu ihm legen. Aber ich schob den Gedanken wieder beiseite und ging zurück ins Wohnzimmer.
"Hast du Lust noch einen Film zu schauen?", fragte Johannes. Ich nickte und setzte mich neben ihn auf das Sofa. Er machte einen klischeehaften, deutschen Film an. Ein Film mit Til Schweiger und Matthias Schweighöfer. Wir hatten noch nicht einmal die Mitte des Filmes erreicht, da merkte ich wie ich immer müder wurde und ohne großartig darüber nachzudenken, kuschelte ich mich an Johannes. Ich bemerkte sein leichtes Grinsen als er seinen Arm um mich legte und mich an sich drückte.
Den Rest des Filmes bekam ich nicht mehr richtig mit. "Luna? Hör mal, wie wäre es wenn du in mein Bett wanderst? Ich mach es mir dann hier gemütlich", flüsterte Johannes irgendwann. Verschlafen schaute ich ihn an und erwiderte empört: "Ganz sicher nicht. Also wenn schon schlaf ich hier und du gehst in dein Bett". Er schüttelte bestimmt den Kopf: "Nein. Entweder ich schlafe auf dem Sofa oder wir schlafen beide in meinem Bett, aber du schläfst nicht auf dem Sofa. So gemütlich ist das nämlich nicht".
Ich setzte mich auf, rieb mir die Augen, gähnte und stand dann entschlossen auf. "Gut, dann schlafen wir halt beide in deinem Bett", sagte ich dann. Es musste der Wein sein der aus mir sprach.
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Two Miles apart
RomanceTwo Miles apart, eine Geschichte über eine junge Frau inmitten ihrer zwanziger, deren Leben sich um 180° dreht, als sie sich Hals über Kopf in einen Mann verliebt. Die Hürden die ihre Beziehung bereitstellt, scheinen durch das Schüler-Lehrer Verhält...