Der Dezember verging wie im Flug. Nach Ilays Todestag war der kleine Unfall von Johannes und Levi gewesen und dann hatte ich auch schon die Krebsnachricht meiner Mutter erfahren. Und ehe ich mich versah, war auch schon das neue Jahr gekommen.
Meiner Mutter hatte ich nach wie vor nicht verziehen, aber ich war bereit, sie wieder etwas mehr in mein Leben zu lassen. Die Operation hatte sie gut überstanden und wartete nun auf die Radiojodtherapie.
Auch die Schule hatte wieder gestartet und die Abschlussprüfungen waren nicht mehr weit entfernt. Damit kam auch das Ende meiner Ausbildung immer näher. Und Johannes und ich vertieften uns immer mehr in die Hochzeitsplanungen. Selbst das Datum hatten wir schon festgelegt. Ende Juni, ziemlich zu beginn der Sommerferien wollten wir heiraten. Auch die Hochzeitseinladungen hatten wir verschickt. Knapp 100 Menschen waren eingeladen.
Doch die Zeit zwischen Neujahr und den Abschlussprüfungen verbrachte ich fast ausschließlich mit lernen. Nur mein Brautkleid hatte ich mir inzwischen ausgesucht. An einem Samstag im März war ich mit Elena und Levi los gegangen und hatte Brautkleid um Brautkleid an probiert. Erstaunlicherweise hatte Levi sehr viel Geduld gehabt und mir genau wie Elena Rückmeldung gegeben, ob das Kleid gut aussah. Ich hatte mich dann für ein weißes Kleid mit Spaghettiträgern entschieden. Der obere Teil des Kleides lag eng an. Es war mit Perlen und Blumen bestickt.
Nachdem ich mein Traum-Brautkleid gefunden hatte, suchten wir noch nach einem Anzug für Levi. Johannes hatte bereits einen Anzug für die Hochzeit und ich hatte mir in den Kopf gesetzt einen in der selben Farbe für Levi zu kaufen. Doch wir wurden nicht fündig. Mir war es relativ egal, denn Levi wuchs seit ein paar Monaten sehr schnell, also hätten wir den Anzug vor der Hochzeit vermutlich noch einmal zum Schneider bringen müssen.
"Willst du Jamie, Linnea und Emilia eigentlich einladen?", fragte Johannes eines Abends. "Wie soll das gehen? Dann müsste ich ihnen ja von uns erzählen und außerdem ist das für die und für dich doch sicherlich komisch. Ich meine sie gehen an die Hochzeit ihres Lehrers und du hast Schülerinnen von dir an deiner Hochzeit", sagte ich. Johannes sagte lachend: "Ich heirate eine meiner Schülerinnen, da denke ich nicht, dass das noch einen großen Unterschied machen würde. Ich meine gut, irgendwie heirate ich dich ja nicht weil du meine Schülerin bist. Wir haben uns ja privat kennengelernt, aber trotzdem. Würdest du die Mädls denn an deiner Hochzeit haben wollen wenn alles anders wäre?". Darauf konnte ich Johannes keine richtige Antwort geben.
Im Bett dachte ich lange darüber nach. Einerseits nicht, denn wir hatten nie ein all zu enges Verhältnis zueinander gehabt, doch das lag nur daran, dass sie nichts von meiner Beziehung zu Johannes wussten.
Am nächsten Morgen stellte mir Johannes die Frage noch einmal. "Ich weiß nicht. Wenn die Dinge anders wären wahrscheinlich schon", fasste ich die Gedanken der letzten Nacht zusammen. Damit war das Thema erledigt. Doch nicht endgültig. Denn kurz nachdem ich meine letzte Abschlussprüfung geschrieben hatte, griff Johannes das Thema erneut auf. "Wenn du deine Ergebisse hast un weißt, dass du bestanden hast, kannst du ja Emilia, Linnea und Jamie einladen", sagte er. Mit hoch gezogenen Augenbrauen sah ich ihn an. "Hast du nicht Angst, dass wir damit alles riskieren? Ich meine wir haben es fast zwei Jahre geschafft nicht entdeckt zu werden und alleine, dass wir die Hochzeit so kurz nach Ende des Schuljahres machen und eigentlich alle die eingeladen sind schon davon wissen ist ein ganz schönes Risiko, aber den Mädchen das zu erzählen kann das Aus bedeuten", stellte ich fest. "Sobald du dein Ausbildungszertifikat hast, können sie es dir nicht mehr weg nehmen. Und mich könnten sie höchstens feuern, denn unsere Beziehung ist nicht verboten. Außerdem gehe ich mal stark davon aus, dass die drei den Schnabel halten können", erwiderte Johannes.
Er schien es ernst zu meinen. Ich wusste nicht so recht was ich davon halten sollte, denn ich dachte dabei auch immer an die Verbeamtung die er anstrebte.
Die Zeit zwischen den Prüfungen und dem Tag an dem wir die Ergebnisse bekommen sollten, verbrachten wir mit arbeiten. Erst Mitte Juni war es so weit. Ich war ziemlich aufgeregt. Unsere Klassenlehrerin teilte nach und nach die Prüfungsergebnisse aus. Bevor ich mein Blatt umdrehte, atmete ich tief durch. Doch wie sich heraus stellte, war meine Aufregung unbegründet, denn ich hatte in allen Prüfungsfächern mit der Note sehr gut abgeschlossen. Selbst meine Facharbeit lies sich sehen. In der Klasse war es sehr laut. Meine Mitschüler zeigten sich gegenseitig ihre Noten oder rechneten sich ihre Endnoten aus. Auch ich tat dies. Die einzige schlechte Note die ich hatte war meine vier in Mathe, ansonsten war ich mehr als zufrieden mit meinen Noten.
Irgendwie freute ich mich, als ich später vom Parkplatz fuhr. Ich würde nur für die Zeugnisverleihung nochmal herkommen und dann war meine Zeit hier vorbei.
Es war zwar nur noch eine Woche bis zur Zeugnisverleihung, doch bis dahin würde ich mich ausschließlich meiner Arbeit, den Vorbereitungen für die Hochzeit und sogar ein wenig meiner Mutter widmen. Wobei mich der Punkt Arbeit schon wieder aus dem Konzept brachte. „Wie sieht es aus mit einer Festanstellung?", halte mich meine Chefin beim Übernahmegespräch gefragt. Die Festanstellung hatte ich abgelehnt, denn so gern ich meine Kinder bei der Arbeit halte, so gern wollte ich etwas näher an meinem Wohnort arbeiten.
Dennoch brachte mich die Frage zum Nachdenken. Johannes und ich hatten die Kinder Frage schon zu Beginn unserer Beziehung geklärt und sie in die Zukunft verschoben. Wir hatten nie darüber geredet wann wir das Thema angehen wollten, aber ich war immer davon ausgegangen, dass er dachte ich würde noch mindestens ein Jahr warten, doch die Tatsache, dass wir nun schon so bald heiraten würden, hatte für mich auch meine Ansicht auf diese Frage verändert.
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Two Miles apart
RomanceTwo Miles apart, eine Geschichte über eine junge Frau inmitten ihrer zwanziger, deren Leben sich um 180° dreht, als sie sich Hals über Kopf in einen Mann verliebt. Die Hürden die ihre Beziehung bereitstellt, scheinen durch das Schüler-Lehrer Verhält...