Chapter 37

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Die kleine Menschenansammlung löste sich ziemlich schnell auf. Die offizielle Veranstaltung war schon längst beendet und die verbliebenen schon längst auf den Gehweg umgezogen. Wir verabschiedeten uns von den anderen.

Johannes und ich waren in getrennten Autos gekommen. Elena, Levi und ich stiegen in mein Auto, Johannes in seins und meine Eltern in ihres. Bevor ich den Rückwärtsgang einlegte und vom Parkplatz fuhr, sah ich nochmal auf den Schulhof. Eigentlich wollte ich nur in Gedanken damit abschließen, doch ich erblickte den Direktor neben einem der Hausmeister. Er sah mich grimmig mit zusammengekniffenen Augen an. "Du siehst den auch oder?", murmelte ich mit meinem Mundwinkel zu Elena. Sie nickte. Ob er etwas wusste?

Doch auf der Fahrt rückte die Erinnerung an den grimmigen Blick in Hintergrund. Die Musik lief laut und Elena und ich sangen lautstark mit. Levi versuchte es auch, aber es war kein Lied das er auswendig konnte, also nuschelte er mehr vor sich hin.

Am Samstag hatte Levi Abschiedsfest in der Kita. Ab Montag würde er nicht mehr in die Kita gehen, stattdessen würde er in ein paar Wochen in die Schule kommen. Johannes fuhr auch mit zu dem Fest. Was auch gut so war, denn als ich meinem Sohn dabei zu sah, wie er in einem Indianerkostüm über die Wiese tanzte und sein schauspielerisches Können unter Beweis stellte, kamen mir die Tränen. Johannes nahm mich in Arm und ich sah zu Elena die ebenfalls bei ihrem Mann im Arm lag und fast heulte. Wir grinsten uns an. Gemeinsam mit unseren Söhnen hatten wir es weit gebracht.

"Lässt du mich am Friedhof raus?", fragte ich Johannes leise bevor wir wieder ins Auto stiegen. Levi saß bereits auf der Rückbank und sah in den Garten der Kita. Johannes nickte verständnisvoll und dann stiegen wir ein.

Der Weg zu Ilays Grab war seltsam. Der Friedhof wirkte ironischerweise wie ein fröhlicher Ort. Die bunten Blumen auf den Gräbern, die Sonne und der plätschernde Brunnen inziwschen der Gräber sorgten für ein freundliches Ambiente. Normalerweise setzte ich mich auf die Bank gegenüber von unserem Grab, doch heute war mir nicht danach. Ich kniete in das grüne, dichte Gras direkt davor. Zwischen den langen Grashalmen konnte man kleine Gänseblümchen entdecken, zwischen denen vereinzelt Käfer herum krabbelten.

Ich sah mich auf dem Friedhof um. An einigen Gräbern standen Angehörige und ein Stück weiter stand eine schwarz gekleidete Familie über einem noch offenen Grab. Ich versicherte mich, dass niemand in Hörweite war und sagte dann leise: "Unser Sohn wird bald eingeschult". Mit meinen Händen zog ich das Unkraut aus der Erde und entstaubte den Grabstein. "Ich vermisse dich Ilay. Und Levi vermisst dich auch. Es fällt mir so schwer all das ohne dich zu tun. So gerne hätte ich dich an meiner Seite gehabt und mit dir gemeinsam unseren Sohn groß gezogen. Ich liebe Johannes und bin glücklich damit wie es ist, aber manchmal wünsche ich mir so sehr, dass wir zumindest noch ein paar Minuten miteinander verbringen könnten und ich mich wenigstens gescheit von dir verabschieden könnte", murmelte ich.

"Ihr Mann starb früh, was?", vernahm ich auf einmal eine Stimme aus dem Hintergrund. Ruckartig drehte ich mich um. Eine ältere Frau saß auf der Bank. Sie hatte graues, schütteres Haar und trug ein langes geblümtes Kleid. "Wir waren nie verheiratet. Er war mein Freund und ich habe ein Kind von ihm", antwortete ich leise. "Wie alt ist ihr Kind?", fragte die Frau weiter. "Er wird im September sieben Jahre alt", erwiderte ich. "Hat er seinen Vater kennenlernen können?", fragte sie. Ich schüttelte den Kopf und erzählte ihr grob die Geschichte. "Und was machen sie hier? Haben sie auch jemanden verloren?", fragte ich. "Meine Tochter. Sie ist nur ein paar Jahre älter als ihr Freund geworden. Aber jetzt ist sie schon lange weg. Seit fast 20 Jahren komme ich hier her. Aber es wird erträglicher und ich bin mir sicher, dass ich sie wiedersehen werde", erzählte sie mir. "Glauben sie an Leben nach dem Tod?", fragte ich. Die Frau nickte.

Fast zwei Stunden hatte ich auf dem Friedhof verbracht. Bevor ich ging, goss ich das Grab und beim heimlaufen dachte ich über das nach was die Frau mir erzählt hatte. Es hatte mir Mut gegeben. Vielleicht gab es tatsächlich ein Leben nach dem Tod und ich würde Ilay eines Tages wiedersehen.

Die Tatsache, dass Levi nun kein Kindergartenkind mehr war, schwirrte mir den ganzen Abend im Kopf herum. Erst am nächsten Tag konnte ich wieder über andere Dinge nachdenken. In weniger als einer Woche würde ich mit einem wunderbaren Mann verheiratet sein und dieser Gedanke machte mich wahnsinnig glücklich. Doch im Laufe der Woche hatten wir noch einiges zu tun.

Die Woche begann mit einem Junggesellenabschied. Levi war bei Johannes Eltern, während ich mit meinen Freundinnen und Johannes mit seinen Kumpeln feierte. Wir hatten von Beginn an abgemacht, dass wir den Abend gemächlich angehen wollten. Also brachte ich Levi zu Johannes Eltern und fuhr dann wieder nach Hause. Elena hatte ich herein gelassen bevor ich gegangen war, damit sie alles vorbereiten konnte. Emilia, Linnea und Jamie kamen fast zeitgleich wie ich an.

Drinne lief schon Musik und Elena gab uns allen sofort eine Schärpe. "Bevor wir jetzt loslegen, musst du uns noch die Wohnung zeigen", sagte Linnea bestimmt, also führte ich die Drei im Schnelldurchgang durch die Wohnung. Emilia blieb vor dem Porträt im Schlafzimmer stehen. Johannes, Levi und ich waren darauf zu sehen. "Irgendwie immer noch ein seltsamer Gedanke, dass ihr zusammen seid, aber eine schöne Wohnung habt ihr", sagte sie dann.

Der Abend war grandios. Elena und die drei Mädls hatten sich zwar erst an der Entlassfeier zum Ersten mal kennengelernt, aber erstaunlicherweise verstanden sie sich prächtig.

Two Miles apartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt