Chapter 15

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Heiligabend war wie in den letzten Jahren auch. Zumindest was das Wetter betraf. Die Sonne schien mit aller Kraft vom Himmel und das Thermostat schoss auf satte 12 Grad.

In der Wohnung roch es weihnachtlich. Levi und Johannes hatten gestern einen Tannenbaum geholt und wir hatten ihn weihnachtlich dekoriert. In der Küche standen gefüllte Keksdosen und im Fenster die Kerzen. Ich mochte Weihnachten nicht so sehr, doch Levi zuliebe hatten wir es immer mit allem drum und dran gefeiert.

Heiligabend wollten wir zu dritt verbringen. Am ersten Weihnachtstag waren wir bei Johannes Familie zum Mittagessen eingeladen. Seine Familie wusste von mir und freute sich mich kennenzulernen. Am Abend wollten wir dann nach Madrid fliegen, denn ich hatte Weihnachten immer bei meiner Abuela verbracht und wollte, dass Johannes sie kennenlernte. Aus diesem Grund lagen im ganzen Schlafzimmer verstreut Klamotten, Koffer und andere Reiseutensilien.

Vor dem Abendessen machten wir einen Spaziergang durch die Straßen im Ort. Levi lief zwischen uns und hielt jeweils eine Hand. Wir besahen die hell erleuchteten Fenster und Häuser.

Zum Abendessen gab es eine typische Weihnachtsgans mit Gemüse, Kartoffeln, Soßen und Salat. Ich beobachtete Levi. Immer wieder linste er aufgeregt zu den Geschenken unter dem Weihnachtsbaum. Seine Bäckchen waren rot wie ein Winterapfel und seine Augen funkelten.

Es war unser erstes Weihnachten zu dritt. Levi schien es nicht zu stören. Ich hatte das Gefühl, dass er nicht einmal daran gedacht hatte. Allgemein hatte er Johannes mehr als gut akzeptiert. Er liebte es, wenn sie gemeinsam Fußball oder Tennis spielten oder einfach nur mit ihm herumalberte. Es hätte nicht besser sein können.

Ich hatte Levi eine Rennstrecke mit Autos gekauft. Johannes hatte drauf bestanden, ihm ebenfalls ein Geschenk zu machen, also bekam Levi außerdem neue Tennisschuhe. Es war genau das Paar, das er im Schaufenster des Schuhladens in der Stadt immer begutachtet hatte.
Von Johannes bekam ich ein kleines Schächtelchen. Ich öffnete die Schatulle und erblickte eine Kette mit einem kleinen, blau glitzernden Herzchen. Ich freute mich riesig. Ich liebte Schmuck über alles, doch das meiste war mir zu teuer um es mir selbst zu kaufen.
Von mir bekam Johannes eine neue Uhr und einen kleinen Brief. Als er ihn las konnte ich beobachten wie er gerührt ein paar Tränchen verdrückte.

Am nächsten Tag wachte ich mit einem mulmigen Gefühl im Bauch auf. Der Gedanke daran, dass ich in wenigen Stunden Johannes Eltern kennenlernen sollte, stimmte mich nervös. Immerhin war ich mit einem Sohn nicht gerade die perfekte potentielle Schwiegertochter.
Ich erzählte Johannes davon, dass mir die Vorstellung ein wenig Unwohlsein bereitete. Er grinste mich an. „Keine Sorge, du wirst meine Eltern lieben, aber ich hab eine Idee wie ich dich so lange ablenken kann", sagte er. Ich grinste ihn an. Ich wusste genau was er damit meinte.

Johannes behielt Recht. Bei seinen Eltern angekommen wurden wir freudig begrüßt. Levi war ein wenig nervös und wollte schließlich auf meinen Arm. Johannes Schwester nahm sofort Kontakt zu ihm auf und zwei Minuten später spielte er mit den anderen anwesenden Kinder. „Mensch, du hast ja mal einen tollen Sohn", hielt Marie fest. Ich grinste stolz. Johannes Familie wirkte sehr offen. Sie stellten mir viele Fragen und zeigten mir ihr Interesse. „Johannes, du musst Luna behalten. Du wirst niemanden finden der besser zu dir passt. Und außerdem habe ich dann endlich mal eine Chance auf Enkelkinder. Ob sie nun von dir sind oder ich Levi als Enkel bekomme ist mir egal", sagte Käthe, Johannes Mutter irgendwann. Der ganze Tisch lachte. „Nein, nein. Ich hab nicht vor sie wieder gehen zu lassen", erwiderte Johannes und lehnte sich zu mir um mir einen Kuss zu geben.

Die Stunden vergingen wie im Flug. Schon bald war es für uns Zeit zu gehen. Der Flieger ging um 21 Uhr, also verabschiedeten wir uns gegen 17 Uhr und fuhren nach Hause. Es war nur ein kurzer Abstecher um die letzten Sachen ins Auto zu tun und uns ein bisschen gemütlicher anzuziehen.

„Jetzt werd ich langsam nervös", sagte Johannes als wir durch die Sicherheitskontrolle waren und am Gate auf das Boarding warteten. Levi war mit seinem lila Sorgenfresser im Arm auf meinem Schoß eingeschlafen. Er war erledigt vom Tag gewesen, immerhin hatte er viele neue Menschen kennengelernt und viel gespielt. „Brauchst du nicht. Abuela ist die tollste Frau der Welt und es gibt niemanden den sie nicht mag. Außer Ander, der Sohn vom Nachbar. Der hat mal Klopapier über ihr Haus geworfen. Aber sie glaubt sie  verwirrt ihn am meisten wenn sie nett zu ihm ist" sagte ich. Ich dachte daran zurück und musste grinsen.

Im Flugzeug setzte ich Levi ans Fenster und schnallte ihn an. Er ließ sich nicht stören und schlief tief und fest weiter. Ich setzte mich zwischen meine beiden Jungs und noch bevor das Flugzeug überhaupt richtig in der Luft war, war ich auf Johannes Schulter eingeschlafen.

Bevor wir landeten weckte ich Levi wieder auf. Am Gepäckband wartete schon Abuela auf uns. Sie strahlte als sie uns sah und Levi rannte los. Er liebte seine Bisabuela und freute sich jedes Mal wenn wir sie sahen. „Mein Junge, du bist so groß geworden. Lass dich mal ansehen", sagte sie, als sie Levi in die Arme schloss. Ich konnte sehen wie emotional sie es stimmte. Sie hatte lange versucht mich dazu zu bringen, nach Spanien zu ziehen. Als ich ihr in die Arme fiel, fing ich an zu schluchzen. Ich hatte sie so sehr vermisst.

Erst dann wandte sie sich Johannes zu. Unter Tränen nahm sie ihn lachend in die Arme. "Entschuldige das ich zuerst die beiden begrüßt habe, aber ich hab meine beiden Engel wahnsinnig vermisst", sagte sie mit ihrem spanischen Akzent.

In der kleinen, typisch spanisch eingerichteten Wohnung wartete Abuelo schon auf uns. Er begrüßte uns freudig und wollte uns schon über alle Einzelheiten und Neuigkeiten ausfragen, aber zuerst wollte ich Levi hinlegen. Er konnte seine Augen kaum noch offen halten und gähnte ohne Unterlass.

Two Miles apartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt