Chapter 18

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Auch am Montag und Dienstag hatte ich mich in der Schule krank gemeldet. Levi war am Freitag vom Training zu Hause geblieben und Elena war so lieb gewesen, ihn am Dienstag hin zu bringen. Ich hatte ihr alles erzählt.

Am Mittwoch nach der Arbeit sah ich auf mein Handy und erblickte die Nachricht von Johannes. „Können wir reden? Vielleicht erst mal in der Schule? Nicht, dass uns jemand zu Hause zusammen sieht", hatte er geschrieben. Eigentlich widerstrebte es mir, aber ich konnte dem Gespräch nicht wie eine 16jährige ausweichen. „Okay. Hab den anderen letzte Woche gesagt da wär ein Fehler im System und wir machen wann anders Notenbesprechung. Du könntest mich morgen unter dem Vorwand nochmal da behalten", schrieb ich zurück.

Der nächste Tag kam schneller als erhofft. Mal wieder war mir kotzübel und die Stunden vergingen im Schneckentempo. Auch Johannes wirkte äußerst nervös. Er hatte mit uns die Turngeräte aufgebaut und ließ uns dann größtenteils in Ruhe. Ich spürte die aufgeregten Blicke die er mir hin und wieder zuwarf. Als ich ihn dabei erwischte, wie er sekundenlang total verträumt zu mir sah, warf ich ihm einen bösen Blick zu und verdrückte mich auf den Schwebebalken.

Gegen Ende der Stunde begannen wir damit, die Geräte wieder zurück in die Gerätegarage zu stellen. Nur noch ein Kasten war übrig, als meine Mitschülerinnen in der Umkleide verschwunden waren. Ich half Johannes stumm den Kasten zu den anderen Geräten in die Garage zu schieben. Dann setzte ich mich auf den Mattenwagen und sah Johannes erwartungsvoll an.

Dieser lehnte am Sprungbarren und knackte mit seinen Fingern. Das tat er immer wenn er aufgeregt war. „Ich weiß ehrlich nicht wo ich anfangen soll", sagte er nach minutenlanger Stille. Ich wusste nicht was ich darauf erwidern sollte, also schwieg ich weiter. „Bist du wegen mir die letzten Tage nicht da gewesen?", fragte er dann.

Ich lachte. Wenn es wenigstens seinetwegen wäre. „Johannes, ich bin dir nicht böse oder so. Ich liebe dich noch genauso sehr wie letzte Woche. Weder du noch ich kann was für die Situation und es wäre äußerst paradox wenn ich deshalb sauer auf dich wäre. Ich geb es zu, dass ich nicht nur weil ich krank war zu Hause geblieben bin. Ich hab versucht der Situation aus dem Weg zu gehen. Das ganze macht mir zu schaffen. Ich liebe dich, verdammt nochmal! Ich liebe dich sogar sehr und damit bist du der erste seit Ilay. Ich hab irgendwie einen Knacks weg seit er gestorben ist, deshalb hab ich auch irgendwie Verlustängste im Bezug auf dich. Es tut mir leid, ich weiß das ist dumm, aber trotzdem", sprudelten die Worte dann in einem verzweifelten Ton hervor.

Es stimmte schon. Es gab sicher Menschen, die sagen würde ich wäre dramatisch und würde übertreiben, aber genau so fühlte ich es. Die Vorstellung ihn zu verlieren und dabei noch sein Leben zu zerstören ohne dass unsere Beziehung so richtig begonnen hatte, machte mich fertig.

Er sah mich mit glasigen Augen an. Dann stieß er sich von dem Sprungbarren ab und lief zu mir. „Ach scheiß drauf", sagte er und küsste mich. Ich wusste genau wie falsch es war, doch es war mir egal. Ich ließ mich in den Kuss fallen und genoss die Nähe.

In diesen Minuten hätte niemand die Turnhalle betreten dürfen, ansonsten wären wir erledigt gewesen. Still vollzogen wir den Liebesakt und verschwanden den ohne jegliche Vereinbarung über unsere gemeinsame Zukunft in unseren Umkleiden. Minutenlang saß ich mit zitternden Beinen auf der Holzbank und dachte über die sehr intensiven Minuten nach, bevor ich es schaffte mich umzuziehen.

Am nächsten Tag fuhr ich Levi wieder selbst zum Training. Ich wusste nicht wie es zwischen Johannes und mir weitergehen sollte und hoffte eine Antwort zu bekommen. Levi hatte glücklicherweise von alledem nichts mitbekommenen, doch ich fürchtete, dass er es bald merken würde und ich hoffte eine Lösung zu finden noch bevor er es verstehen würde.

Johannes sah mich vielsagend an, als ich Levi ablieferte. Nach der Tennisstunde, bot Johannes uns an, mit ihm im Vereinsheim noch etwas zu trinken. Ich nahm das Angebot an, vielleicht würde Levi dadurch nicht denken, dass etwas anders war als sonst. Der Hausmeister war der Einzige der noch zu sehen war. Er stand hinter der Theke und verräumte ein paar Gläser. „Bernd, gib dem Jungen hier mal eine Fanta, die hat er sich verdient", sagte Johannes. Bernd schob ihm grinsend eine rüber. Der Mann hatte ein Herz aus Gold und ein echtes Händchen für Kinder. „Würdest du vielleicht kurz bei ihm bleiben, dann kann ich mit seiner Mutter mal kurz sprechen?", fragte Johannes weiter. Bernd nickte und begann ein Gespräch über Autos mit Levi.

Johannes zog mich in sein Büro und schloss die Tür hinter ihm ab. Vielleicht war es besser so. Die Rollläden waren unten und die kleine Baustellenlampe an der Decke spendete nur sehr schummriges Licht. Er setzte sich mir gegenüber hin und schaute mich an. Dann sprang er schwungvoll wieder auf und zog mich aus meinem Stuhl. „Es tut mir leid, ich kann es nicht anders", sagte er. Er schob die Dinge auf seinem Schreibtisch grob auf die Seite und hob mich dann darauf. Es hätte 1:1 eine Szene aus einem erotischen Film sein können, denn der leidenschaftliche Kuss erfüllte nur ein weiteres Klischee, ganz zu schweigen von dem hemmungslosen Sex auf dem Schreibtisch.

Und mal wieder verschwand ich mit Levi, ohne ein klärendes Gespräch mit Johannes geführt zu haben.

Am Wochenende trafen wir uns mit Elena und Matteo. Wir unternahmen einen Ausflug ins Kinderland eine Stadt weiter. Für Erwachsene ein Ort der Stress bedeutete, aber für Kinder das reinste Paradies. Ich erzählte Elena von der Situation und dem animalischen Sex und sie gab mir den gleichen Tipp wie auch schon meine vernünftige Version. Ich sollte dringend mit ihm reden, denn so konnte es nicht weitergehen.

Two Miles apartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt