Die Tage bis Silvester hatten wir dazu genutzt meine spanische Verwandtschaft zu besuchen. Mittlerweile kannte Johannes jeden außer meinen Eltern und dem portugiesischen Teil meiner Familie. Spaßeshalber hatte ich auch mal wieder einen halben Tag im Restaurant gearbeitet.
An Silvester selbst hatten Johannes und ich Zeit zu feiern. Abuela und Abuelo wollten auf Levi aufpassen, also hatten wir genug Zeit um mal wieder richtig auf die Tube zu hauen. Und außerdem konnten wir so auch endlich mal in aller Öffentlichkeit ein Paar sein. Zu Hause waren wir in der Öffentlichkeit nur Freunde und in der Schule nichts außer Schülerin und Lehrer.
Gegen Abend gingen wir los zu dem Club, welcher nur einige Straßen weiter lag. Als ich jünger gewesen war, hatte ich dort meine erste Erfahrung mit einem Club gemacht. Normalerweise war der Club ab 16, doch heute würde es eine Ü20 Party werden.
Die Stimmung war grandios. Der DJ spielte spanische Musik. Die Terrassentüren des Clubs waren geschlossen, denn es hatte winterliche Temperaturen. Der kleine Bungalow lag an einem See, der über ein Steg zugänglich war. Die Sonne war schon lang unter gegangen und die Terrasse wurde von ein paar Kerzen erleuchtet.
Während dem Tanzen waren wir zu einer Gruppe geraten, die uns mit zu sich an den Tisch zog. Die hatten uns etwas zu trinken gebracht, wir lachten, spielten und redeten miteinander. Johannes sah die meiste Zeit eher verwirrt aus, denn er verstand nur die Hälfte von dem was wir miteinander redeten. Selbst ich hatte meine Schwierigkeiten, denn neben Spanisch und katalanisch war hin und wieder auch ein bisschen galizisch und baskisch zu hören.
Gegen Mitternacht zog es uns wieder auf die Tanzfläche. Es war nicht mehr lange bis zum neuen Jahr und wir tanzten eng an eng zu den intensiven Bässen. Nicht nur zwischen uns war die Spannung geladen. Wenn man sich unser, konnte man lauter Pärchen sehen und das Knistern zwischen ihnen förmlich spüren.
Ich spürte den heißen Atem von Johannes, während er mir den Nacken küsste. Wenn sich unsere Lippen trafen konnte ich den Tequila schmecken, denn davon hatten wir eindeutig genug getrunken. "Wenn wir zu Hause sind, dann begrüßen wir das Jahr gebührend, okay?", sagte Johannes in mein Ohr. Ich biss mir genüsslich auf die Unterlippe. Hingebungsvoll nickte ich und küsste ihn. Von mir aus hätte ich es auch auf der Toilette getan, doch das war weder der richtige Ort, noch der richtige Zeitpunkt. Denn nur kurze Zeit später ertönte ein Countdown.
"Diez, nueve, ocho, siete, seis, cinco, cuatro, tres, dos, uno feliz año nuevo!", hallte es durch den ganzen Club.
Ich hatte keine Ahnung, wie wir den Weg nach Hause gefunden hatten. Wir hatten mehr Alkohol im Blut, als Menschenverstand. Wir verbrachten den Weg nach Hause damit, schlechte Witze zu reißen und zu lachen. Am nächsten Morgen sah ich, dass ich mich offensichtlich sogar in einen Blumentopf gesetzt hatte. Aber es wunderte mich nicht, denn für den Hinweg am Abend hatten wir nur ein Viertel der Zeit gebraucht, die wir danach für den Heimweg gebraucht hatten.
Es war verdammt spät, als wir am nächsten Morgen aufwachten. Mein Kopf brummte und ich hatte einen eindeutigen Kater. Die Verkehrsgeräusche von draußen hallten in meinem Kopf wieder. Als ich neben mich sah, erblickte ich Johannes der meine Vorstellung von meinem eigenen Aussehen verkörperte. Dunkle Augenringe, blasse Haut und total verwuschelte Haare. Ich kämpfte mich aus den Laken und ging übermüdet in das Badezimmer neben unserem Schlafzimmer. Wahllos kramte ich in den Schränken bis ich irgendwann die kleine Schachtel mit den Aspirin Tabletten fand. Ein kurzer Blick in den Spiegel verriet mir, dass mein betrunkenes Ich es nicht mehr geschafft hatte, sich das Make Up zu entfernen. Ohne zu zögern füllte ich den Zahnputzbecher mit Wasser und ging wieder zurück ins Schlafzimmer. Nachdem ich selbst eine der Tabletten geschluckt hatte, gab ich Johannes den Becher und er tat es mir gleich.
Kurze Zeit später waren wir schon wieder ein bisschen mehr lebensfähig. Ein Stockwerk weiter unten konnte ich meine Abuela hören. Die Geräusche waren gerade zu altbekannt. Sie war eindeutig dabei ihren Kaffee zu mahlen. Levi war vermutlich auch schon am Frühstück, also quälte ich mich aus dem Bett um mir meine Klamotten überzuziehen. Johannes stöhnte und warf die Bettdecke von sich: "Was haben wir uns bloß dabei gedacht?", fragte er. Müde lächelte ich. "Naja lustig war es schon. Ich hoffe nur, dass Levi uns nicht gehört hat", erwiderte ich.
Der Blick auf die Uhr verriet uns, dass es bereits nach 10 Uhr war. Also machten wir uns auf den Weg nach unten. Am Küchentisch saßen bereits meine Großeltern mit Levi. Mein Abuelo grinste uns schämisch an, während meine Abuela uns wortlos einen Kaffee hinstellte. Ich wusste, dass sie es uns nicht übel nahm, das Alkohol trinken, aber ich wusste auch dass sie es nicht sonderlich gut hieß. Aber es war nun mal Silvester gewesen, also war es mir egal. Ich setzte mich neben Levi und nahm ihn ganz fest in meine Arme und wünschte ihm ein frohes Neues. Auch meinen Großeltern wünschte ich ein frohes Neues Jahr und dann biss ich genussvoll in mein Croissant.
Zur Mittagszeit klingelte es an der Tür und die gesamte Verwandtschaft trudelte ein, um uns ebenfalls im neuen Jahr willkommen zu heißen. Die Aspirin hatte meinen Zustand zwar verbessert, jedoch fühlte ich mich den gesamten Rest des Tages etwas übernommen und die Anwesenheit meiner Tanten und Onkel machte es nicht besser. Ich liebte meine Verwandtschaft, aber an einem Tag wie diesen wäre mir meine Ruhe lieber gewesen.

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Two Miles apart
RomanceTwo Miles apart, eine Geschichte über eine junge Frau inmitten ihrer zwanziger, deren Leben sich um 180° dreht, als sie sich Hals über Kopf in einen Mann verliebt. Die Hürden die ihre Beziehung bereitstellt, scheinen durch das Schüler-Lehrer Verhält...