Chapter 20

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Ich war selten so nervös gewesen wie in dem Moment in dem wir vor der roten Holztür standen und ich meinen Finger auf die Messingklingel drückte. Mein Vater öffnete die Tür. Er sah ein wenig traurig aus. Von Johannes schien er überrascht zu sein, doch er gab ihm höflich seine Hand und bat uns herein. Meine Mutter saß auf dem Eckbank und las die Zeitung. Sie sah geradezu schockiert aus, als wir eintraten.

Johannes strahlte sie fast schadenfreudig an und sagte übermäßig nett: „Hallo Frau Díaz, es freut mich wirklich sehr ihre Bekanntschaft zu machen, sie haben eine wirklich wundervolle Tochter". Ich musste mir das Grinsen verkneifen. Ich wusste, dass es Johannes innerlich fast zerriss. Mein Vater bot uns etwas zu trinken an und wir setzten uns hin. „Wir dachten wir kommen mal vorbei. Ich hatte den Eindruck, als wolltest du ihn kennenlernen", erklärte ich unseren Besuch. Meiner Mutter schien es die Sprache verschlagen zu haben. Mein Vater dagegen wirkte anders auf mich. Er schien aufrichtig interessiert an Johannes zu sein. Er stellte ihm Fragen und verwickelte ihn in ein Gespräch, während meine Mutter dem mit skeptischem Blick folgte.

Nach einiger Zeit entschuldigte ich mich und lief in Richtung Toilette. Unterwegs griff ich mir das Telefon meiner Mutter und verschloss die Badezimmertür hinter mir. Es dauerte nicht lange bis ich auf einen Beweis gestoßen war. Sie hatte sich eine zweite Mailadresse erstellt und war ohne Zweifel die Verfasserin der Nachrichten. Ich schnaubte wütend. Ich hatte es zwar schon geahnt, aber trotzdem machte es mich ganz schön wütend.

Mit dem Handy in der Hand stampfte ich zurück in die Küche und knallte es auf den Tisch. „Was machst du an meinem Handy?", fragte sie entrüstet. Ich schüttelte fassungslos den Kopf. Und die nannte sich meine Mutter. „Ich glaub's nicht. Schatz, ich hatte recht, meine Mutter ist wirklich sogar dazu fähig. Willst du uns vielleicht noch verraten was das soll? Wieso zum Geier versuchst du uns so akribisch auseinander zu bringen?", sagte ich mit lauter Stimme. „Er ist dein Lehrer und er ist fast 10 Jahre älter als du! Was glaubst du was unsere Freunde und die Verwandtschaft dazu sagt? Du bist eine Blamage für uns und ich wollte uns das ersparen!", schoss meine Mutter zurück. Mir war zum Kotzen zumute.

An Johannes Blick konnte ich erkennen, dass er kurz davor war meiner Mutter eine reinzuhauen. Er war sonst nicht so und vor allem Frauen würde er nie schlagen, doch über meine Mutter konnte er sich echt aufregen. Ich griff unter dem Tisch nach seiner Hand und drückte sie fest. Mein Vater äußerte sich überhaupt nicht zu dem Thema. Ich wusste, dass er kein sonderlich emphatischer Mensch war und meine Mutter ihn da vermutlich wieder ohne zu fragen reingezogen hatte, also nahm ich es ihm auch nicht wirklich übel, als er nichts dazu sagte.

Innerlich kochte ich als ich wütend zu meiner Mutter sagte: „Du kannst mich mal. Keine Sorge, in der Zukunft werde ich keine Blamage mehr für dich sein, denn du bist nicht mehr meine Mutter. Nur mein ärgster Erzfeind würde mir das antun was du mir angetan hast. Komm bloß nie wieder auf die Idee dich bei mir zu melden. Und wenn du dem Schulleiter auch nur irgendetwas erzählst, dann mache ich dir dein leben zur Hölle, das schwör ich dir".

Ich zog Johannes hinter mir zur Tür hinaus und knallte diese so fest ich nur konnte zu. Auf der Fahrt zurück zu Johannes konnte ich nichts sagen. Ich war so fertig mit den Nerven, dass aus mir nichts außer sehr ungesitteten Wörter rausgekommen wäre. Als wir dann jedoch ausstiegen verlor ich sämtliche Fassung. Ich übergab mich in den Mülleimer am Straßenrand und fing hemmungslos an zu weinen. Im Grunde war es mir egal, ob ich Kontakt zu meiner Mutter hatte, doch es empörte mich so sehr, dass ein einziger Mensch so egoistisch sein konnte, um das Leben des eigenen Kindes mutwillig zerstören zu wollen. Niemals würde ich auf die Idee kommen das mit Levi zu machen. Johannes drückte mich so fest er konnte an sich. Ich schluchzte und mein Körper bebte.

In der Wohnung steckte Johannes mich ins Bett und legte sich zu mir. Er hätte mich in diesem Moment genauso gut in ein Eisbad stecken können; es wäre mir egal gewesen. Ich konnte kaum mehr atmen, so sehr brachte mich das Verhalten meiner eigenen Mutter aus der Fassung. Johannes war mir eine große Hilfe. Er redete nicht auf mich ein und versuchte mich mit Worten zu beruhigen, er hielt mich einfach nur fest in seinen Armen und spendete mir mit seiner bloßen Anwesenheit Trost.

Irgendwann war ich eingeschlafen und wachte erst wieder auf, als es an der Tür klingelte. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits 16 Uhr war. In zwei Stunden würde Elena Levi vorbeibringen. Johannes lag noch immer neben mir. „Soll ich aufmachen?", flüsterte er fragend. Ich nickte. Ich besah mich im Spiegel gegenüber von dem dunklen Boxspringbett. Ich sah mit meinem hochroten Kopf und den verquollenen Augen wirklich grauenhaft aus. „Schatz? Es ist dein Vater", rief Johannes zögerlich. Wie elektrisiert sprang ich auf. Was wollte der denn jetzt auf einmal? Ich warf mir nur kurz das grüne Derbe Hamburg T-Shirt von Johannes über und rauschte in die Küche.

Mein Vater saß am Tisch und sah mich niedergeschlagen an. Vorsichtig setzte ich mich ihm gegenüber. Johannes setzte sich neben mich und nahm meine Hand. Mein Herzschlag beschleunigte sich. „Hör zu. Ich weiß deine Mutter ist schwierig. Und ich weiß, dass das keine Entschuldigung ist, aber ich möchte das du weißt, dass ich dich liebe und das was deine Mutter macht nicht gut finde. Ich erwarte nicht, dass du ihr verzeihst oder so, ich kann dich verstehen, dass du ihr böse bist. Ich möchte dir einfach nur sagen, dass ich euch alles Glück der Welt wünsche und denke, dass Johannes super zu dir passt. Wenn du möchtest darfst du dich immer bei mir melden", sagte er. „Warum trennst du dich nicht von ihr?", fragte ich ihn. „Du weißt wie wenig Mut ich dazu habe", sagte er erschöpft. Ich hatte keine Lust zu diskutieren, denn er war Erwachsen und musste selbst wissen was das richtige war. „Woher weißt du eigentlich wo Johannes wohnt? Und woher hatte Mama die Mailadresse?", fragte ich nach ein paar Minuten in die Stille. „Das Internet, Luna. Die Mailadresse ist auf der Tennisseite und die Wohnadresse im Telefonbuch", sagte er. „Wusstest du was Mama vor hat?", fragte ich weiter. Papa nickte müde.

Two Miles apartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt