Chapter 5

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Vor dem ersten richtigen Training am Dienstag war Levi noch aufgeregter. Immerhin sollten dieses Mal auch andere Kinder dabei sein. Trotzdem meisterte er es mehr als gut. Wir waren die letzten auf dem Platz. Die anderen Kinder waren bereits gegangen, doch Levi wollte noch nicht gehen. "Noch fünf Minuten, Levi. Dann gehen wir wieder. Du darfst am Freitag ja wiederkommen", sagte ich dann bestimmt. Herr Schulte, besser gesagt Johannes stellte sich neben mich an Rand. "Levi hat heute sowas erwähnt. Er hat gesagt er hat keinen Papa. Ich möchte dir auf keinen Fall zu Nahe treten und du musst mir nichts erzählen was du mir nicht erzählen möchtest, aber was hat das zu bedeuten?", fragte er vorsichtig.

Das Lachen in meinem Gesicht fror förmlich ein. Mein Herzschlag wurde schneller und ich fing an zu stottern. Die Frage machte mich nervös, denn diese Geschichte hatte ich bisher nicht vielen Menschen erzählt.

"Ehhh- also- ehm- sein Vater, also der ist- der ist tot. Das meint er damit. Ehm- er hat ihn auch nie kennengelernt", stotterte ich. Johannes fiel die Kinnlade herunter. Er räusperte sich und fragte dann zögerlich: "Darf ich fragen wie das passiert ist?". "Ehh- bei einem Autounfall", erwiderte ich. In diesem Moment kam Levi zu mir gerannt. Ich schluckte und nahm ihn auf den Arm. Johannes beobachtete uns andächtig. Sein Blick hatte sich leicht verändert, doch interpretierte es nicht wie sonst als Mitleid, sondern viel eher so als ob er mich das erste Mal nicht als seine Schülerin wahr nahm, sondern als ein Mensch.

Am nächsten Tag fuhr ich das erste Mal zu meiner neuen Arbeit. Ich konzentrierte mich voll und ganz auf die Kinder dort. Ich nahm Kontakt zu den kleinen Menschen auf und lernte sie ein wenig kennen. Es machte Spaß. Ich wusste wieder genau weshalb ich diesen Beruf lernen wollte. Ich lächelte als ich ein kleines, gerade drei Jahre altes Mädchen mit braunen Zöpfchen beobachtete. Es war lange her, dass Levi so klein gewesen war.

Es war geradezu seltsam am Donnerstag wieder in die Schule zu gehen. Wenigstens hatten Levi und ich uns langsam an den neuen Rythmus gewöhnt. Der Sportunterricht war irgendwie seltsam. Nicht weil ich Johannes außerhalb der Schule sah und wir uns dort duzten, sondern viel eher weil er nun ein Teil meiner Geschichte kannte.

Draußen wurde es langsam herbstlich kühl, trotzdem schien die Sonne noch, also gingen wir auf den Sportplatz in den Park neben der Schule. Als Johannes uns erklärte was wir machen würden sah ich an ihm vorbei auf den Boden. Aus irgendeinem Grund konnte ich ihm nicht in die Augen sehen. Offenbar fiel es ihm auf, denn als ich während dem Aufwärmen kurz stoppte um meinen Schuh zu binden fragte er mich ob auch alles in Ordnung sei. Ich nickte und rannte weiter. Es war befreiend den Wind im Gesicht zu spüren und sich völlig zu verausgaben.

Später in der Dusche ließ ich das Wasser genussvoll über meinen Körper laufen. Es tat gut all den Schweiß ab zu waschen.

"Du hättest mir das nicht erzählen müssen. Ich finde es schade, dass es dir jetzt so schwer fällt in die Augen zu sehen", sagte Johannes am Freitag nach dem Training zu mir. Levi war dabei sich umzuziehen und ich wartete vor der Kabine auf ihn. Ich holte tief Luft und sagte dann: "Nein, schon gut. Ich hab das einfach noch nicht vielen erzählt und hab einfach auch selbst nicht damit gerechnet das ich damit zu kämpfen hab".

Als Levi so weit war setzte ich ihn in den Sitz, schnallte ihn an und schloss seine Tür. Mit einem leichten Lächeln verabschiedete ich mich von Johannes und stieg ein. Mit einem erneuten Blick auf ihn versuchte ich das Auto zu starten. Es stotterte kurz auf und ging dann wieder aus. Ich probierte es nochmal. Und nochmal. "Nein, nein, nein, nicht jetzt. Bitte nicht jetzt", murmelte ich vor mich hin. Ich probierte es nochmal und gab dann auf. Ich ließ meine Hände auf dem Lenkrad liegen, schloss die Augen und atmete laut aus. Naja, der Wagen war schon alt, aber trotzdem. Ich drehte mich zu Levi. "Komm, aussteigen mein Junge, wir laufen nach Hause", sagte ich. Ich stieg aus. Johannes war immer noch da. Mit besorgtem Blick kam er auf uns zu.

"Soll ich mal nachschauen ob ich herausfinde wieso er nicht anspringt?", fragte er. "Klar, gerne", erwiderte ich. Er klappte die Motorhaube auf. Doch offensichtlich fand er nichts, denn nur wenige Minuten später schlug er sie wieder zu. "Okay, dann laufen wir jetzt. Komm Levi", sagte ich. Levi griff nach meiner Hand. "Nein, stopp. Ihr wohnt doch sicher fünf Kilometer von hier weg. Ich nehm euch selbstverständlich mit", warf Johannes vorwurfsvoll ein. Im Normalfall hätte ich protestiert, immerhin war er immer noch mein Lehrer, aber ich war erschöpft und wollte nach Hause, also nickte ich. Wir räumten Levis Sitz in Johannes Auto und stiegen dann ein.

Während der Fahrt redeten wir nicht viel. Levi war erledigt und schlief ein. Bei unserer Wohnung angekommen hob ich meinen schlafenden Sohn vorsichtig aus seinem meerblauen Sitz. "Ich trag den Sitz und die Tasche rein, ja?", sagte Johannes. Ich nickte und schloss die Haustür auf.

Ich trug Levi in sein Zimmer, legte ihn in sein Bett und deckte ihn zu. Als ich wieder aus seinem Zimmer kam stand Johannes noch immer in der Eingangstür. Er sah ein wenig unbeholfen aus. "Ist schon gut. Wir haben keine Schlangen und auch sonst ist hier nichts gefährlich, also komm rein", sagte ich grinsend. Er lachte nervös und trat dann ein.

Ich nahm ihm den Sitz und die anderen Sachen ab und fragte dann: "Hast du vielleicht Lust als Dankeschön noch ein Tee oder ein Wein mit mir zu trinken?". Er schien kurz zu überlegen und nickte dann. Johannes zog seine schwarzen Turnschuhe aus und fing dann an sich diskret und höflich in der Wohnung umzusehen. Gott sei Dank war ich ordentlich und hatte aufgeräumt. Während ich zwei Tassen Tee machte, lief er herum und sah sich genauer um. Er sah interessiert auf die Bilder an der Wand.

Two Miles apartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt